Am 24. März 1970 sorgte im Cavalieri-Hilton-Hotel in Rom ein neuer Sportwagen für offene Münder. Der AMX/3, wie er kurz und prägnant hiess, war ein modernes Mittelmotor-Sportcoupé, das mit V8-Power für die Grossserienproduktion konzipiert wurde und gegen die bekannten europäischen und halbamerikanischen Supersportwagen jener Zeit antreten sollte, also gegen Ferrari, Maserati, Lamborghini, Aston Martin und De Tomaso.
Nicht aus dem Nichts
1968 bereits hatte die American Motors Company, nun unter dem Befehl von Roy Chapin, den AMX vorgestellt, ein reiner Zweisitzer mit grossen V8-Motoren. Der Wagen kam gut an, schliesslich war er über 200 km/h und nicht einmal teuer.
Schon kurz nach Produktionsbeginn überraschten Chefdesigner Richard A. Teague und seine Mitarbeiter aber bereits mit dem zweiten Streich, dem AMX/2. Damit wollte die Crew beweisen, dass American Motors sehr wohl in der Lage war, einen “richtigen” Sportwagen zu baue.
Tatsächlich wies der AMX/2 einen Mittelmotor und vier einzeln aufgehängte Räder auf, sowie einen Heckspoiler, der vom Fahrer während der Fahrt verstellt werden konnte. Es blieb allerdings beim Prototypenbau.
Mithilfe von BMW und Bizzarrini
Für die Verfeinerung von AMX/2 zu einem produktionsfähigen Sportwagen verpflichtete die American Motors Corporation BMW in München und Giotto Bizzarrini.
Das Ergebnis der Zusammenarbeit, die anlässlich der Pressekonferenz als sehr fruchtbar gelobt wurde, konnte in Rom im März 1970 vorgestellt werden.
345 PS für 1400 kg
Der neue Wagen, der zu diesem Zeitpunkt nur in Form weniger Prototypen existierte war weitgehend von Giotti Bizzarrini konzipiert worden. Unter einer mehr als aufregenden Stahlblechkarosserie, die wiederum von Richard A. Teagues Zeichentisch stammte, nachdem man Giugiaros Vorschlag in Amerika nicht goutierte, steckte ein Chassis aus Vierkantrohren und selbstragenden Elementen. Die Räder waren vorne einzeln an Dreieckslenkern aufgehängt, State-of-the-Art in jener Zeit. Hinten wurde eine robuste Konstruktion aus oberen und unteren Querlenkern, die trapezartig ausgebildet waren, montiert. Dazu kamen innenbelüftete Scheibenbremsen rundum zum Einsatz.
Rund 1400 kg schwer sei der Sportwagen, 43,2% des Gewichts ruhte dabei auf der Vorderachse. Als Reifen wurden 205-15 VR vorne und 225-15 VR hinten genannt.
5.5 Sekunden nur sollte der 4,46 Meter lange und 1,9 Meter breite, aber nur 110,5 Zentimeter niedrige Granturismo brauchen, um 100 km/h zu erreichen. als Spitze wurden mehr als 260 km/h genannt
Viel Optimismus
Am 4. April 1970 feierte der AMX/3 seine öffentliche Premiere an der Motor Show von New York, notabene zusammen mit dem Konkurrenten De Tomaso Pantera. 10’500 USD sollte das Coupé kosten, 9000 Dollar sagte die mit Ford-Hilfe entwickelte De-Tomaso-Konkurrenz an.
Trotz diesem Mehrpreis zeigte sich die AMC-Führung sehr optimistisch, schliesslich war die Reaktion des Publikums auf den neuen Wagen geradezu euphorisch.
War in Rom noch von 300 AMX/3 für das Jahr 1971 die Rede, redete man nun bereits über 1000 Exemplare, die notabene bei Karmann in Deutschland produziert werden sollten (gem. Blaube, Oldtimer Markt 4/2011). Sogar 5000 Fahrzeuge pro Jahr wurden genannt.
Tatsächlich wäre der AMX/3 ein heisses Angebot gesehen, wenn man bedenkt, dass Monteverdi für seinen Hai, der im Prinzip ähnlich konstruiert war, 90’000 Franken verlangte. Ein Lamborghini Miura P 400 S kostete 71’500 Franken, ein Maserati Indy 61’900 Franken und ein AC 428 Coupé 54’000 Franken. Für den Aston Martin DBS V8 musste man 75’500 Franken bezahlen, der AMX/3 aber sollte nur ungefähr 50’000 Franken kosten. Ein Schnäppchen, ein Discountangebot.
Schwierigkeiten und politische Intrigen
Weil man sich sicher sein wollte bei American Motors hatte man auch noch BMW ins Boot geholt. Zwischen AMC und BWM waren diverse Partnerschaften im Gang, AMC hatte sogar versucht BMW zu kaufen. Als Entwicklungsauftrag E18 sollte BMW sicherstellen, dass die fahrdynamischen Qualitäten des Neulings auch den Erwartungen entsprachen. Für 1,5 Millionen DM nahmen sich die BMW-Ingenieure des Sportwagens an. Und ihre Kritik war wenig erfreulich.
