War im Jahr 2017 noch kurz vor der Versteigerung der Oldtimer Galerie in Gstaad viel Schnee gefallen, so zeigte sich die Umgebung des berühmten Wintersportorts im Berner Oberland am 29. Dezember 2018 nur begrenzt weiss. Kalt war es trotzdem. Die zweite Auktion in Gstaad stiess auf grosses Interesse, sowohl die Vorbesichtigungen als auch die Versteigerung selber waren sehr gut besucht.
Reinhard Schmidlins Team hatte auch viel in Bewegung gesetzt, um einen interessanten Jahresausklang in den Bergen sicherzustellen. 46 Autos und 1 Motorrad im Wert von CHF 9,5 Millionen (EUR 8,4 Millionen) standen bereit und zur Einstimmung intonierten ein Elvis-Imitator und eine Beatles Revival Band (mehr dazu später) Musik aus den Sechzigerjahren.
Jugendliches Angebot
Typisch für die aktuelle Marktsituation wurde ein relativ junges Fahrzeugangebot offeriert, im Schnitt waren die angebotenen Vehikel fast exakt 50 Jahre alt, die Extremwerte bezüglich der Jahrgänge betrugen 1932 und 2017.
Sechs Vorkriegsfahrzeuge suchten neue Besitzer, die Hälfte konnte direkt verkauft werden. Fünf Autos aus dem neuen Jahrtausend liessen sich mit Ausnahme eines Wagens nur unter Vorbehalt absetzen.
Vorbehalte, aber durchaus hohe Gebote
Von den 47 Fahrzeugen fanden 13 (28 %) im Wert von fast CHF 2 Millionen direkt einen neuen Besitzer. Weitere 20 Lots (43 %) wurden unter Vorbehalt zugeschlagen. Die Drähte aus Gstaad heraus werden in den nächsten Stunden und Tagen noch heiss laufen, um zumindest einen Teil dieser Fahrzeuge auch noch verkaufen zu können. Die Chancen stehen bei fast der Hälfte dieser Lots durchaus gut, lagen doch für diese Gebote in der Nähe des Schätzwerts vor. Auf dieser Basis kann nachverhandelt werden und wenn alle Seiten (Einlieferer, Höchstbietender, Auktionshaus) sich noch etwas bewegen, dann steht einem erfolgreichen Verkauf kaum etwas entgegen.
14 Autos allerdings wurden definitiv nicht verkauft, 30 Prozent also beträgt die Nicht-Verkaufs-Quote mindestens. Und dies obwohl die durchschnittlichen Gebote auch für diese Autos im Schnitt bei 77 Prozent des mittleren Estimates lagen.
Viele Internet-Gebote
Während die Verkäufe vorwiegend an vor Ort anwesenden Bietern und in einzelnen Fällen an Telefonbieter getätigt wurden, fielen die doch recht zahlreichen Internet-Angebote auf, die oftmals überraschende Preissprünge mit sich brachten. Mancher Bieter wird es wohl vorgezogen haben, vom heimischen Sofa aus mitzumachen anstatt die doch vielfach lange Anreise nach Gstaad auf sich zu nehmen.
Der britische Auktionator stachelte die Leute vor Ort jedenfalls dazu auf, die Internet-Bieter zu übertrumpfen: “Sie werden dieses Auto doch nicht einem überlassen, der im Schlafanzug auf dem Sofa einen Whiskey trinkt und dabei auf dem Laptop herumklimpert …”.
Elvis und der Cadillac
Elvis Presley fuhr bekanntlich einen rosafarbenen Cadillac. Vermutlich hätte ihm der Series 62 von 1959 mit seinen riesigen Heckflossen noch viel besser gefallen. Exakt ein derartiges Auto, allerdings nicht aus berühmtem Vorbesitz, gab es auch in Gstaad zu kaufen. Der Elvis-Imitator aber gab als Intermezzo ein Lied des bekannten Rockstars zum besten und stimmte das Bieterpublikum entsprechend ein.
Bei CHF 60’000 setzten die Gebote ein, bei CHF 75’000 erfolgte der Zuschlag. CHF 84’000 (EUR 74’760) lautete der Verkaufspreis inkl. 12 % Aufgeld/Kommission.
Baby, you can drive my car
Weniger gut funktionierte dieselbe Verkaufsmasche allerdings beim Austin-Healey 3000 Mk III BJ8 von 1966, der einst John Lennon gehört hatte. Obschon die Beatles-Revivalband sehr gekonnt den Hit “Baby, Du kannst mein Auto fahren” trällerte, wollte niemand das nötige Startgebot quittieren. Der Healey wurde nicht verkauft.
Offenbar reichte die Assoziierung mit dem Pop-Star alleine nicht für entsprechende Gebote. Oder die Interessenten hielten es für klüger, nicht in Erscheinung zu treten und versuchen es später. Vermutlich aber hätte ein knallbunt bemalter VW Käfer 1300 ex John Lennon mehr Chancen auf Erfolg gehabt.
