Muss es eigentlich derartig unbequem und eng zugehen, wenn man sich um Millionen Euro erleichtern will, um einen Ferrari oder Maserati zu ersteigern, dürfte sich wohl der eine oder andere Teilnehmer der Auktion von Artcurial am 9. Februar 2018 an der Rétromobile in Paris gefragt haben. Besonders wer neben massiv gebauten Leuten zu sitzen kam, fühlte sich wohl wie die berühmte Sardine in der Blechdose. Da kriegte man kaum mehr den Arm zum Bieten hoch.
Doch das Treiben auf der Bühne entschädige für die (platzmässigen) Entbehrungen, einmal mehr hatte Maître Hervé Poulain sein Publikum im Griff. “Achetez avec plaisir, souriez!” (kaufen Sie freudig, lächeln Sie!), rief er, als wohl ein Bieter allzu grimmig reagierte, als er im Nachteil war.
Rückschlag
Natürlich war es für Artcurial eine gewaltige Enttäuschung, dass der bereits im letzten Jahr als Höhepunkt angekündigte Ferrari 275 P, der letzte Werks-Ferrari, der in Le Mans gewonnen hat, zurückgezogen werden musste, angeblich wegen Erbschaftsthemen. Aber die Leute um Poulain sorgten auch ohne diesen Wagen für ein attraktives Gesamtangebot, das an zwei Nachmittagen/Abenden unter den Hammer kam. Und sowieso waren für viele Rétromobile-Besucher die skurrilen und besonderen Autos aus der Sammlung Broual die eigentliche Sensation, die am zweiten Abend unter den Hammer kamen. Doch davon später.
Superklassiker und viele Franzosen am Freitag
Am ersten Abend gab es während rund 6,5 Stunden 128 Automobile (wenn man das NSU Kettenrad dazu zählt) zu ersteigern, die im Schnitt 55 Jahre alt waren und auf knapp über 400’000 Euro geschätzt wurden. Von diesen konnte Poulain 74 Prozent verkaufen. Im Schnitt wurden 83 Prozent des mittleren Schätzwerts geboten (vor Aufpreis/Kommission).
Mit einem Gesamtumsatz von etwa EUR 27 Millionen (CHF 31,8 Millionen) lag man deutlich unter den Erwartungen, auch weil viele teure Autos nicht verkauft werden konnten.
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Festival der Spezialkarosserien
Wer sich für Autos mit individuell aufgebauten Karosserien interessierte, war bei Artcurial in Paris sicherlich an der richtigen Adresse. Über 20 derartige Einzelstücke gab es zu ersteigern, darunter eine reichhaltige Sammlung von Vanvooren-Fahrzeugen aus der Sammlung von Martin Waltz, von denen der Delahaye 135 M mit aerdynamischer Coupé-Karosserie von 1950 besonders auffiel.
Das älteste dieser Autos, ein Panhard Levassor X14 20 CV Torpédo Vanvooren aus dem Jahr 1912 hüllte zunächst die ganze Bühne in dichten Rauch ein, konnte dann aber mit EUR 298’000 (CHF 342’700) sogar deutlich über dem Schätzwert veräussert werden. Die übrigen Vanvooren-Autos landeten bei Höchstgeboten am unteren Ende der Schätzwerte.
Deutlich besser aber schnitt der Delage D8 120 als Cabriolet von Chapron aus dem Jahr 1938 ab.
Statt der EUR 150’000 bis 250’000 war der Meistbietende bereit, EUR 536’400 (CHF 616’860) für den eleganten Wagen zu bezahlen. Das Publikum beklatschte den spannenden Bieterkampf zurecht.
18 Citroën
Nicht weniger als 18 Citroën-Fahrzeuge bot Artcurial an, fast die Hälfte davon war bei Chapron entstanden. Doch hier zeigten sich die Bieter heikel, bei einigen dierser Fahrzeuge gingen die Gebote nicht auf die erwartete Höhe.
Richtig günstig war ein Citroën Visa Chrono Gruppe B Rallyefahrzeug von 1983, das mit EUR 26’224 (CHF 30’158) sicherlich einen sehr günstigen Einstieg in den Gruppe-B-Rennsport erlaubte.
Aufmarsch der Superklassiker
Natürlich fehlen auch bei Artcurial weder ein Mercedes-Benz 300 SL von 1955 (Lot 44, verkauft für EUR 1,16 Millionen, CHF 1,33 Millionen), noch ein Aston Martin DB4 Series V SS von 1962 (Lot 51, EUR 480’000 Höchstgebot, nicht verkauft), ein Ferrari 365 GT4/BB von 1974 (Lot 54, verkauft für EUR 333’760, CHF 383’824), ein Jaguar E-Type Series 1 3,8 Liter Roadster von 1962 (Lot 60, verkauft für EUR 238’400, CHF 274’160) oder ein Ferrari F40 von 1990 (Lot 86, verkauft für EUR 935’600, CHF 1’075’940).
