140’000 Quadratmeter, über 90’000 Besucher, gegen 4000 Autos, das sind Zahlen, die echte Grösse implizieren. Tatsächlich muss sich die Retro Classics Stuttgart vor keiner anderen Oldtimermesse verstecken. Sie hat ihren Weg gemacht, seit sie vor 18 Jahren ihren Grundstein legte.
Die 19. Ausgabe empfing die Liebhaber und Sammler klassischer Fahrzeuge vom 7. bis zum 10. März 2019 in neun Messehallen plus Aussengelände und Eingangsbereichen bei teilweise stürmischen Wetterbedingungen.
Verzicht auf zentrale Sonderschau
Im Gegensatz zu vergangenen Jahren verzichteten die Organisatoren auf eine zentrale Sonderschau, vielleicht auch, um die Vorfreude auf das Jahr 2020 noch zu vergrössern. Dann nämlich sollen an der 20. Retro Classics in Stuttgart Gulf-Rennfahrzeuge aus fünf Jahrzehnten gezeigt werden. Noch ist die Auswahl und Menge nicht endgültig definiert, aber man darf sich auf Porsche 917, Ford GT40 und Mirage M1 freuen, die der Sammler Roald Goethe an die Neckar bringen wird.
Die BMW-Schau
Die Herrmanns kickten den Sonderschau-Ball geschickt an einzelne Aussteller weiter und diese setzten einiges in Bewegung, um ihre Marke attraktiv zu präsentieren.
Besonders eindrücklich taten dies die BMW-Classic-Vertreter des Südens. In der nun “BMW-Halle” genannten Halle 4 zeigten sie Rennfahrzeuge aus sieben Jahrzehnten, angefangen beim BMW 328-Varianten bis zum Williams mit BMW-Motor aus dem Jahr 2000.
Natürlich fehlte da der V12 LMR nicht, mit dem BMW 1999 bei den 24 Stunden von Le Mans siegen konnte. Aber auch Formel-1 und -2-Monoposti wurden gezeigt.
Der erste Porsche 917
Trotzdem stahl Porsche den Bayern fast ein wenig die Show. Auf den letzten Drücker fertig wurde nämlich die Restaurierung des ersten gebauten Porsche 917.
Genau jener Wagen mit Chassis Nummer 001 wurde am 10. März 1969 am Genfer Autosalon, wo übrigens 2019 ein Gulf-Porsche 917 das Publikum beeindruckte, präsentiert.
Porsche beliess es aber nicht beim einen 917, nein man stellte anlässlich des 50. Geburtstags dieses Wagens gleich noch ein zweites Exemplar aus dem Jahr 1972 daneben, nämlich ein 917/10 CanAM-Auto ohne Karosserie.
Und wäre das noch nicht genug gewesen, brachte man auch noch den berühmten 910/8 Bergspyder, der 1967 und 1968 die Berg-Europameisterschaft gewann.
Der Wagen war ein Musterbeispiel an Leichtbau. Durch Einsatz exostischer Materialien konnte das Gewicht auf gerade einmal 440 kg gesenkt werden.
Im Gegensatz zu anderen Museumsfahrzeugen von Porsche wurde dieser Wagen nicht wieder fahrbar gemacht, sondern nach allen Regeln der Kunst konserviert, um ja keine Originalsubstanz zu verlieren.
Es geht ums Geschäft
Mehr als andere Messen stellt die Retro Classics das Geschäft, sprich den Verkauf ins Zentrum. Anstelle von Marketing-Auftritten setzen die meisten Aussteller auf eine Autoauswahl, die die Besucher auch kaufen können. Entsprechend fand man in Stuttgart denn auch keine Aufreihung von Lancia Stratos oder Lamborghini Miura, sondern Horden von Sternen und Zuffenhausener Boxermotoren-Autos, die neue Besitzer suchten.
Von den gegen 4000 Autos, die in den Hallen und draussen aufgestellt waren, stammten etwa deren 1700 aus dem privaten und gewerblichen Verkauf. Reine Ausstellungsstücke waren in der Minderzahl.
Vom Arna bis zum VW Käfer fand der Interessierte eine wahrlich riesige Auswahl, wenn ihn denn seine Füsse weit genug trugen, um das ganze Angebot zu umfassen.
Natürlich liessen sich auch herrlich Preisvergleiche anstellen und auch dem Verhandeln half es natürlich, wenn man einige hundert Meter weiter nochmals dasselbe Fahrzeug entdecken konnte. Manchmal allerdings standen zwei Exemplare gleich nebeneinander.
Trouvaillen
Under den vielen Klassikern, die man meist gut kennt, fanden sich auch solche, bei denen man zweimal nachlesen oder nachfragen musste, um zu verstehen, was man da genau vor sich hat.
So dürfte etwa der SMZ von 1960 für die meisten Oldtimerfreunde genauso unbekannt gewesen sein wie der Rovin D4 Kleinwagen.