Auch Hollywood-Glamour führte nicht, wie letztes Jahr beim Bowie-Volvo, automatisch zu hohen Zuschlagspreisen. Immerhin gehörte der Mercedes-Benz 250C 2.8 von 1973 einst Richard Burton und dieser Name steht sogar noch im Fahrzeugausweis. Richard Burton war bekanntlich ein Schauspieler und wurde unter anderem mit Filmen wie “Der längste Tag”, “Cleopatra”, “Der Spion, der aus der Kälte kam”, “Wer hat Angst vor Virginia Woolf”, “Die Wildgänse kommen”, “Exorcist II” oder “1984” bekannt. Er war als zweifacher Ehemann von Elizabeth Taylor auch ein oft in der Regenbogenpresse präsent. Zudem trank er gerne einen zuviel, weshalb er im Mercedes-Benz Coupé, das er in der Schweiz besass, einen Alkohol-Detektor einbauen liess. Jener hat leider die folgenden Jahre nicht überlebt, das Coupé aus dem Jahr 1973 aber schon. Genauso wie der originale Fahrzeugausweis.
Weil das Höchstgebot schliesslich nur auf CHF 26’000 lautete, wurde der Mercedes nur unter Vorbehalt zugeschlagen. Ob der Wagen wirklich im Nachgang noch verkauft werden kann, ist angesichts des grossen Abstands zum Schätzwert von CHF 40’000 bis 70’000 doch sehr fraglich.
Erfolgloser Porsche 356 Carrera GT mit Schweizer Renngeschichte
Robert Calderari, ein bekannter Schweizer Rennfahrer in den Fünfziger- und Sechzigerjahren, der sogar in Le Mans am Start war, fuhr 1958 einen Porsche 356 Carrera GT, ausgeliefert durch die AMAG Schinznach. Unter anderem stritt er bei diversen Slaloms und Bergrennen (z.B. Mitholz-Kandersteg und Ollon-Villars) um vorderste Plätze, wäre sogar um ein Haar Schweizer Meister geworden mit dem Wagen. Der 356 “reiste” einmal fast um die Welt, mit Stationen in den USA und in Österreich, um anlässlich der Auktion an den Ursprungsort Gstaad zurückzukehren.
Mit einem Schätzwert von CHF 985’000 bis 1,1 Millionen wurde die Hürde für den komplett restaurierten 356 relativ hoch angesetzt, immerhin konnte aber ein Höchstgebot von CHF 850’000 notiert werden. Somit war man also gar nicht so weit vom Zielwert entfernt, trotzdem wurde der Wagen als “nicht verkauft” virtuell weggeschoben.
Nur ein Sieger im roten Lancia-Trio
Lancia-Fans durften sich auf drei rare und gleichzeitig attraktive Fahrzeuge der Turiner Autofirma freuen. Da war einmal ein elegantes Lancia Flaminia 2.8 3C Super Sport Zagato Coupé von 1968. Ausgerüstet mit einem V6-Motor und einer leichtgewichtigen Alu-Karosserie gehörte der Wagen damals zu den schnellen Autos auf der Strasse und heute zu den gesuchtesten Lancia überhaupt.
Mit einem Höchstgebot von CHF 170’000 erreichte das rote Coupé die erwarteten CHF 195’000 bis 245’000 nicht ganz und wurde “unter Vorbehalt” zugeschlagen.
Deutlich teurer, aber mit dem Palmares unzähliger Rallye-Siege zur Sportwagen-Ikone geworden, ist der Lancia Stratos HF. Die Stradale-Version aus dem Jahr 1975 in Orange-Rot sollte den Interessenten CHF 550’000 bis 575’000 entlocken. Mehr als CHF 450’000 wollte aber niemand bieten, “not sold”, also nicht verkauft, lautete das Verdikt.
Da lief es für den Rallye-Star der Achtziger- und Neunzigerjahre deutlich besser. Für die Die Evo-2-Version des Lancia Delta HF Integrale aus dem Jahr 1993 wurden CHF 110’000 geboten, der Wagen für CHF 123’200 (EUR 109’800) erfolgreich verkauft, deutlich oberhalb des Estimates von CHF 90’000 bis 100’000.
Weniger ist manchmal mehr
Gleich zwei Fiat-Vorkriegsfahrzeuge mit Mille-Miglia-Potential wurden in Gstaad versteigert. Beim einen handelte es sich um einen Vierzylinder-Balilla 508 CS Coppa d’Oro von 1934, beim anderen um einen 1500 6C mit sechs Zylindern von 1937 und Nachkriegs-Barchetta-Karosserie.
Während der Balilla für CHF 162’400 (EUR 144’536) verkauft wurde, fand die Sechszylinder-Barchetta trotz Gebot von CHF 180’000 keinen neuen Besitzer.
