Vor dem zweiten Weltkrieg brachte Fiat ab 1919 eine ganze Reihe von Fahrzeugen heraus, die ab der Nummer 501 mehr oder weniger fortlaufend bis 527 durchnummeriert wurden. Allerdings gaben die Zahlen keine Auskunft über Motorisierung oder Wagenklasse. Erst der 508 bekam den griffigen Zunamen Ballila (Täubchen) oder der 500er wurde später das Mäuschen alias Topolino.
Der Fiat 509 war ein Wagen der unteren Mittelklasse, er wird allerdings auch als der erste Kleinwagen von Fiat bezeichnet. Präsentiert wurde er 1925 anlässlich des Turiner Automobilsalons. Am Anfang standen drei verschiedene Karosserievarianten zur Disposition:
- Sportive
- Taxi
- Commerciale
Mit Variantenvielfalt und Ratenzahlung zum Erfolg
Die Preise lagen zwischen 16’000 und 25’000 Lire. Man konnte bei Fiat in der Sonderausstattungsliste auch gleich eine Versicherung finden. Und den 509 konnte man auch mittels Ratenzahlung über die Finanzierungsgesellschaft SAVA abstottern – damals eine Novität.
Das Gesamtpaket kam offensichtlich beim Publikum sehr gut an. Über die gesamte Laufzeit von vier Jahren wurden über 90‘000 Stück gebaut. Zum Erfolg trug aber auch die stetig wachsende Modellvielfalt bei.
So wies der Prospekt von 1928 beispielsweise schon sechs Karosserievarianten aus:
- 4-plätziges Torpedo
- 2-plätziger Spider (oder auch Spyder)
- 2-plätziges Coupé
- 4-plätziges Coupé Royal 2-türig
- 4-plätziger Innenlenker 2-türig
- 4-plätziger Innenlenker Type Weyman 4-türig
In der Schweiz bezahlte man 1927 4’250 Franken für den Spider, 4’750 für das Cabriolet, 4’600 für das vierplätzige Torpedo und 5’200 für den Innenlnker.
Und in Deutschland betrug 1928 der Kaufpreis 3’800 Reichsmark, die Jahressteuer 114 Reichsmark.
Das Modell "Torpedo"
Eines der gerne gekauften Modelle war der Fiat 509 Torpedo. Ein deutschsprachiger Verkaufsprospekt von 1926 beschrieb dieses Modell wie folgt:
"4 Sitze. Die Vordersitze sind geteilt und jeder einzelne Sitz ist für den Zugang zu den Hintersitzen aufklappbar. Patentierte, zweiteilige Windschutzscheibe, deren oberer Teil verstellbar ist. Verdeck aus wasserdichtem Stoff mit doppeltem Auszug und rückwärtigem Guckfenster. Die Seitenteile öffnen sich mit den Türen. Verdecküberzug aus Kunstleder. 2 Türen mit Ledertaschen. Metallteile vernickelt. Kästchen am Armaturenbrett. Herausnehmbare Bodenteppiche. Reserveradträger rückwärts. Werkzeugkiste unsichtbar. Hohlraum in der Rückenlehne der rückwärtigen Sitze zur Verwahrung der Seitenteile."
509-Chassis als Basis für allererstes Graber-Modell
Doch das Hauptaugenmerk lag auf dem Chassis und dessen Besonderheiten. Dieses wurde mit einem 990 cm³ grossen Monoblock-Vierzylinder-Reihenmotor angetrieben, dessen hängende Ventile im Kopf integriert waren. Gestartet wurde mit elektrischem Starter, die Zündung erfolgte über einen Hochspannungsmagneten. Die Leistung von 22 PS wurde über ein 3-Gang-Getriebe plus Rückwärtsgang über eine Kardanwelle an die Hinterräder abgegeben und war für eine Geschwindigkeit von knapp 80 km/h gut – abhängig vom Aufbau.
Der Verbrauch lag bei sieben Litern Benzin und einem Viertelliter Öl auf 100 km. Gelenkt wurde rechts wie bei vielen Italienern der Vorkriegs-Ära, gebremst wurden alle vier Räder.
Man konnte zwischen Holzspeichen- und Stahlscheibenrädern wählen. 1926 wurde der leicht weiterentwickelte 509 A vorgestellt. Der 509 S (Sport) hatte einen von 22 auf 27 PS erstarkten Motor und brachte es auf über 90 km/h. Der mit einem Bootsheck ausgestattete Spider hiess 509 SM (Spinto Monza), lieferte bei gleichem Hubraum 35 PS und lief 105 km/h. Es soll 1926 auch eine Kompressor-Version namens SC existiert haben. Der Fiat 509 bot somit eine mit allen zeitgenössischen Features ausgestattete Basis.
Das allererste Auto der jungen Karosseriefirma Graber in Wichtrach im Kanton Bern hatte 1927 denn auch ein Fiat 509-Fahrgestell: ein zweisitziges Cabrio!
Auch Gaston Lagaffe fährt 509
Ein berühmter “Besitzer” eines Fiat 509 war der französische Comic-Held Gaston Lagaffe von André Franquin, der auf Deutsch auch Jo-Jo hiess. Der schwarz-gelbe und mit Zielflaggen-Muster beklebte Wagen wurde öfters zum Schrecken der Nachbarschaft. Bei Höchstgeschwindigkeit konnte man immer noch am Strassenrand Blumen pflücken, und auf dem Ölfilm hinter dem Auto Wasserski-… ähm…. Ölski-Fahren.
Allerdings sind solche Episoden nicht weit hergeholt. Bei der Rallye Monte Carlo von 1928 kam der Fiat 509 des Bulgaren Jacques Bigan auf den ersten Platz obwohl Löcher in Ölwanne und Kühler unterwegs notdürftig gestopft werden mussten und ein grosser Teil der Strecke nur im Rückwärtsgang gefahren werden konnte. Solcherlei Räubergeschichten konnte allerdings niemand so richtig nachprüfen und sie gehören daher ins Reich der Legenden. Trotzdem halten sie sich hartnäckig bis heute.
Fahrgestell-Spezifikation (aus Prospekt 1926)
Das Fahrgestell des Fiat 509 wurde im Verkaufsprospekt von 1926 wie folgt beschrieben:
- Vier Zylinder-Motor
- Monoblock mit obengesteuerten Ventilen
- Bohrung und Hub 57 x 97 mm
- Zylinderinhalt 990 ccm
- Automatischer, regulierbarer Vergaser
- Benzinbehälter mit natürlichem Gefälle
- Druckschmierung mit Zahnradpumpe
- Hochspannungsmagnet
- Vorzündungshebel auf dem Lenkrad
- 3 Geschwindigkeiten, ein Rückwärtsgang
- Schalthebel in der Mitte des Chassis
- Kraftübertragung mittels Kardan
- Trockene Einscheibenkupplung
- Hinterachsbrücke aus gepresstem Stahlblech mit rückwärts ausbaubarem Differentialgehäuse
- Federung mit langen Halbellipsenfedern
- Aus Stahlblech gepresste Speichenräder für Ballonreifen 715 x 115 mm
- Vierradbremsen
- Elektrischer Anlasser und Beleuchtung.
Weitere Informationen
- Illustrierte Automobil-Revue Nr. 2 vom Februar 1928 - Seite 64: Technische Daten Fiat 509
- ADAC Motorwelt Nr. 5/1928, Seite 5: Preiszusammenstellung einiger Personenwagen auf dem Amsterdamer Salon
- ADAC Motorwelt Nr. 6/1929, ab Seite 17: Der internationale Automobilsalon in Rom
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