Eigentlich ist es fast unmöglich, in einem übersichtlichen Artikel zu beschreiben, was man an einer einzigen Rétromobile in Paris alles sehen und entdecken kann. Vermutlich würde nicht einmal ein Buch dazu reichen. Und dies, obwohl die Messe flächenmässig deutlich kleiner ist als die grossen deutschen Messen. Die Dichte aber ist in Paris einzigartig.
Dabei begann die 43. Rétromobile, die vom 7. bis 11. Februar 2018 Oldtimer- und Youngtiimer-Enthusiasten aus der halben Welt empfing, mit einem wettermässigen Paukenschlag. Gemäss Ortsansässigen hat es nämlich die vergangenen Jahrzehnte kaum je so stark geschneit wie in der Rétromobile-Woche. Am Dienstag gab es kaum ein Durchkommen auf Paris’ Strassen, am Mittwoch dann floss der Verkehr wegen deutlich zurückgegangenen Fahrzeugmengen so gut wie selten. Nur in den Hallen merkte man kaum etwas von den winterlichen Verhältnisse draussen, schliesslich richteten sich die meisten Aussteller schon auf den nächsten Frühling/Sommer aus.
Zehn Ferrari 250 GT SWB auf einem Stand
166 Ferrari 250 GT SWB wurden zwischen 1960 und 1963 gebaut, das SWB steht dabei für einen kurzen Radstand von 2,5 Metern, mit 250 wird das Volumen eines der zwölf Zylinder beschrieben, was insgesamt drei Liter Hubraum oder genauer 2953 ccm3 ergab. Je nach Ausführung liessen sich dem Motor rund 230 bis 295 PS entlocken. Es gab verschiedene Ausführungen, nämlich die Lusso-, Competizione- und “Hot Rod”-Versionen.
Auf dem Stand von Lukas Hüni parkten eindrückliche zehn SWB Coupés, darunter auch das ganz besondere “Shark Nose” Einzelstück von Bertone.
Das hätte eigentlich schon genügt, um die Besucher in Scharen an den Stand zu führen, doch es gab noch weit mehr zu sehen, etwa je einen Bugatti Type 54 Grand Prix von 1933, einen Bugatti Type 59 Grand Prix von 1934, einen Alfa Romeo 8C 2300 Monza von 1933, sowie zwei Maserati und weitere Raritäten.
Legenden am Laufmeter
Aber nicht nur Hüni, sondern auch die anderen Händler - insgesamt waren 650 Aussteller vor Ort - legten sich ins Zeug, um den 105'000 Rétromobile-Besuchern Vielfalt und Besonderes zu präsentieren.
Bei Zweimüller etwa stiess man auf eine Alfa Romeo Alfetta und einen Porsche Carrera 6.
Bei Fisken reichte das Spektrum vom Mercer bis zum Brabham BT 49.
Bei Christoph Grohe gab es einen Graber Alvis zu sehen.
Ruote da Sogno stellte unter anderem einen ganz besonderen Alfa Romeo 6C 1750 auf den Stand.
Und so ging es weiter, Stand um Stand waren Raritäten zu bewundern, die man sicherlich nicht alle Tage sieht. Da wirkte ein Lamborghini Miura schon fast wie ein Volkswagen.
Raritäten bei Renault
Auch die Hersteller, insbesondere die französischen, legten sich mächtig ins Zeug. Renault konnte den 120. Geburtstag der Marke feiern und zeigte sowohl den ersten gebauten Wagen als auch wichtige Zeitzeugen der letzten 12 Jahrzehnte auf dem Stand.
Renault wurde aber auch noch anderswo mächtig gefeiert, so dass insbesondere die frühen Renault-Fahrzeuge in grosser Breite zu bewundern waren.
Alpine im Schein der 24 Stunden von Le Mans
Vor 40 Jahren siegte Alpine-Renault bei den 24 Stunden von Le Mans. Angetreten mit vier Fahrzeugen schafften es zwei in die besten Fünf.
Alle vier Wagen konnten auf einem gemeinsamen Stand bewundert werden, ein einmaliges Erlebnis.
