Mit gleich zwei Ausstellungen, die mit italienischen Titeln garniert sind, wartet die Autoworld Brüssel in diesem Sommer auf. Die kleinere der beiden widmet sich dem 75-jährigen Jubiläum der Firma Abarth. "Velocità" (Geschwindigkeit) war sicher eine Leidenschaft von Carlo Abarth, dessen Namen man spontan mit motorsportlichen Erfolgen, leistungssteigernden Auspuffanlagen und nicht zuletzt mit kleinen, giftigen Sportwagen, die ihren größeren Konkurrenten um die Nase fuhren, assoziiert. Obwohl es auch mit anderen Autoherstellern Kooperationen gab, wird der Name Abarth doch meist mit Fiat in Verbindung gebracht.
Abarth 75(0)
Beginnen wir unseren Rundgang durch die kleine, aber hochkarätige Sonderausstellung zum Thema "75 Jahre Abarth", der Marke mit dem Skorpion. Die ausgestellten Autos werden durch dreisprachige Hinweistafeln (mit Texten auf Französisch, Niederländisch und Englisch), Vitrinen und einschlägige Dekorationen ergänzt. Direkt am Eingang wird der Besucher von einer Replik des Abarth OT 2000 "Periscopio" empfangen, der seinen Spitznamen dem charakteristischen Lufteinlass auf dem Dach verdankt. Das Auto ist eine Weiterentwicklung des seinerzeit äußerst erfolgreichen OT 1300. Die dazugehörige Dekoration mit einem Korb Äpfeln zitiert ein Foto von Carlo Abarth, welches im Hintergrund gezeigt wird.
Die Frühzeit der Firma Abarth – also die 1950er-Jahre – wird mit gleich vier Exponaten abgebildet. Da ist zunächst ein Exemplar des Fiat-Abarth 850 Sestrière, benannt nach dem Austragungsort einer Winterrallye. Die Karosserie mit ihrem unverwechselbaren Heck stammt von Zagato. Anders als die vorhergehenden 750er verzichtet der Sestrière aber auf die "Double Bubble" genannten Dachwölbungen und besitzt ein glattes Dach. Das in Brüssel gezeigte Auto ist einer der wenigen Abarth mit einer Rechtslenkung.
Ebenfalls ein glattes Dach besitzt der Fiat-Abarth 750 Record Monza von 1958. Er gehörte früher dem Rennteam des Sohnes des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Roosevelt, welches in den USA mit Fahrzeugen von Abarth sehr erfolgreich war. Aus demselben Jahr stammt auch der Fiat-Abarth 750 Spider Allemano, dessen Aluminiumkarosserie von Giovanni Michelotti gezeichnet wurde. Bereits aus dem Jahre 1956 und mit völlig anderem Styling ist dar Fiat-Abarth 750 GT von Viotti, mit dem Abarth einst seine Produktion von Fahrzeugen auf der Basis des Fiat 600 startete.
Von SS bis TC
Die Siebzigerjahre sind gleich mit fünf Autos präsent. Gezeigt wird der Nachbau des Autobianchi-A112-Abarth-Prototyps. Der "Kraftzwerg" Fiat-Abarth 595 SS ist ebenso vertreten wie ein Nachbau des stärkeren 695 SS. Ferner findet sich ein Fiat 124 Abarth Rally Gruppe 4 von 1973. Die schnörkellose Form des blauen Abarth 1300 Scorpione SS wirkt auch nach einem halben Jahrhundert auf den Betrachter noch "schnell". Ebenfalls in Blau ist der Fiat 131 Abarth von 1981 lackiert, der als Hommage an Walter Röhrl gezeigt wird, der 1980 auf einem Fiat 131 Abarth Rallye-Weltmeister wurde.
Das jüngste Ausstellungsstück ist ein Fiat Ritmo 130 TC Abarth aus dem Jahr 1986. Schließlich ist der Fiat 2300 S Coupé von 1968 zu erwähnen, der zwar ohne den Namenszusatz des Österreichers verkauft wurde, dessen Sechszylinder aber bei Abarth leistungsgesteigert worden ist, um sich stärker von den Limousinen abzuheben.
Die Sonderausstellung bildet überwiegend nur jenen Teil der 75-jährigen Markengeschichte ab, bevor Carlo Abarth sein Unternehmen und die Markenrechte an Fiat verkauft hat. Diese Prioritätensetzung der Ausstellung überzeugt aber, selbst man vielleicht gerne noch einen Fiat-Abarth 1000 TC gesehen hätte. Wer die Exponate genauer ansieht, wird entdecken, dass diese überwiegend aus dem belgischen "Abarth Works Museum" stammen, welches im Frühjahr 2025 neu eröffnet wird. Man darf also gespannt sein, welche Überraschungen dort noch auf den Besucher warten.
