Im Jahre 1963 zeigte Mazda an der Tokyo Motor Show einen Sportwagen mit Wankelmotor, “Projekt L402A” genannt. Es war dies der weltweit erste Sportwagen mit Produktionsabsichten, welcher einen Zweischeibenwankelmotor aufwies. 1967 dann ging der Wagen als Mazda Cosmo 110 S in den Verkauf, allerdings fast ausschliesslich in Japan.
Der Wankelmotor und Felix Wankel
In den frühen Sechzigerjahren galt der Rotationskolbenmotor von Felix Wankel als die Zukunftstechnologie im Motorenbau. Trotz bedeutend weniger Teilen, insbesondere bewegten Teilen, und vergleichsweise geringen Abmessungen erreichten Wankel-Motoren hohe Leistungswerte. Damit schien das Konstruktionsprinzip Rotationskolbenmotor in der Lage zu sein, den herkömmlichen Otto-Motor mit auf- und abbewegten Kolben mittelfristig zu ersetzen. NSU, der Arbeitgeber von Felix Wankel, und eine ganze Reihe von Automobilherstellern, darunter Mercedes-Benz, Citroën und Mazda, machten sich daran, Fahrzeuge für diese neue Motorengeneration zu entwickeln.
Doch der an sich einfache Wankelmotor war nicht problemlos. Die Abdichtung der Motoren (Stichwort Dichtleisten) war eine grosse Herausforderung, der Verbrauch war hoch, das Drehmoment niedrig und hohe Drehzahlen und eine entsprechende Geräuschkulisse erkauften gute Fahrleistungen.
Die unermüdlichen Ingenieure von Mazda
Mazda war einer der ersten Lizenznehmer des NSU-Wankelmotors und ging den Weg bis zur Serienreife und darüber hinaus wohl am konsequentesten. Eine der Geschichten, die erzählt wird, besagt, dass ein Mazda-Ingenieur die Spitze seines Bleistifts ansah, als er über das Dichtleistenproblem nachdachte. Vielleicht war Graphit ja die Lösung, dachte er und war mit dem Ansatz erfolgreich. Möglicherweise ist es ein Zufall, aber der Leiter des Ingenieurteams, welches bei Mazda an der Entwicklung des Rotationskolbenmotors arbeitete, war ein gewisser Kenichi Yamamoto, der später Vorsitzender von Mazda wurde.
Die Mazda-Entwickler begannen im Jahre 1962 am neuen Sportwagen zu arbeiten, erste Ergebnisse lagen im Jahre darauf vor und im selben Jahr konnte dann auch der Prototyp an der Motor Show in Tokyo gezeigt werden.
Im November 1964 berichtete die Automobil Revue über die Mazda-Versuche mit einem Vierscheiben-Wankelmotor mit 1,6 Liter Kammervolumen und 140 PS Leistung. Im Prototypen Cosmo aber war zu jener Zeit ein 800 cm3-Zweischeiben-Wankelmotor verbaut, der zu diesem Zeitpunkt 70 PS abgab.
Über den Prototypen schrieb Korrespondent T. Yoshiki:
“Für die praktischen Fahrversuche mit einem Zweischeiben-Rotations- kolbenmotor hat die Firma Toyo Kogyo (ähnlich wie dies bei NSU der Fall ist) ein sportliches Coupe, das die Bezeichnung Mazda Cosmo trägt, gebaut. Mazda ist die normale Markenbezeichnung für die andern Fahrzeuge dieser Firma. Im Gegensatz zum NSU-Spider mit Wankel-Motor ist beim Cosmo der Motor vorne und nicht als Hecktriebsatz eingebaut.
Der Zweischeibenmotor zeigt einen ähnlich kompakten Aufbau wie das grosse Ausstellungsmodell mit vier Scheiben. Die Disposition der Ansaug- und Auspuffkanäle ist jedoch umgekehrt, die Zündkerzen liegen (von vorne gesehen) auf der rechten Seite. Wiederum sind alle Hilfsaggregate dem Motorblock vorgelagert.
