Von 5. April bis 11. November 2025 bietet das Musée National de l'Automobile – Collection Schlumpf in Mulhouse, nur rund 30 Kilometer von Basel entfernt, durch eine einzigartige Ausstellung einen sehr interessanten Einblick in die Automobilwelt von Tim und Struppi. Unter dem Titel “En voiture avec Tintin” (Im Auto mit Tim und Struppi) vereint es einige der symbolträchtigsten Autos aus den Abenteuern des berühmten Reporters, die von Hergé geschaffen wurden.
Bei dem Pressebesuch am 3. April waren mehrere Persönlichkeiten anwesend. Guillaume Gasser, der Direktor des Museums, begrüsste bei dieser Gelegenheit Dominique Maricq, Archivar der Hergé-Stiftung und Autor zahlreicher Bücher über Tim und Struppi, sowie Robert Vangénéberg, Administrator von Tintinimaginatio, dem Unternehmen, das für die kommerzielle Verwertung von Hergés Werken verantwortlich ist. Wir möchten hier daran erinnern, dass Hergé, dessen richtiger Name Georges Remi (1907-1983) war, der Autor der Abenteuer von Tim und Struppi ist, einem der berühmtesten Comicstrips der Welt.
Diese Ausstellung “En voiture avec Tintin” ist die Geschichte einer Leidenschaft für Autos, die eine Epoche und eine Kultur widerspiegelt, und die sich durch die gesamte Reihe der Abenteuer von Tim und Struppi zieht. Hergé, selbst ein grosser Autoliebhaber, machte die Fahrzeuge zu echten eigenständigen Charakteren, die von der stilistischen und technologischen Entwicklung ihrer Zeit zeugen.
Zum ersten Mal bietet diese Ausstellung die Möglichkeit, die legendären Autos von Tim und Struppi zu entdecken, die im Laufe der Alben anhand von Zeichnungen, Modellen und Zeitdokumenten in Szene gesetzt wurden. Ein immersiver Parcours, der Gross und Klein dazu einlädt, mit dem berühmten Reporter und seinen abenteuerlichen Gefährten durch die Automobilgeschichte zu reisen.
Hergé und die Autos, eine grosse Liebesgeschichte
Von “Tim im Lande der Sowjets” (1929) bis “Tim bei den Picaros” (1976) bevölkern motorisierte Fahrzeuge die Seiten jedes Albums. Jedes von Hergé gezeichnete Modell verrät uns etwas mehr über seine Arbeit und die spannende Geschichte des Automobils. Seine Archive, die ordnungsgemäss geordnet und von der Hergé-Stiftung aufbewahrt werden, zeugen von seinem Interesse an schönen Autos. Sie stammen aus Frankreich, Italien, England, Deutschland oder den Vereinigten Staaten. In den Abenteuern von Tim und Struppi sind die Autos untrennbar mit der Handlung verbunden und tragen zur Komik und Dramatik der Erzählung bei.
Hergé stellte sie zunächst ohne grossen Willen zum Realismus dar, doch im Laufe der Zeit entwickelte er ein Streben nach Authentizität, das ihn dazu veranlasste, besonders auf die Rundungen einer Linie oder auch auf die technischen Attribute der raffiniertesten unter ihnen zu achten. Hergé selbst liebte schöne Autos, mit einer ausgeprägten Vorliebe für das, was man nur als “schöne Autos” bezeichnen konnte, darunter einen Lancia Aprilia, zwei Lancia Aurelia, einen Porsche 356 und mehrere Mercedes, darunter einen 190 SL.
Ein aussergewöhnliches Schmuckkästchen
Um dieses Werk, das legendäre Autos und das 20. Jahrhundert so sehr gefeiert hat, zu würdigen, bot sich den Initiatoren der Veranstaltung sofort ein Ausstellungsort an: Das Musée National de l'Automobile – Collection Schlumpf in Mulhouse. Das Gebäude beherbergt auf 20'000 m2 die grösste Automobilsammlung der Welt mit mehr als 600 aussergewöhnlichen Autos, darunter emblematische Modelle der grossen Konstrukteure, die die Geschichte sowohl in Bezug auf Leistung als auch auf mechanischen Fortschritt geprägt haben.
Der Ford T aus "Tim im Kongo"
Das Musée National de l'Automobile verbindet mit dieser Ausstellung Fiktion und Realität miteinander. Modelle der mythischen Autos, die die Seiten der Alben mit den Abenteuern von Tim und Struppi bevölkern, und ihre lebensgrossen Gegenstücke, die Juwelen der Sammlung des Museums, werden Seite an Seite ausgestellt. Zu sehen sind zum Beispiel der 2CV von Schulze und Schultze in “Der Fall Bienlein”, der Ford T in “Tim im Kongo”, der Bugatti Typ 35 von Bobby Smiles in “Tim in Amerika” oder der 5CV Trèfle von Schulze und Schultze aus dem Album “Im Reiche des Schwarzen Goldes”.
