Am Anfang stand das Vorurteil. DAF? Da gab es doch mal einen ungewöhnlich tönenden Kleinwagen mit Getriebeautomatik? Der rückwärts und vorwärts gleich schnell fahren konnte? In einem Buch findet der Verfasser den typischen Satz: (DAF)…" sorgte mit einer Kraftübertragung für Furore, die sich für Tischbohrmaschinen und Versehrtenfahrzeuge eignete. DAF baute keine Tischbohrmaschinen." Ja, so dachten die jungen Männer von einst, die man heute wohl “automotive natives” nennen würde. Damals war nämlich Sportlichkeit angesagt. Und ein sportlicher Kleinwagen, das war ein "frisierter" Käfer, Mini Cooper oder NSU TT, basta.
Ein DAF? Das war was für Omas! Und selbst bei unseren niederländischen Nachbarn kursierten dumme Sprüche über den DAF, wie man hört. Was allerdings stimmt: Rückwärts fährt er so schnell wie vorwärts. Weshalb Rückwärtsrennen ("Achteruitrijden") ausgetragen wurden – gut für das Image war das nicht gerade. Schluss damit, gehen wir vorurteilsfrei an das Thema!
Zurück zu den Anfängen
Dazu begeben wir uns zum DAF Museum nach Eindhoven, nur kaum mehr als eine Stunde von Aachen entfernt. Ursprünglich stand der Name DAF für "Van Doorne´s Aanhangwagenfabriek N.V."(Anhängerfabrik).
Gegründet wurde die Firma 1928 von den Brüdern Wim und Hub van Doorne, mit einem geliehenen Startkapital von 10’000 Gulden. Anfangs residierte die Firma in einer Schmiede, die heute Bestandteil des Museums ist und dem Besucher einen authentischen Eindruck davon vermittelt, wie damals die Anhänger gefertigt wurden.
Während des 2. Weltkriegs baute man Militärgerät und ab 1949 wurden in Eindhoven Lastwagen aus eigener Produktion gefertigt, nachdem zuvor das Wort "Automobiel" Bestandteil des Firmennamens geworden war.
In den Fünfzigerjahren begann man mit dem Bau von Motoren, zunächst in Lizenz. Und ab 1958 wurden dann auch Personenwagen produziert, die allesamt mit der besagten stufenlosen Automatik, der Variomatic, ausgestattet waren.
1975 wurde die PKW-Sparte von Volvo übernommen. Das von DAF bereits entwickelte Modell 77 kam daher als Volvo 343 (das steht für: Reihe 3, 4 Zylinder, 3 Türen) auf den Markt und wurde bis 1991 produziert. 1993 war DAF dann insolvent. Und 1996 wurde die verbliebene LKW-Sparte von der US-Gruppe Paccar übernommen, die schwere Lastwagen produziert.
Neues entdecken
Nun aber zum Museum und seinen Exponaten. Was erwartet den Besucher? Vereinfacht gesagt: Viel Unerwartetes und weitgehend Unbekanntes. Beginnen wir den Rundgang auf der unteren, durch Nutzfahrzeuge geprägten Ebene. Schon an der Kasse begrüßt ein skurriles Dreirad den Besucher: Der "fahrende Regenschirm", ein winziger Einsitzer.
Er entstand im Jahre 1943 und blieb ein Einzelstück. Zu sehen ist sodann der erste produzierte Anhänger, noch wahlweise mit einer Deichsel für die Pferde (der armen Bauern) oder mit Befestigung an einen Traktor (der nicht so armen Bauern). Insbesondere LKW- Fans werden auf dieser Ebene auf ihre Kosten kommen, werden doch mehr als 40 Nutzfahrzeuge für zivile Zwecke, Militär und Feuerwehr gezeigt. Beachtlich: Die Rallye-Trucks mit bis zu 1200 PS, die bei der Paris-Dakar- Rallye zum Einsatz kamen.
Unerwartet: Der Strandwagen "DAF-Kini" der niederländischen Königsfamilie. Leicht zu erraten, steht doch der Schriftzug "Willem Alexander" an der Seite.
Dieses Gefährt gefiel dem Reeder Onassis so gut, dass er für sich ein ähnliches bauen ließ und auf seiner Jacht mitführte.
Auf der unteren Ebene gibt es auch eine Werkstatt, in der man zusehen kann, wie alte DAFs restauriert werden. Übrigens durch ehrenamtliche Helfer, wie überhaupt im gesamten Museum Freiwillige tätig sind. Ferner findet man hier Gastronomie ("DAFfetaria"), Automodelle, einen Museumsladen, eine Kinderecke sowie ein Kino.