Der Motor hat einen Kammerinhalt von insgesamt 800 cm3; es handelt sich somit um die gleiche Kammergrösse wie beim Vierscheibenmotor. Die Leistung wird mit 70 bis 80 PS bei 6000 U/min angegeben.
Die Kraftübertragung mit Kupplung, vollsynchronisiertem Vierganggetriebe und Differential an der Hinterachse ist konventionell. Als Besonderheiten des Fahrgestells seien die vorderen Scheibenbremsen und die De-Dion-Hinterachse erwähnt. Dank der niedrigen Bauhöhe des Motors gelang es, bei nur 118 cm Wagenhöhe eine gute Sicht für den Fahrer über die niedrige Motorhaube zu erzielen. Die Gürtellinie der Karosserie liegt knapp über der Oberkante der 14-Zoll-Reifen.”
Es sollte aber noch bis 1966 dauern, bis die erste Vorserie gebaut werden konnte und erst im Jahre 1967 lief der erste Produktions-Cosmo mit geänderter Spezifikation vom Band.
Moderne Technik des Mazda Cosmo 110 S
Im Gegensatz zu NSU, die beim NSU Wankel Spider einen Einscheiben-Wankelmotor einsetzte, baute Mazda mit dem Cosmo 110 S den weltweit ersten Zweischeiben-Wankelmotor-Sportwagen. Der Motor, L10A genannt, wie ein Kammervolumen von 2 x 491cm3 auf. Damit lieferte er 110 PS bei 7000 U/min, spätere Versionen kamen dann auf 128 PS (Motor L10B).
Gekoppelt war der Motor an ein Vierganggetriebe. Als Unterhaltsarbeiten waren Ölwechsel alle 6’000 km gefordert. Das Fahrzeug verfügte über eine selbstragende Karosserie mit Trapez-Dreieckquerlenker vorne und De-Dion-Hinterachse.
Amerikanisch-Europäisches Design beim 110 S
Optisch sah der neue Wagen auf jeden Fall anders aus, als das, was man sich in den Sechzigerjahren von den Japanern gewohnt war. Das Design zeigte amerikanische und italienische Elemente, war insgesamt aber durchaus gefällig.
Zwei Personen fanden im 4,14 Meter langen Coupé Platz. Mit 940 kg war das Auto leicht und bot mit seinen 110 PS überdurchschnittliche Fahrleistungen, der Sprint von 0 bis 100 km/h wurden laut Werk in 8,7 Sekunden geschafft, die Höchstgeschwindigkeit war mit 185 km/h angegeben.
Probefahrt in einem der ersten Coupés
Road & Track berichtete bereits im Jahr 1967 über eine erste Probefahrt im japanischern “Grand Tourer”. Die Fahrbarkeit auf dem Strassennetz von Tokyo wurde gelobt, die Fahrleistungen (obschon noch nicht eingefahren) überzeugten, die Bremsen ebenfalls. Kritik gab es am Fahrwerk, das den Wagen zu sehr neigen liess in Kurven. Auch vom Preis waren die Amerikaner nicht ganz überzeugt, mit USD 4111 war der Cosmo umgerechnet fast doppelt so teuer wie ein Datsun Fairlady 2000 Roadster (USD 2360). Immerhin konnte der Mazda die weit gereisten Probefahrer soweit überzeugen, dass sie nun eifrig auf eine Wankellimousine warteten, denn der Motor wusste zu begeistern.
In zwei Serien gebaut
Der Cosmo wurde in zwei Serien gebaut. Die sogenannte “Serie II”, die ab Juli 1968 in den Verkauf gelangte, unterschied sich vom Vorgänger durch mehr Leistung und einem Fünfganggetriebe, aber vor allem durch einen um 38 cm verlängerten Radstand. Dieser garantierte bessere Platzverhältnisse im Innern und ein ruhigeres, komfortableres Fahrverhalten.
Erkennbar sind die Fahrzeuge der zweiten Serie auch am anders geformten Kühlergrill vorne.