Neo-Klassiker unter den Erwartungen
Gleich fünf Autos in Gstaad waren noch keine 20 Jahre alt, deshalb aber nicht weniger interessant. Der Mosler MT900 von 2005 etwa ist einer von nur wenigen Dutzend gebauten amerikanischen Supersportwagen, die zwischen 2005 und 2010 entstanden. Die Technik und auch die Form erinnern mehr an Le Mans als an ein Strassenauto, gleiches gilt für die enormen Fahrleistungen. Es dürfte nur ein solches Auto in der Schweiz und vielleicht auch noch weiter herum geben, da erschienen die geforderten CHF 235’000 bis 255’000 fast schon human. Mehr als CHF 180’000 wollte aber niemand bieten, entsprechend wurde der Wagen nicht verkauft.
Ähnlich teuer wurde der Aston Martin Vantage GT8 von 2017 angeboten, als limitiertes Sondermodell hatte der Wagen bisher rund 12’000 km auf der Strasse zurückgelegt. Auch hier reichten die gebotenen CHF 215’000 nur für einen Zuschlag unter Vorbehalt.
Nicht besser erging es dem Porsche 911 GT3 RS 4.0 von 2011. CHF 340’000 reichten nur für einen Zuschlag unter Vorbehalt, Nachverhandlungen werden zeigen, ob der Wagen doch noch den Besitzer wechselt.
Vier viersitzige Ferrari
Neben fünf Alfa Romeo, vier Porsche und vier Jaguar stellt Ferrari mit vier Sportwagen das grösste Kontingent in Gstaad. Die vier Wagen mit springendem Pferd verband das Faktum, dass es sich allesamt um Viersitzer handelte, eigentlich eine seltene Eigenschaft bei Ferrari. Damit gehören sie automatisch zu den günstigeren Ferrari-Exemplaren, denn zwei zusätzliche Sitze bedeuten meist gleichzeitig geringere Wertschätzung.
Der teuerste der vier Wagen war ein Ferrari 365 GTC/4 von 1971, der auf CHF 250’000 bis 280’000 eingeschätzt wurde. CHF 200’000 wurden geboten, Verkauf unter Vorbehalt.
Ein sehr schöner 400 GT von 1979 mit Handschaltgetriebe war dem Meistbietenden CHF 75’000 wert, womit er den Schätzwert deutlich verfehlte und entsprechend nur unter Vorbehalt zugeschlagen wurde.
Gar nur 44’000 Franken musste ein Interessent für das sehr gepflegte Ferrari Mondial 3.4 T Cabriolet von 1991 bieten, aber auch hier werden erst Nachverhandlungen zeigen, ob der Verkauf zustande kommt.
Verkauft wurde hingegen der Ferrari 456 M GT von 2000mit dem selten ausgelieferten Handschaltgetriebe. CHF 58’800 kostete der Wagen schliesslich, womit der untere Schätzwert aber nicht erreicht wurde.
Maserati Bora zum Schluss
Als letzter Wagen kam ein gelber Maserati Bora 4.9 von 1973 unter den Hammer. Bei CHF 175’000 setzten die Gebote ein, 205’000 wurden schliesslich genannt, der Wagen für CHF 229’600 (EUR 204’344) verkauft.
Ein versöhnliches Ende einer auf viel Interesse gestossenen Versteigerung mit numerisch nicht ganz zufriedenstellenden Ergebnissen. Immerhin blieb knapp nach 19 Uhr, also nach gut 3 Stunden und 20 Minuten Auktionsspektakel noch genügend Zeit, ein kulinarisch ergiebiges Abendessen im schönen Gstaad einzunehmen.
Angebotene und verkaufte Fahrzeuge
Die folgende Tabelle listet alle angebotenen und verkauften Fahrzeuge mit Schätzpreisen, Höchstgeboten und Verkaufspreisen. Die Preis-Umrechnung erfolgte zum am Auktionstag gültigen Tageskurs. Alle Angaben ohne Gewähr.
Lot | Fahrzeug | Jahr | CHF Est von | CHF Est bis | CHF HG | CHF VP | EUR VP | % Est | S |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
101 | Honda S 800 Coupé | 1969 | 28'000 | 32'000 | 32'000 | 35'840 | 31'897 | +19.47%
|
V |
102 | Cadillac Series 62 Extended Deck Sedan | 1958 | 45'000 | 55'000 | 47'000 | 52'640 | 46'849 | +5.28%
|
V |
103 | Ferrari Mondial 3.4 T Cabriolet | 1991 | 50'000 | 70'000 | 44'000 | U | |||
104 | Jaguar Mk VIII Saloon | 1956 | 50'000 | 70'000 | 36'000 | U | |||
105 | Alfa Romeo Montreal | 1973 | 75'000 | 85'000 | 67'500 | U | |||
106 | Chrysler Newport Town and Country | 1950 | 50'000 | 60'000 | 42'500 | N | |||
107 | Ducati Mille Mike Hailwood Replica Special Edition | 1986 | 35'000 | 40'000 | 27'000 | U |
Alle Angaben ohne Gewähr
Legende: Spalte S = Status (V = Verkauft, N = Nicht verkauft, Z = Zurückgezogen, U = Unter Vorbehalt)
Est = Estimate/Schätzwert, HG = Höchstgebot, VP = Verkaufspreis
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