Generell war das Interesse für diese Superklassiker gross, die Preise auf stattlicher Höhe, ohne dass allerdings neue Rekorde zu vermelden gewesen wären.
Einen Rekord hätte vielleicht das Ferrari 250 GT Cabriolet Pinin Farina der ersten Serie von 1958 feiern können, schliesslich wurden EUR 7 bis 9 Millionen geschätzt vorgängig. Doch bei EUR 5,5 Millionen war Schluss, mehr wollte kein Interessent bieten. Unverkauft.
Weniger Interesse für Rennwagen
Schwieriger hatten es die Rennwagen. Der Porsche 962 C von 1985 (Höchstgebot EUR 950’000) fand genauso wenig einen neuen Besitzer wie der Maserati A6G/2000 Berlinetta Allemano/Zagato von 1955 (EUR 1,85 Millionen).
Andere Rennwagen wie der René Bonnet Aerodjet LM6 von 1963 mit Le Mans Geschichte oder der Deep Sanderson 301 von 1963 wurden zwar verkauft, erfüllten aber die Erwartungen nicht ganz.
Gleiches liess sich auch vom Maserati A6 GCS/53 Spyder Fiandri & Malagoli aus dem Jahr 1954 sagen, der für EUR 2,45 Millionen (CHF 2,81 Millionen) deutlich unter dem Estimate in neue Hände kam.
Und der Gordini Type 16 Formel 1 von 1952 wiederum wurde ebenfalls zurückgezogen, nachdem das Höchstgebot mit EUR 800'000 nicht die erwartete Höhe erreicht hatte.
Porsche-Raritäten
Porsche-Fans mit tiefen Taschen warteten auf die Lots 35 bis 38, denn hier kamen gleich vier gesuchte Klassiker hintereinander unter den Hammer. Den Anfang macht ein Porsche 904 GTS von 1964 mit umfangreicher Renngeschichte, darunter eine Teilnahme an der Tour de France, für den inklusive zwei Motoren und Getriebe EUR 1,4 bis 1,8 Millionen erwartet wurden.
Mit einem Höchstgebot von EUR 1,6 landete man genau in der Mitte, der Verkaufspreis inkl. Aufpeis/Kommission kam somit auf EUR 1,87 Millionen (CHF 2,15 Millionen) zu liegen.
Zwei 356 Carrera, nämlich ein 356 A 1600 GS Cabriolet von 1959 und ein 356 B Carrera 2 GT von 1963 wareb auf EUR 0,8 bis 1,2 Millionen EUR geschätzt, erreichten aber das Limit nicht.
Eine Dame ersteigerte schliesslich den gelben Porsche 911 Carrera RS von 1973, für den sie EUR 536’400 (CHF 616’860) bezahlen musste. Ein freudenstrahlendes Gesicht zeigte, dass sie mit ihrem Kauf sehr zufrieden war.
Berlinettes am laufenden Band
Gleich drei Alpine-Renault A110 wurden von Artcurial angeboten, ein 1600 S in Gruppe 4 Ausführung von 1970 (Lot 102, verkauft für EUR 174’000 oder CHF 200’100), ein 1600 SC von 1975 (Lot 129, verkauft für EUR 113’240 oder CHF 130’226) und ein 1600 SX von 1977 (Lot 123, verkauft für EUR 172’840 oder 198’766, was überraschend viel Geld und mehr als das Doppelte des Schätzwerts war).
Dafür interessierte sich dann niemand für den historisch sicher wertvollen Renault Alpine GTA Prototype Berex aus dem Jahr 1984, der wohl allzu gammlig aussah.
Natürlich auch Youngtimer
Kleiner als bei der Konkurrenz, aber trotzdem interessant war der Anteil der jungen Autos mit Jahrgängen ab 1989. Hier gab es unter anderem einen Renault Clio Williams von 1993 zu kaufen, notabene den ersten Clio Williams, der je gebaut wurde, welcher für EUR 41’720 oder CHF 47’978 verkauft wurde.
Richtig günstig kam ein Liebhaber zu einem Peugeot 205 T16 von 1985, EUR 154’960 oder CHF 178’204 reichten zum Erwerb dieses Gruppe-B-Evolutionsfahrzeugs.
Das jüngste Auto ist ein Alfa Romeo 8C Competizione von 2008, für den EUR 220’000 bis 260’000 verlangt und schliesslich EUR 238’400 oder CHF 274’160 bezahlt werden mussten.