Sound- und Fahrerlebnis
Wankelmotoren bieten immer eine besondere Geräuschkulisse, das ist beim Mazda Cosmo 110 S nicht anders. Passanten erinnert das hochfrequente Röhren irgendwie an einen Zweitakt-Kabinenroller.
Sitzposition und Ergonomie sind für einen Kleinseriensportwagen sehr gut, auch an der Rundumsicht gibt es kaum etwas zu kritisieren. Das Lenkrad sitzt natürlich immer rechts, was den hiesigen Einsatz (Thema Parkhaus, Autobahnzahlstellen im Ausland) etwas erschwert.
Der kompakte Mazda 110 S lässt sich recht flott bewegen, fordert aber beim Benzinverbrauch seinen Tribut. 15 bis 17 Liter pro 100 km fliessen gut und gerne durch die Stromberg-Hitachi-Vergaser. Dafür ist der Mazda im Vergleich zu den NSU-Motoren wesentlich haltbarer, es treten kaum Dichtleisten oder Temperaturprobleme auf.
Sportlicher Erfolg auf dem Nürburgring
Ausserhalb Japan konnte man den Mazda Cosmo 110 S kaum auf Rennpisten sehen. Eine Ausnahme bildete die Teilnahme von zwei Fahrzeugen beim Marathon de la Route auf dem Nürburgring, welcher vom 20. bis 24. August 1968 durchgeführt wurde.
Hinter zwei Porsche 911 und einem Lancia Fulvia beendete ein 110 S die 84-Stunden-Langstreckenprüfung als Vierter, der zweite Mazda hätte Fünfter werden können, hätte er nicht in der letzten Rennrunde ein Rad verloren.
Knapp 1600 Exemplare gebaut
Von 1967 bis 1972 wurden 1519 Mazda Cosmo 110 S hergestellt und fast ausschliesslich auf dem japanischen Markt mit Rechtslenkung verkauft. Mit den Vorserien und Prototypen wurden insgesamt 1599 Fahrzeuge hergestellt. Nur ein geringer Teil, man spricht von rund 250 Fahrzeugen, hat überlebt. Die meisten davon waren ursprünglich weiss lackiert, Sonderfarben gab es auf Wunsch.
Das fotografierte rote Exemplar aus dem Jahr 1968 fuhr ursprünglich in Japan und wurde bereits in Rot ausgeliefert. Der grüne Wagen befindet sich in zweiter Hand bei einem Mazda-Händler in Österreich, hat kaum 25’000 km auf dem Tacho und nimmt regelmässig an Ausfahren, Treffen und Gleichmässigkeits-Rallyies (z.B. Ennstal Classic) teil.
Nur eine Handvoll Fahrzeuge in Europa
In Europa sind nur wenige Fahrzeuge bekannt, in den letzten Jahren sind die Preise stetig gestiegen, was den Cosmo zum teuersten strassengängigen Mazda macht. Ersatzteile sind nicht einfach aufzutreiben, Restaurierungen entsprechend aufwändig.
Wir danken Kurt Hofstetter und der Langwies Garage in Wallenwil und dem Mazda-Händler in Österreich für die Unterstützung bei den Fotoaufnahmen. Und wir sind der Galerie “widmertheodoridis” in Eschlikon dankbar, dass wir deren Fassade so effektvoll als Hintergrund nutzen durften.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 49/1964 vom 19.Nov. 1964, Seite 19: Vorstellung Mazda Cosmo 110 S
- AR-Zeitung Nr. 39/1968 vom 5. Sept. 1968, Seite 43: Porsche-Doppelsieg beim Marathon de la Route - vierter Platz für Mazda Cosmo 100 S
- Oldtimer Markt Nr. 10/1989, ab Seite 201: Mazda Cosmo (Fahrbericht)
Information
Kostenlos anmelden und mitreden!
Mit einem Gratis-Login auf Zwischengas können Sie nicht nur mitreden, sondern Sie profitieren sofort von etlichen Vorteilen:
Vorteile für eingeloggte Besucher
Wertachstraße 29b
86153 Augsburg
Da ist der Cosmo auch zu sehen !