Ein Talbot auf dem Peugeot-Stand
Dass man sich seiner Wurzeln bewusst ist, zeigte Peugeot mit einem Talbot Coupé America auf dem Stand.
Aber natürlich wurden auch “richtige” Peugeot gezeigt, unter anderem frühe Sportfahrzeuge, der Peugeot 205 GTI und natürlich der Peugeot 504, der 2018 seinen 50. Geburtstag feiert.
Präsidentenlimousinen bei Citroën
Bei der Marke mit dem beiden Zahnrädern im Markenzeichen wurden viele der über die Jahre gebaute Präsidenten-Limousinen gezeigt, aber auch frühe Exemplare der Traction-Avant-Baureihe.
Zudem wurde natürlich des 70. Geburtstags der Ente und des 50. Geburtstags des Freizeitmobils Méhari gedacht.
Noch mehr Jubiläen
Bei Porsche zelebrierte man das 70-jährige Firmenjubiläum und stellte je einen 356, einen 911 S-T und einen 959 ins Zentrum.
Auch Honda wird 70 Jahre alt, dies wurde mit einigen Meilensteinen aus der etwa über 50-jährigen Autoproduktion dokumentiert.
Die Fiat-Chrysler-Gruppe präsentierte ungewöhnliche Wagen aus der langen Ahnenreihe, darunter ein Abarth 2400 Coupé, ein Fiat Dino 2400 Coupé und einen Lancia Appia.
Besondere Youngtimer
Auch die Rétromobile hat seit langem das wachsende Interesse für Youngtimer erkannt. Jedes Jahr werden mit der Zeitschrift “Youngtimer” attraktive Sonderschauen gezeigt.
Im Jahr 2018 beschäftige man sich mit französischen Kultautos im Youngtimer-Alter und bestückte den Stand unter anderem mit einem Citroën CX Préstige, einem Matra-Simca Bagheera Courrèges, einem Peugeot 406 Coupé, einem Renault Supercinq Baccara, einem Renault Avantime und einem MVS Venturi, sowie einem Motorrad mit Citroën-GSA-Motor.
Weltrekordfahrzeuge der letzten 90 Jahre
Eine weitere Sonderschau war den Rekordfahrzeugen gewidmet, die auf dem Rundkurses von Linas-Montlhéry ihre Erfolge einfuhren.
Hier gab es abenteuerliche, aber sicherlich schnelle Fahrzeuge verschiedener Hersteller zu bewundern.
Was hat ein Dachs mit Amilcar zu tun?
Jedes Jahr lassen sich die Clubs erneut interessante Themen einfallen, um auf ihre Marke aufmerksam zu machen.
So erinnerten etwa die Delahaye-Freunde an die Le-Mans-Erfolge ihrer Marke, die Deutsch-Bonnet-Enthusiasten zeigten einen Rallye-D.B., beim Autobiachi-Club gab es einen A111 zu sehen und bei Amlicar schien ein Dachs die Lampe hochzukraxeln und lenkte die Augen fast ein wenig vom schönen Grand Sport Spécial ab.
Alleine schon die Clubstände sind jedes Jahr einen Besuch der Pariser Messe wert.
Die Abarth-Sonderschau
Engelbert Möll ist vermutlich einer der grössten, wenn nicht der grösste Abarth-Sammler weltweit. Bereits als junger Rennfahrer war er der Marke Carlo Abarths zugetan und seine Treue endete auch mit seinem tragischen Unfall im Jahr 1963 auf der Solitude nicht. In über 50 Jahren trug er die wichtigsten und interessantesten Sport- und Rennwagen aus der italienischen Autoschmiede zusammen.
Gegen zwei Dutzend dieser Fahrzeuge brachte Möll mit nach Paris, um sie in einer Sonderschau namens “La Saga Abarth” dem internationalen Messepublikum zu präsentieren. Alles Fahrzeuge Mölls zeigten sich in Bestzustand und sie waren auch gut und gleichzeitig nicht störend beschriftet.
Nur hören durfte man die schönen Sportwagen leider nicht und auch die gezeigten Motoren mussten alleine durch ihre schöne Optik überzeugen.