Schon beim Betreten der Ausstellung säumen grosse Bilder mit den Kulissen und Autos aus der berühmten Serie den Weg. Der Besucher taucht in eine faszinierende Welt aus Kästchen und Sprechblasen ein. Vom Ruf der grossen weiten Welt bis hin zu den Landschaften von Mühlenhof und seinem berühmten Schloss ist er eingeladen, die grafischen Schätze von Hergé im Laufe der Geschichten, die das Auto von den 30er bis zu den 70er Jahren feierten, erneut zu besuchen.
In jeder Etappe werden die Autos von Tim und Struppi in ihrem erzählerischen Kontext präsentiert, der durch seltene Dokumente aus den Archiven der Hergé-Stiftung bereichert wird: Dokumentarische Skizzen, Blaupausen, Tuschezeichnungen, Skizzen, Zeitschriften, Kataloge, Werbeprospekte, Fotografien, Modelle und Prototypen von Fahrzeugen.
Das Ganze wird ergänzt durch die beiden Zeitschriften, die abwechselnd die Heldentaten des berühmten kleinen Reporters veröffentlicht haben: “Le Petit Vingtième” und die Wochenzeitung “Tintin”. Die Zeichner, die Hergé zur Seite standen, waren Spezialisten in der Welt der Autos und spielten eine wichtige Rolle bei der Darstellung aller Arten von Fahrzeugen, die in “Reiseziel Mond” und “Schritte auf dem Mond”, “Der Fall Bienlein”, “Kohle an Bord”, “Tim in Tibet”, “Die Juwelen der Sängerin”, “Flug 714 nach Sydney” und schliesslich “Tim und die Picaros” zu sehen sind.
Léonard Gianadda auf den Spuren von Tim
Als Bonus zur Ausstellung “En voiture avec Tintin” sind Fotografien zu sehen, die die Reise des Walliser Léonard Gianadda erzählen, der zwischen 1953 und 1961 die Welt bereiste. Wie Tim und Struppi besuchte er die USA, Europa, den Nahen Osten, Südamerika, Russland, Afrika und die Mittelmeerländer. Das bietet reichlich Stoff für Figuren, Szenen und Landschaften, die aussehen, als wären sie direkt aus Hergés Alben entsprungen. Zum Beispiel sieht man ein Foto von Léonard Gianaddas VW Käfer in der libyschen Wüste neben einer Zeichnung aus dem Tim und Struppi Album “Im Reiche des schwarzen Goldes”, wo Tim, ebenfalls in der Wüste, einen Lancia Aprilia fährt.
Die Begegnung zweier Weltenbummler, ein Bilderreim zwischen den realen Heldentaten des einen und den fiktiven Abenteuern des anderen.
Dieser Teil der Ausstellung befindet sich neben dem für Rennsportwagen reservierten Bereich des Museums mit insbesondere dem Audi R18 e-tron, der 2014 die 24 Stunden von Le Mans gewann, und einem Porsche 908 von Jo Siffert. Letzterer verkaufte mehrere Bugattis und Rennwagen an die Gebrüder Fritz und Hans Schlumpf, die Gründer des Museums.
Nach seiner Karriere als Fotoreporter, die er während seines Ingenieurstudiums verfolgte, gründete Léonard Gianadda in Martigny die Pierre-Gianadda-Stiftung zum Gedenken an seinen Bruder. Eine der Stärken dieser Stiftung ist ein kleines aber feines Automuseum mit mehreren von Tim und Struppi gefahrenen Modellen, darunter das Ford Modell T aus “Tim im Kongo” und den Mercedes von 1929 aus “Tim im Lande der Sowjets”.
Der Citroën 15 CV vom Fall Bienlein in der Schweiz
Doch schauen wir uns einige Modelle in der Ausstellung “En voiture avec Tintin” genauer an.
Hier konzentrieren wir uns auf den Citroën 15 CV und den Simca Aronde. Beide Autos sind nicht nur im selben Album, “Der Fall Bienlein” (1956), zu finden, sondern auch noch im selben Kästchen! Alles beginnt am Bahnhof Genf-Cornavin. Für Tim und Struppi ist Professor Bienlein in Gefahr und sie müssen ihn unverzüglich warnen. Gleich nach seiner Ankunft wird er von Geheimagenten beschattet, die von Bordurien an den Ort des Geschehens geschickt wurden.