Nun zeigte sich, dass Bizzarrini wohl zuwenig Zeit gehabt hatte, den Wagen zu entwickeln. Man spricht von wenigen Monaten. Als die BMW-Testfahrer den Wagen über die Teststrecken prügelten, verzog sich das Fahrgestell nicht nur während der Fahrt, es verformte sich sogar so stark, dass es am Ende der Strecke nicht mehr die gleichen Ausmasse auswies wie zu Anfang. Es liess sich sozusagen während der Fahrt nachhaltig verformen. Gleichzeitig traten Kühlprobleme auf, die Bremsanlage überzeugte nicht und im Innern wurde es den Testfahrern mehr als heiss.
Bizzarrini besserte nach, BMW trug viel Knowhow bei und man kann davon ausgehen, dass bei der Präsentation im März 1970 ein einigermassen ausgereifter Sportwagen dastand.
Bizzarrini hatte bereits den Auftrag, die ersten 20 Autos zu bauen, als ein Anruf aus den USA alle Träume beendete. Das Projekt wurde gestoppt, alle Autos sollten zerstört werden. Was natürlich nicht geschah
Warum AMC das Projekt so plötzlich stoppte, darüber kann nur gerätselt werden: Ford soll dahinter gestanden haben, der Karosseriebauer Karmann stand plötzlich nicht mehr zur Verfügung, das Geld fehlte, usw.
Und doch noch ein Nachfolger?
Am Autosalon von Turin im Herbst 1976 feierte der AMX/3 überraschenderweise seine Auferstehung. Die Automobil Revue kommentierte damals:
“Als reines Studienobjekt gedacht ist der «Sciabola» der Laboratorio Automotori Bizzarrini in Livorno. Der frühere Luxussportwagen-Hersteller hat ihn als Werbemodell für die Getriebefirma Oto Melara in La Spezia gebaut. Front und Flanken wurden vom AMX/3, jenem American-Motors-Traumwagen von 1970, übernommen. Der längs eingebaute Mittelmotor ist denn auch ein 5,9-Liter-V-8 von AM. Der Sciabola verleugnet die «aufregende Handschrift» Bizzarrinis keineswegs.”
Offenbar hatte Giotto Bizzarrini tatsächlich im Sinn, den Wagen in einer kleinen Serie zu fertigen. Finanzieren sollte das Projekt die Firma OTO Melara, die wohl ein Interesse hatte, die Investitionen in die entwickelte Getriebe-Differentialeinheit zurückzuerhalten. Doch zur Seirenproduktion kam es nicht, es blieb beim einen Prototyp. Und ob sich dieser Wagen wirklich vom sechsten produzierten AMC AMX/3 unterscheidet, kann auch nicht mit Sicherheit gesagt werden.
Anmerkung hierzu: Sowohl Wolfgang Blaube in Oldtimer Markt (2011) als auch Wikipedia nennen das Jahr 1971 als Präsentationsdatum des Bizzarrini Sciabola in Turin. Die Automobil Revue dokumentiert die Weltpremiere des Bizzarrini Sciabola aber erst im Jahr 1976, während der Sportwagen im Jahr 1971 nicht erwähnt wurde.
Sechs plus eins
Heute spricht man von sechs gebauten AMX/3, dazu kommt das Designmodell, das nicht fahrbar war. Alle sechs Autos haben überlebt, genauso wie der unmotorisierte Design-Prototyp.
Einer dieser sechs fahrbaren Prototypen wird nun im Januar 2017 von Gooding & Company versteigert . Es handelt sich dabei um den “Monza High Speed Test Car”. Der Wagen war einst rot, präsentiert sich aber jetzt in einer kupferfarbenen Lackierung, die dem Wagen bestens steht.
Nach einer kompletten Restaurierung gewann der Wagen die Bizzarrini-Klasse am Pebble Beach Concours d’Elégance 2016.
Jetzt werden USD 900’000 bis 1,3 Millionen als Wert geschätzt, am 20./21. Januar 2017 wird man nach der Scottsdale-Versteigerung wissen, ob die Bieter das auch so gesehen haben.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 16 / 1970 vom 02.Apr.1970 - Seite 17: Neue Wagen - AMX/3
- AR-Zeitung Nr. 46 / 1976 vom 11.Nov.1976 - Seite 7: Autosalon Turin - Bizzarrini Sciabola
- Oldtimer Markt Heft 4/2011, ab Seite 42: Akte X
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Wundert mich nicht, dass Ford die Lancierung dieses Autos verhindert hat, stand diese Firma doch in enger Verbandelung mit Alejandro de Tomaso.