Ein Museum betreibt Norbert Hilker nicht, denn dazu müsste es feste Eintrittsregularien und wohl auch mehr Platz für Besucher geben. Vielmehr besitzt er eine erstaunliche private Sammlung, die er in Lohne (Niedersachsen) über drei Jahrzehnte lang zusammengetragen und zu deren Besuch er den Verfasser freundlicherweise eingeladen hat. Sie ist in drei Hallen mit insgesamt 1500 Quadratmetern Fläche untergebracht, die der umtriebige Sammler vor rund 20 Jahren erwerben konnte. Früher befand sich hier ein Möbelhaus nebst einer Schreinerwerkstatt. Den Besucher erwartet hier jedoch nicht nur eine Oldtimersammlung. Schon deshalb, weil nicht nur Autos, sondern auch Zweiräder, Traktoren und sonstige Landwirtschaftsgeräte enthält.
Es ist aber auch keine reine Borgward-Sammlung, wenngleich die Fahrzeuge dieses Herstellers hier prägend sind. Eng gedrängt sind fünfzig Automobile – vom BMW Isetta bis hin zum Mercedes-Benz 600 – zu erleben. Bei der Borgward-Gruppe reicht die Bandbreite vom kleinen Lloyd bis hin zum Oberklassenmodell "Grosser Borgward". Zeitlich erstreckt sich das Spektrum von 1926 bis in das letzte Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts. Die Autos sind umgeben von zeitgenössischen Gegenständen und erstaunlichen Dekorationen, die dieser Sammlung eine ganz besondere Ausstrahlung verleihen. Und zu allem hat der sympathische Sammler für den Besucher auch noch die passende Geschichte parat.
Memorabilia und Zubehör
Begeben wir uns also auf eine Zeitreise in die Welt des Norbert Hilker. Den Grundstein für seine Sammlung legte er mit einem Mercedes-Benz 170 S von 1950, den er selbst restauriert hat und der sich perfekt im maronenbraunen Lack präsentiert. Dazu gibt es auch noch einen passenden Anhänger. "Das war mal ein kleiner Werkstattwagen von Mercedes, bestückt mit Ersatzteilen. Bei Bedarf konnte man so den Unimog direkt auf dem Acker reparieren.", weiß Hilker zu berichten. Sein zweites Auto war dann ein BMW Isetta, sozusagen als Kontrast. Und irgendwann war dann auch sein erster Borgward – eine Isabella – fällig. Und bei dem einen Borgward ist es dann nicht geblieben.
Doch beginnen wir außen mit dem Rundgang. Vor einer der Hallen hat der Sammler eine alte Avia-Tankstelle mit Zapfsäule, Ölkabinett und Reifendruckprüfer arrangiert. Ein großes Schild wirbt für die Marke Borgward. Im Inneren fällt sofort die Dekoration auf: Ersatzteile, Prospekte und andere bibliophile Raritäten finden sich zuhauf, ebenso wie ein Wandarrangement von Keilriemen und Wischerblättern. Und immer wieder entdeckt man Zapfsäulen und anderes Tankstellenzubehör. Beispielhaft erwähnt sei hier die Säule "Big Ben" von Esso. "Die enthält vier Behälter zu je fünf Litern Benzin, und es konnte von beiden Seiten gepumpt werden.", erläutert Hilker.
Riesige Reklameschriften auch längst vergessener Firmen sind allgegenwärtig. Wenn er eine solche für die Sammlung haben wollte, war er mitunter hartnäckig. Das gilt auch für das beachtliche Inventar zeitgenössischer Ladeneinrichtungen. Die Sammlung Hilker verfügt über einen Tante-Emma-Laden, eine Apotheke, eine Fahrschule sowie einen Frisörladen aus den Fünfzigerjahren. Selbst die Details stimmen, gibt es dort sogar noch echtes Parfüm und Seife. Wer sich noch erinnert? Diese Artikel kaufte man damals beim Frisör, denn die heutigen Drogerieketten existierten noch nicht. Und es gibt weitere Kuriositäten: So das Telefon, welches einst der Firmenchef Borgward benutzt haben soll, und ein früher, doch sehr simpel wirkender Kindersitz.
Es ist verdienstvoll, dass Hilker das alles vor dem Vergessen und der Vernichtung bewahrt hat. Auch eine fast komplette Kollektion von Schreibmaschinen der Marke "Mercedes" gibt es sowie Fahrräder, sogar ein fabrikneues. Die Sammlung von Traktoren und Landwirtschaftsmaschinen wollen wir hier ebenso vernachlässigen wie die interessante Kollektion von Zweirädern (Hilker: "Das 'K' bei der NSU Quickly TTK steht für den Kickstarter.").
Viel Borgward
Kommen wir nun zu den Autos. Einige befinden sich in perfektem Zustand, andere müssen noch restauriert werden. Starten wir mit der Borgward-Gruppe. Hier sei zunächst der ab 1959 in nur 49 Exemplaren gebaute Lloyd Alexander TS mit Frua-Karosserie genannt. Auf der Basis des Alexander TS schuf Pietro Frua Ende der Fünfzigerjahre ein formschönes Coupé mit Panoramascheiben, raffinierten Details und imposanter, geteilter "Kuhhorn"-Frontstoßstange. Diese ähnelt der, die später auch beim Volvo P 1800 in Serie ging. Leider stand das schmucke Auto bei unserem Besuch zum Fotografieren etwas beengt. Die Sammlung beherbergt noch ein weiteres, unrestauriertes Frua-Coupé als Ersatzteilträger.