Die beiden bordurischen Agenten haben den Auftrag, Tim und Kapitän Haddock zu eliminieren. Ein 15 CV schneidet dem Taxi den Weg ab, in diesem Fall einem Simca Aronde, in dem sich unsere beiden Helden befinden. Der Fahrer verliert die Kontrolle und es kommt zum grossen Sprung in den Genfer See. Doch der Mordversuch scheitert, wie übrigens alle anderen auch… Der sanfte, leistungsstarke und komfortable Citroën 15 CV ist zum Mythos geworden und symbolisiert perfekt das Frankreich der 50er Jahre.
Der Simca Aronde mit seinen sanften Linien und dem Appetit eines Vogels macht seinem Namen alle Ehre: Aronde ist das altfranzösische Wort für Schwalbe. Es ist auch das Symbol der Marke Simca. Er gilt als der erste “echte” Simca, ausgeschrieben Société Industrielle de Mécanique et Carrosserie Automobile, von dem zwischen 1951 und 1963 fast 1,5 Millionen Exemplare hergestellt wurden. Er zeigt die Besonderheiten des Genfer Taxis aus “Der Fall Bienlein”: Dreifarbige Lackierung, Logo, Firmenschild, gewölbte Windschutzscheibe, verchromter Kühlergrill und eingebaute Scheinwerfer – alles ist vorhanden, einschliesslich des Nummernschildes, das auch im Album gut erkennbar ist. Hergé ging noch weiter ins Detail und illustrierte das hintere Nummernschild mit dem Kantonswappen von Genf, dem Schweizer Wappen und dem vierstelligen Kennzeichen.
Der Triumph Herald aus dem Album “Die Schwarze Insel”
Beenden wir diese kleine Übersicht mit einem Auto einer englischen Marke, dem Triumph Herald. Er wird nur in der letzten Farbversion von “Die Schwarze Insel” auftauchen. Es ist das einzige Album der Abenteuer von Tim und Struppi, das in drei verschiedenen Versionen erschienen ist: die ursprüngliche Schwarz-Weiss-Version (124 Seiten – 1938), die erste Farbversion (62 Seiten – 1943) und die letzte, völlig neu gezeichnete Farbversion (62 Seiten – 1966).
Hergés rechte Hand, der hervorragende Bob De Moor, hatte vor Ort in England umfangreiche Recherchen angestellt. Von seiner Reise brachte er zahlreiche Skizzen und Entwürfe, aber auch Kataloge, Prospekte, Landkarten und Postkarten mit. Die verrückte Reise von Tim und Struppi bleibt in jeder Version von “Die Schwarze Insel” gleich, nur die Requisiten und die Umgebung, in der die Handlung stattfindet, ändern sich. Bis auf wenige Details ist das Cabriolet aus dem Album dem Referenzmodell, dem Triumph Herald Convertible, sehr ähnlich.
«Tatsächlich stammen alle Fahrzeuge dieser Ausstellung aus unserem Museum. Das gilt zum Beispiel für den Citroën 2CV, der die Besucher im Bereich für Wechselausstellungen als erstes begrüsst. Dasselbe gilt für den Peugeot 403, der vor einem grossformatigen Bild aus dem Album “Die Juwelen der Sängerin” ausgestellt ist. Das Triumph Herald Convertible aus dem Album “Die Schwarze Insel” wurde noch nie ausgestellt. Es gehört zu unseren Sammlungsreserven», erklärte uns Guillaume Gasser, der Direktor des Musée National de l'Automobile à Mulhouse.
Die Geheimnisse der Herstellung
In dem zweiten Teil der Ausstellung “En voiture avec Tintin”, wird der Besucher hinter die Kulissen blicken, mit einer Rekonstruktion des Büros von Tims Vater, im Herzen der 1950 gegründeten Hergé-Studios. Umgeben von erfahrenen Zeichnern und ebenso erfahrenen Koloristen entwickelte Hergé eine Reihe von Prozessen und Verfahren, die zu einer Art grafischer Perfektion führten, die in der Vergangenheit nur selten erreicht wurde. Sie zeichnet sich durch die systematische Verwendung von Bleistiftzeichnungen im gleichen Format (durchschnittlich 300 x 500 mm) aus, bevor die Strichzeichnungen folgen.