Vom Daffodil bis zum Formel 1
In der oberen Etage dominieren die Personenwagen. Wer bislang gemeint haben sollte, DAF hätte nur ein PKW-Modell produziert, wird schnell eines besseren belehrt. Es begann alles mit dem DAF 600, der 1958 auf den Markt kam. Dieses Auto sollte günstig in der Haltung und einfach in der Bedienung sein. Das Ziel wurde erreicht: Der Wagen war kompakt, bot Raum für 4 Personen und besaß einen großen Kofferraum. Sein Design war klar und schnörkellos. Aus heutiger Sicht also ein stilistisch gelungener Kleinwagen, wenn man ihn mit seinen damaligen Konkurrenten vergleicht. Eigentlich.
Die Crux war aber, dass der DAF wirklich ganz einfach zu bedienen war, denn es gab ihn ausschließlich mit der Variomatic. Und die passte so gar nicht in die Zeit, jedenfalls in Mitteleuropa. Wie schon eingangs bemerkt, galt so etwas nämlich als unsportlich.
Heute darf man das anders sehen; der Antrieb war genial. Bei der Variomatic wird jedes Hinterrad stufenlos über einen Riemen angetrieben, wodurch z. B. bei glatter Fahrbahn - wie bei einer Differentialsperre - das Durchdrehen eines Rades verhindert wird. Heute ist diese Art der Automatik bei Großserienherstellern gebräuchlich. Bei den aktuellen sog. CVT- Getrieben wird jedoch anstatt des Keilriemens aus ummanteltem Gewebe eine Lamellenkette aus Stahlgliedern verwendet.
Diese Automatik wurde sogar im ausgestellten Formel 1 - Rennwagen des Typs Williams FW 15 C aus dem Jahre 1992 verbaut. Er beschleunigte von 0 bis 300 km/h in nur 12 Sekunden und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 369 km/h. In einem Grand Prix eingesetzt wurde er aber nie, denn das Reglement wurde aus Angst vor dem kreischenden Monoposto schnell geändert …
Vielfalt
Zurück zu den Alltagsautos: Dem Urmodell DAF 600 folgten bald die Modellreihen 33, 44, 55 und 66.
Und nun ein Rätsel: Ein kompaktes Coupé, von einem berühmten italienischen Designer gestaltet und erfolgreich in Rallyes erprobt. Woran denkt man da? An DAF vermutlich eher nicht. Aber es stimmt, denn die Eindhovener war bemüht, das "Oma-Image" abzustreifen und beteiligten sich erfolgreich im Motorsport. Und das erwähnte Coupé sieht auch heute noch gut aus. Italienisches Design eben, von Giovanni Michelotti (1921 bis 1980), der für viele namhafte Automobilfirmen – etwa Alfa Romeo, BMW oder Maserati – gearbeitet hat. Von ihm stammt ebenfalls ein Entwurf aus dem Jahr 1965: Ein rassiges Coupé, welches aus Kapazitätsgründen nicht realisiert wurde.
Michelotti gestaltete auch den Star des Museums: den DAF Siluro (ital.: Torpedo) von 1968. Eine keilförmige Skulptur von einem Auto auf der Basis des DAF 55-Coupés, die aus jedem Blickwinkel anders zu wirken scheint. Leider folgte auch auf diesen Entwurf keine Serie.
Dafür baute DAF für die schwedische Post 1000 Exemplare des "Kalmar". Der rechtsgelenkte Kleinlaster mit Schiebetür ist das Pendant zum bundesrepublikanischen VW "Fridolin".
Im Museum gezeigt werden ferner ein kleines Militärfahrzeug, diverse Kleinlaster und der "Porter", ein schwimmfähiges Spezialfahrzeug. Das Projekt "BATU", ein einfaches Transportfahrzeug für Schwellenländer, scheiterte an der Ölkrise von 1972. Und auch der Entwurf eines Stadtwagens ist zu sehen.
Lohnender Besuch
Lassen wir es genug sein. Wer sich auf den Weg in das erstaunliche DAF Museum in Eindhoven macht, wird reich belohnt: Man erhält eine Lehrstunde in niederländischer Industriekultur und zahlt dafür mit dem Verlust eines Vorurteils.
Weitere Information (u.a. Eintrittspreise, Öffnungszeigen) gibt es auf der Website des DAF-Museums .
Dieser Artikel erschien am 29. März 2014 in der/den Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten.
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Ich fahre einen Volvo 66, also den weitergebauten Daf 66 - ein super Auto: Kompakt, übersichtlich, trotzdem geräumig, spurtstark, zuverlässig und sparsam.
Die Jungs vom Dafclub in Geldrop sind freundlich, auch uns "Moffen" gegenüber, hilfsbereit, gut gelaunt und fast alles ist sofort auf Lager. Zu Preisen, die man sich im Alfa oder Porsche-Lager wünschen würde. Dazu zahllose Veranstaltungen, Daf-spezifische Schrauberkurse u.ä. Eigeninitiave und Hilfbereitschaft wir GROSS geschrieben.