Die Sport- und Rennwagen von McLaren
War Carlo Abarth vor allem bei den kleinen Sport- und Rennwagenklassen erfolgreich, so zog es Bruce McLaren schon früh an die motorsportliche Topliga, sprich die Formel 1.
Aber auch bei Sportwagen-Wettbewerben, u.a. der CanAm-Serie setzte McLaren Fahrzeuge ein. Eine kleine Auswahlschau konnte auf dem Stand von Richard Mille besichtigt werden und auch der Weltmeister-Formel-1-Monoposto M23, den einst Emerson Fittipaldi fuhr, fehlte nicht.
Die Automobile des Jean-Pierre Wimille
Als einer der berühmtesten französischen Rennfahrer siegte Jean-Pierre Wimille nicht nur bei Grand Prix, sondern auch bei den 24 Stunden von Le Mans. Er fuhr für Bugatti, Alfa Romeo und Gordini und er hatte auch die Vision, einen besseren Personenwagen zu bauen als die Autos, die es Ende der Vierzigerjahre zu kaufen gab.
Unter seinem Namen entwickelte und baute er knapp zehn aerodynamische Fahrzeuge, die zunächst mit Citroën-Vierzylinder-, später mit Ford-V8-Motoren ausgerüstet wurden. Die Autos hatten durchaus Potential, doch sein Rennfahrertod im Training zum Grand Prix von Argentinien im Jahr 1949 versetzten der Initiative im Prinzip den Todesstoss.
Dem Fahrer Wiimille und seinen Fahrzeugen wurde eine interessante Sonderschau gewidmet, in der es neben seinen Eigenkonstruktionen u.a. den Bugatti 59-50B von 1939, aber auch den Alfa Romeo 308 von 1938 zu sehen gab, mit denen er erfolgreich gewesen war.
Ein ganz besonderer Vogel
In den Nachkriegsjahren trachtete jener Roger Baillon, dessen Autosammlung vor zwei Jahren an der Rétromobile in Paris teuer versteigert wurde, danach, selber zum Autobauer zu werden. Nachdem er einen Talbot-Lago T120 selber karossiert hatte, zeichnete Baillon ein hübsches Cabriolet auf der Basis des Simca 8 Sport und liess es in seinen eigenen Werkstätten bauen. Der Wagen wurde 1947 auf dem Pariser Autosalon gezeigt, doch er blieb ein Einzelstück.
Über die Jahre vergammelte der Wagen, doch wurde er nun komplett restauriert und als “Oiseau Bleu” erstmals wieder gezeigt. Ein wirklich ganz besonderer Vogel!
Fünf Versteigerungen - ein Marathon
Rund um die Rétromobile fanden wie üblich grosse Auktionen statt und wer jede von Anfang bis Schluss verfolgte, verbrachte mehr als 30 Stunden, um etwa 600 Hammerschläge zu verfolgen.
RM/Sotheby’s verkaufte bereits am Mittwoch am Place Vaubon, Bonhams am Donnerstag im Grand Palais und Artcurial lud am Freitag bis Sonntag zu drei gut besuchten Versteigerungen ein.
Weniger Verkaufsschau als Begegnungszone
Was macht nun eigentlich den besonderen Reiz der Rétromobile aus? Aus Besuchersicht ist sie deutlich musealer und vielfältiger als die meisten anderen Messen. Natürlich wollen auch einige Fahrzeuge, Ersatzteile und Automobilia verkauft werden, aber meist scheint der Verkauf von zweiter Priorität zu sein.
Primär wollen die Aussteller gute Gespräche mit potentiellen Kunden führen. Dies gilt insbesondere für die grossen Händler, aber natürlich noch viel mehr für die Veranstalter, Museen und Dienstleister. “Prenez un café”, hört man daher häufig und schon ist man für 20 oder 30 Minuten in einem intensiven Gespräch mit einem Aussteller. Und es herrscht eigentlich auf grosser Breite gute Laune, und dies macht die Messe trotz grossem Gedränge noch erträglicher.
Eine unterhaltsame Bildergeschichte erlaubt es, die Rétromobile noch ein wenig anders als die "normalen" Besucher zu erleben.