Die kleine Gruppe von Zeichnern um Hergé ist mittlerweile perfekt strukturiert; jeder kennt seine Rolle im Entstehungsprozess der Tim und Struppi-Alben oder der dazugehörigen Merchandising-Produkte. In dieser minutiösen Baustelle, die nach Exzellenz strebt, bleibt Hergé der einzige Herr im Haus. Die anderen Mitglieder des Teams sind in erster Linie dazu da, ihn zu unterstützen.
Hergés Opel Olympia
Wie bereits erwähnt, war Hergé ein grosser Autoliebhaber. Es sollte jedoch hinzugefügt werden, dass mehrere Autos, die er erworben hatte, in den Tim und Struppi Alben abgebildet wurden. So ist das Opel Olympia Cabriolet in “König Ottokars Zepter”, das Auto der syldawischen Spione, das gleiche Auto, das Hergé damals besass. Tatsächlich kaufte er sich sein erstes Auto 1938 im Alter von 31 Jahren. «Ich hatte es bei den Etablissements Paul Cousin gekauft. Während des Krieges hatte ich es in einer Scheune versteckt, da die Deutschen die Autos beschlagnahmten. Ich bin also nicht viel damit gefahren. Ausserdem war das Benzin fast unauffindbar. Dann habe ich es einem Arzt geliehen... Bei der Befreiung wurde es von einem grossen amerikanischen Lastwagen ein wenig verbogen...», erzählte damals Hergé.
Nur wenige wissen, dass Hergé auch Besitzer einer Imperia Mésange war, die er in “Die Krabbe mit den goldenen Scheren” gezeichnet hatte und die von einem Abschleppwagen abgeschleppt wurde. Ein Modell aus dem Jahr 1940, das er gebraucht gekauft hatte. Die Imperia-Automobile wurden im belgischen Nessonvaux hergestellt und das Modell Mésange war ein Adler, der vor dem Krieg (1932) in Lizenz gebaut worden war.
Der Lancia Aprilia des Emirs und Hergés Porsche 356
Im Album “Im Reiche des schwarzen Goldes” fährt Tim den Lancia Aprilia des Emirs Ben Kalish Ezab. Hergé hatte ein rechtsgesteuertes Auto desselben Modells erworben, das er auf dem Weg in die Schweiz einweihte. Der Zeichner fuhr auch einen blauen Porsche 356. Er taucht diskret in der grossen Automobilversammlung der Rallye des “Volant Club” auf und ist in einem herrlichen Panoramafeld des Albums “Kohle an Bord” sichtbar, in diesem Fall im letzten Feld auf Seite 62 (er trägt die Nummer 8).
Die “En voiture avec Tintin”-Ausstellung widmet sich auch dem dokumentarischen Teil der Hergé-Studios, einem entscheidenden Element bei der Ausarbeitung der Abenteuer von Tim und Struppi. In diesem Zusammenhang bezeugt Hergé: «Es war also zur Zeit des “Blauen Lotus”, dass ich eine neue Welt entdeckte. Ich entdeckte eine Zivilisation, die mir völlig unbekannt war, und gleichzeitig wurde ich mir einer Art Verantwortung bewusst. Ab diesem Zeitpunkt begann ich, nach Dokumentationen zu suchen, mich wirklich für die Menschen und Länder zu interessieren, in die ich Tim und Struppi schickte, aus Ehrlichkeit gegenüber denjenigen, die mich lasen».
Konkret fütterten die Mitarbeiter von Hergé die Dossiers der Studios mit verschiedenen Dokumenten zu den verschiedensten Themen. Im Bereich zum Thema Autos finden sich zahlreiche Presseausschnitte, Fotos und Illustrationen. Einige Exemplare sind in den Vitrinen der Ausstellung zu sehen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass Hergé nicht auf die Gründung seiner Studios gewartet hat, um seine Datenbank zu erstellen. Bereits in den dreissiger Jahren begann er, zahlreiche Referenzen zu sammeln, die ihm bei seiner kreativen Arbeit helfen könnten. Seine Tätigkeit in der Redaktion der Brüsseler Tageszeitung “Le Vingtième Siècle” ermöglichte ihm den Zugang zu zahlreichen Fotos, die von nationalen oder internationalen Presseagenturen stammen.
Informationen zu der Ausstellung, den Besuchszeiten und den Eintrittspreisen sind auf der Webseite des Museums publiziert.






























































































































































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