Von 3,5 auf Null
Kommen wir nun zur fast dreimal so großen Ausstellung "125 Jahre Fiat", die die Autoworld mit dem Prädikat "La dolce vita" versehen – oder besser: geschmückt – hat. Denn auf der oberen Ebene des Museums, der sogenannten "Herman De Croo Plaza", haben die Ausstellungsmacher in der Tat eine Atmosphäre geschaffen, die durchaus Reminiszenzen an italienischen Lebensstil weckt. Die im Detail liebevolle Dekoration enthält aussagekräftige und stimmungsvolle Fotos, Werbeschilder sowie zeitgenössische Plakate. Auch ein Zeitstrahl zur Firmengeschichte fehlt nicht.
Auf einem italienisch ausstaffierten "Marktplatz" als Kulisse kann man Filme über die Autos von Fiat ansehen, während im Hintergrund dezente italienische Musik läuft. Die ausgestellten Wagen sind über kopfsteingepflasterte Wege zu erreichen, die sich bei genauerem Hinsehen als Teppichboden herausstellen. Gezeigt werden Autos aus der Zeit von 1899 bis zur Jahrtausendwende; der Schwerpunkt liegt bei Fahrzeugen der Nachkriegsära.
Die Ausstellung startet mit dem Fiat 3,5 HP von 1899, einer Leihgabe des Nationalen Automuseums Turin. Von diesem Auto wurden seinerzeit bereits 30 Exemplare gefertigt. Sodann wird der Fiat Zero 12-15 HP von 1913 gezeigt, von dem immerhin 1300 Stück gebaut worden sind. Ein Jahr später entstand der Rennwagen Fiat S 57/14 B, der eine Spitzengeschwindigkeit von 145 km/h erreichen konnte. Nach dem Ersten Weltkrieg und nachdem Fiat 1922 die riesige Produktionsstätte Lingotto in Betrieb genommen hatte, wurde dort auch der Fiat 501 S hergestellt. Das ausgestellte Exemplar ist etwas jünger und "nur" 100 Jahre alt.
Bei dem benachbarten Fiat 508 B Balilla von 1933 handelt sich um eine Sondervariante für den belgischen Markt mit Drahtspeichenrädern. Dieses Exemplar befindet sich im unrestaurierten Originalzustand und ist erst letztes Jahr wieder in Betrieb genommen worden, nachdem es 40 Jahre lang stillgelegt war. Natürlich darf in dieser Ausstellung auch der erste Fiat 500, genannt "Topolino", nicht fehlen. Gezeigt wird hier ein Vorkriegsexemplar von 1936. Es wird ergänzt durch den kleinen Kombiwagen Fiat 500 Giardiniera von 1966, der – wie ein Spielzeug verpackt – eine Etage tiefer zu sehen ist. Ein "normaler", mit bunten Punkten geschmückter Fiat 500 hat den Besucher bereits auf dem Platz vor dem Museumseingang begrüßt.
Der kleine Luxus der Nachkriegszeit
Zweifellos beeindruckend ist das aerodynamisch gestylte Coupé Fiat 1100 S von 1948, von dem genau 401 Exemplare entstanden sind und das bei der Mille Miglia 1947 und 1948 erfolgreich eingesetzt wurde. Die Ausstellung zeigt sodann die erste Nachkriegskonstruktion der "Italienischen Automobilfabrik Turin", nämlich den Fiat 1400 B mit seiner charakteristischen Nebellampe in der Mitte des Kühlergrills. Mit diesem Auto direkt verwandt ist das luxuriöse Coupé 1900 B Granluce, ebenfalls von 1958. Die Karosserie dieses geschmackvollen Wagens orientiert sich etwas am zeitgenössischen amerikanischen Styling.
Weniger glamourös und eher für den alltäglichen Einsatz gedacht war das Volumenmodell Fiat 1100 TV. Zusehen ist in Brüssel ein schwarz lackierter Wagen von 1957. Das Glanzlicht der Ausstellung ist sicherlich der Fiat 8V mit Rapi-Karosserie aus dem Jahr 1954. Von diesem Coupé mit seinem namensgebenden V8-Motor entstanden aus Homologationsgründen 104 Exemplare, die auch erfolgreich im Rennsport eingesetzt wurden. Verschiedene Werkstätten haben den Wagen mit Karosserien versehen. Der in der Autoworld gezeigte "Otto Vù" ist von Luigi Rapi karossiert worden. In direkter Nähe dazu steht ein deutlich praktischerer Wagen: der heute seltene Kombi Fiat 2300 Familiare mit konsequenter Trapezform der Sechzigerjahre.