In Hilkers Hallen steht auch ein eleganter Borgward Hansa 2400 Pullman. Das ist zwar nicht das Originalfahrzeug des Firmenpatriarchen Carl Borgward, aber es ist in den gleichen Farben wie dessen Auto lackiert. Weltweit soll es noch 33 Exemplare dieses Typs geben. Über den Zustand des Fahrzeugs braucht man nicht zu diskutieren, denn es hat als "Best of Show" den Concours d'Elegance an der Techno Classica 2008 gewonnen.
Gleich mehrere Exemplare gibt es von den großen 2,3-Liter-Limousinen des Typs P 100. Auch die kleineren Autos von Goliath sind als Limousinen, Kombi und Coupé vertreten. Ähnliches gilt für die Marke Lloyd, die natürlich nicht nur durch das obige Frua-Coupé repräsentiert wird.
Besondere Erwähnung verdient auch noch der "Großraumpersonenwagen" Lloyd LT 600, den man heute "Minivan" nennen würde. Man mag ihn vielleicht als karg oder nicht besonders hübsch empfinden, doch er war seiner Zeit weit voraus. Im Vergleich zu den heutigen "Vans" ist es schon erstaunlich, wie man darin trotz geringster Außenabmessungen immerhin sechs Personen platzieren konnte. Ähnliches gilt übrigens auch für den Fiat 600 Multipla von 1958. Den LT 600 will Hilker zwar noch von ein paar Dellen befreien, im Wesentlichen aber so belassen und wieder auf die Straße bringen.
Aber nicht nur Borgward
Die Sammlung Hilker ist nicht auf Borgward beschränkt. Neben einem Opel Rekord P2 und zwei Kapitänen von 1954 und 1962 finden sich auch einige Volkswagen "Käfer" und Golf. Sein Golf GTI von 1984 dürfte vielleicht der älteste noch erhaltene der zweiten Generation sein. Zwischendurch entdeckt man immer wieder Exemplare des klassischen "Dreiers" von BMW, auch getunte. "Mit denen habe ich mal gehandelt.", merkt der Hausherr dazu an.
Fast exotisch wirken in diesem Ambiente ein NSU Ro 80 als Restaurierungsprojekt, ein VW-Porsche 914 und das formschöne Simca-1200-Coupé. Einst als Unfallwagen und in Teilen angeliefert, ist es hier neu entstanden. Auch Modelle von Mercedes-Benz fehlen nicht. Neben dem bereits erwähnten 170 S enthält die Sammlung weitere Autos der Marke, so einen "Ponton", eine "Strichacht"-Limousine und eine "Heckflosse".
In diesem Zusammenhang kann man auch auf ein recht ungewöhnliches Arrangement treffen: unter einem landwirtschaftlichen Gerät auf einer Hebebühne kann man einen "kurzen" Mercedes-Benz 600 erspähen, an dem noch einiges zu machen ist. Er trägt das bundesdeutsche Kennzeichen "E-RZ 4". Dies könnte bedeuten, dass er früher einmal zum Fuhrpark der Essener Krupp-Dynastie gehört hat. So fuhren der "letzte Krupp" und später sein Generalbevollmächtigter Autos mit der symbolträchtigen, einstelligen Nummer "E-RZ 1".
Noch nicht abgeschlossen
Zum Schluss darf der Besucher noch einen Blick in die Werkstatt der Privatsammlung werfen. Sie birgt noch einige Projekte, so zum Beispiel ein Volkswagen-Fahrgestell, welches auf die "Hochzeit" mit der bereits lackierten Karosserie eines Karmann-Ghia wartet. Und unter einer Plane versteckt sich ein fast fertiger, akkurat restaurierter und schwarz lackierter "Brezelkäfer".
Draußen, beim Abschied, fällt der Blick des Berichterstatters noch auf ein markantes Bahnsignal. "Da fehlen noch die Gleise und eine Lok.", meint Hilker optimistisch. Dass das wohl nicht so bleiben wird, ist ihm zuzutrauen. Und welche Autos sind als nächste fertig? "Der Lloyd LT 600, der Brezelkäfer und der Karmann-Ghia.", verspricht der sympathische Sammler. Darauf darf man darf sich freuen.

















































































































































































































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