Auch ehemalige Brot- und Butter-Autos wie der Opel Olympia oder der Lloyd Alexander liessen sich im riesigen Angebot finden, genauso wie natürlich der Käfer und der Bus von Volkswagen.
Clubs sichern Diversifizität
Droht beim Privat- und Händlerverkauf eine gewisse Monotonie, durch viele ähnliche Fahrzeuge, so springen an Messen die Clubs in die Bresche, die alle jene Autos zeigen, die im Verkaufsmarkt kaum eine Rolle spielen.
So war es auch wieder in Stuttgart, wo man herrliche Installationen und Inszenierungen historischer Automobile anschauen durfte.
Und es gab echte Raritäten zu bewundern, die man nicht jeden Tag findet, etwa ein Rover 114 Cabriolet, ein Wohnmobil auf Mini-Basis oder einen Opel Manta B CC GT/E als Notarztwagen.
Vergessene Jubilare?
Natürlich fehlten auf diversen Ständen auch die Jubilare nicht, auch diejenigen, die nicht täglich in der Presse zu finden sind.
So wurde etwa daran erinnert, dass 40 Jahre seit der Präsentation des VW Passat GLI, der nur gerade zwei Jahren lang gebaut wurde, vergangen sind.
Der MG TD hat inzwischen sogar bereits 70 Jahre auf dem Buckel, er war damals ein sehr beliebter britischer Roadster und seine Fans halten ihm bis heute die Treue.
Der Triumph TR6 wird dieses Jahr genauso 50 Jahre alt wie der Ford Capri, der VW-Porsche 914 und der bereits erwähnte Porsche 917.
Und Lotus wird übrigens 2019 70 Jahre alt und gilt noch immer als ungeschliffener Diamant.
Immer jünger?
Seit einiger Zeit trifft man an den Retro-Classics-Messen auch auf junge Autos, sie werden hier Neo Classics genannt und gemeint sind damit Fahrzeuge, die jünger als 20 Jahre sind und das Zeug zum Klassiker der Zukunft oder auch zum Sofort-Klassiker haben.
Gute Beispiele sind der BMW Z8, den es in Stuttgart natürlich genauso zu bewundern gab, genauso wie rare Auflagen von Porsche-Sportwagen, die gerne auf GT2 oder GT3 hören. Und selbstverständlich gehören auch die heissblütigen Sportwagen aus Maranello, Modena und Sant’Agata zu dieser Gattung.
Neoklassikern war thematisch zwar die Halle 5 zugeordnet, doch gab es auch bei vielen Händlern junge Klassiker der verschiedensten Hersteller zu sehen, etwa den Alfa Romeo 8C Competizione oder moderne amerikanische Muscle Cars.
Die Reaktion des Publikums ist gemischt, die einen finden’s gut, die anderen stört’s (ein wenig). Aber bei rund 4000 Autos findet trotzdem jeder interessante Fahrzeuge, selbst wenn ihn einige gar nicht ansprechen.
Dreiräder und andere Vehikel
Stuttgart demonstrierte aber nicht nur Fahrzeuge auf vier Rädern, auch die Zweiräder und Dreiräder hatten ihren Auftritt. Der AMSC etwas stellte eine Sonderschau mit Gespannen für Sport und Strasse in der Halle 8 zusammmen, in der Halle 4 gab’s eine BMW-Motorrad-Schau zu geniessen.
Und natürlich fehlten auch die Motorräder der italienischen Marke MV Agusta nicht.
Zudem gab es auch einiges an Bussen und Nutzfahrzeugen der unterschiedlichsten Ausgestaltungen zu sehen.
Was sonst noch auffiel
Der Platz reicht hier natürlich nicht aus, alles aufzulisten, was sehenswert war in Stuttgart. Zwei Ausnahmen wollen wir aber noch machen.
Auf dem Lotus-Händler-Stand im Eingangsbereich Ost stand ein Europa Gruppe 4, den Harald Ertl 1979 auf Basis eines Sportwagens aufgebaut hatte. 400 PS und ein kurzer Radstand machten das Auto sehr lebendig, wie uns Mario Ketterer, der den Wagen damals einige Male fuhr, erzählte.
Und auf dem Mazda-Musuems-Stand gab es einen Porter Cab von 1969 zu entdecken, ein sogenanntes Kei-Car, das in Japan damals steuerliche Privilegien genoss, hierzulande aber praktisch nicht existent war.
Besuchsstarkes Wochenende
Während das Besucheraufkommen am Donnerstag und auch am Freitag noch nicht überbordete, strömten am Wochenende wahre Heerscharen von Enthusiasten und Interessierte durch die Hallen.
Am Samstag wurden gemäss Andreas Herrmann alle Rekorde gebrochen und auch der Sonntag lief richtig gut, was möglicherweise mit dem Ende des Urlaubs in Baden-Württemberg zu tun hatte.
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glg Lenny!