Die Nachkriegsmotorisierung wurde nicht nur in Italien entscheidend durch den Fiat 600 geprägt, von dem ein frühes Exemplar vor farbenprächtiger Kulisse gezeigt wird. Auch seinem Derivat Multipla von 1956, einem Vorläufer heutiger "Minivans", wird ein bemerkenswertes Ambiente zuteil. Er steht nämlich vor einem großen Bild der Fabrik in Lingotto. Es zeigt den berühmten, heute leider nicht mehr so existierenden Rundkurs auf dem Gebäudedach, auf der einst die fertigen Fahrzeuge zur Probe gefahren wurden – Blick auf die Berge inklusive. Heutzutage nicht mehr allzu oft anzutreffen ist der Mittelklassewagen Fiat 1500 mit seinem an den Chevrolet Corvair angelehnten Design.
Autos von Fiat waren stets auch beliebte Basis für Spezialkarosserien, von denen in Brüssel einige gezeigt werden. So um Beispiel der Strandwagen "Shellette" von Giovanni Michelotti, den man in ähnlicher Form auch als königlichen "DAF Kini " im niederländischen DAF-Museum sehen kann. Von Vignale werden gleich zwei Entwürfe ausgestellt: Ein 1300 Coupé von 1963 und das auf dem Fiat 124 basierende Coupé "Eveline" von 1969. Der serienmäßige Fiat 124 Sport Coupé von 1967 steht nur ein paar Meter davon entfernt.
Sport und Spider
Eine Nummer kleiner fällt der ein Jahr jüngere Fiat 850 Sport Coupé aus, wohingegen der große, bei Pininfarina gezeichnete Fiat 130 Coupé einst das obere Ende der Modellpalette markiert. Kommen wir zu den offenen Sportwagen, bei Fiat üblicherweise "Spider" genannt. Da gibt es einmal den hübschen 850 Spider Vignale von 1968, der im Zeitpunkt unseres Besuchs allerdings in der Brasserie geparkt war. Ferner zu sehen sind der Pininfarina Spider Europa, der Fiat 1500 Spider und nicht zuletzt der Fiat Dino Spider. In diese Reihe gehört auch der Bertone X 1/9 von 1983, dessen wuchtige "amerikanische" Stoßfänger allerdings etwas gewöhnungsbedürftig sind.
Schließlich erwarten den Besucher noch ein Fiat 128 Rally von 1971, ein Exemplar des zehn Jahre jüngerer Fiat 127 Sport und die Allradversion der erfolgreichen "tollen Kiste", ein rarer Fiat Panda 4 x 4 Trekking von 1999.
Jüngere Modelle von Fiat, wie etwa der (zweite) Multipla, werden zwar mit Bild erwähnt, sind aber nicht ausgestellt. Dies ist aber auch nicht zwingend notwendig, da die Besucher einen guten Überblick über die vielfältige Autoproduktion von Fiat bekommen und hinreichende Eindrücke gesammelt haben dürften – besonders, wenn man die Fahrzeuge der parallelen Abarth-Ausstellung mit hinzunimmt. Die Ausstellung ermöglicht somit einen guten Einblick in die lange Firmengeschichte von Fiat, "Dolce vita" inbegriffen.
Der Verfasser ist bei seinen Besuchen in Brüssel jedes Mal überrascht, was in der Autoworld sonst noch "en passant" zu entdecken ist. So werden etwa derzeit auch Repräsentationsfahrzeuge der belgischen Königsfamilie gezeigt. Weiterhin ist durch das Umräumen der Exponate mehr beiläufig eine kleine Schau der fast vergessenen belgischen Automarken (FN, Minerva), deren Historie mit der Firma Imperia endete, entstanden. Aber das ist wieder ein anderes Thema. Beide Ausstellungen laufen noch bis 1. September 2024.











































































































































































































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