Die Oldtimermesse in Berlin gehört seit Jahren zu den sympathischsten Veranstaltungen dieser Art. Sie findet in eleganten Hallen im Zentrum Berlins statt und die Organisatoren sorgen seit Beginn für nostalgische Farbtupfer.
Normalerweise fand die Messe früh im Herbst statt, doch für 2019 wurde das Datum nach hinten geschoben und die Oldtimerveranstaltung mit der Bootsmesse “Boot & Fun” kombiniert.
Erstmals Autos und Boote
So gab es für die über 50'000 Besucher zwischen dem 20. und 24. November 2019 je nach Zählweise ein gutes Dutzend Hallen zu durchwandern, allerdings war mehr als die Hälfte der Nautik gewidmet ...
... und nur gerade deren vier fokussierten auf alte Automobile. Dazu kam noch die einstige Premiumhalle “18” links vom Eingang Nord, die 2020 für den privaten Fahrzeugmarkt zugeordnet war.
Ein interessanter “Hybrid” war die Halle “23”, die direkt an die erste Oldtimerhalle angrenzte, aber mit alten Holzbooten besetzt war, die sicherlich ihren ganz eigenen Charme verströmten, zumal sich zwischen den Schiffen auch einige alte Autos tummelten, so dass man fliessend von einer Welt in die andere wechseln konnte.
Ganz nach der Motorworld-Philosophie
Überhaupt passt die Kombination unterschiedlicher Ausstellungsthemen durchaus zur Motorworld-Philosophie, die bekanntlich durchaus auch mehr oder weniger artverwandte Produktbereiche zu integrieren versteht. Boote machen da sehr viel Sinn, genauso wie Kleider, Kulinarik oder sogar Neuwagen.
Das muss für den idealerweise breit interessierten Messebesucher kein Nachteil sein, im Gegenteil. Zu sehen gab es in Berlin jedenfalls eine ganze Menge, selbst wenn man sich “nur” für Autos interessierte.
Eine übersichtliche Sonderschau
Interessant, aber nicht gerade umfassend, war die Sonderschau, die sich mit Autos und Motorrädern befasste, die einst in Berlin entstanden. Zu sehen waren unter anderem ein Ego 4/14 Sport aus dem Jahr 1922.
Diese Wagen entstanden nach dem Ersten Weltkrieg bei der Mercur Flugzeugbau GmbH. Bei Avus-Kleinwagenrennen siegte Rudolf Caracciola damit im Jahr 1923. 1927 musste die Marke Ego dann aufgeben.
Auch der BOB Sport mit Jahrgang 1920 nahm beim Kleinwagenrennen auf der Avis teil und war siegreich. Ein langfristiger Erfolg ergab sich auch hier nicht, der gezeigte Wagen soll der letzte Überlebende sein.
Grösser und stärker war der NAG C4B von 1923. Sein Vierzylindermotor hatte 2553 cm3 Hubraum und leistete 40 PS. Damit waren 100 km/h möglich, eine eindrückliche Geschwindigkeit in dieser Zeit. Aber auch die Neue Automobil-Gesellschaft überlebte die Zwischenkriegsjahre nicht, 1930 musste sie wegen wirtschaftlichem Misserfolg geschlossen werden.
Den “besten deutschen Gebrauchswagen” wollte die AGA Fahrzeugwerke GmbH in den Zwanzigerjahren bauen. Der AGA Typ A 16/20 PS von 1921 bot vier Personen Platz und nahm spielend leicht auch die grössten Steigungen, zumindest in der Werbung. Auch AGA hat nicht überlebt, genauso wenig wir die Hersteller der ausgestellten Motorräder.
Viele kleine Jubiläen
Die Clubs, die in Berlin ausstellten wussten viele Jubiläen zu identifizieren, an die man nicht auf Anhieb denkt. Gerade die Franzosen waren hier besonders gut vertreten, schliesslich feiert das Peugeot 504 Cabriolet den 50. Geburtstag, der Peugeot 504 den 40. und der Renault Floride sogar den 60. Geburtstag.
Aber auch bei den Mercedes-Benz-Clubs konnten Jubiläen kommuniziert werden, so jährt sich die Präsentation des W126 immerhin bereits zum 40. Mal und bekanntlich wurde auch die G-Klasse 40 Jahre alt.
Der Golf für die DDR
Kein Jubiläum, aber eine ganz besondere Geschichte rankt sich um die 10’000 VW Golf, die 1978 in die DDR geliefert wurden. Sie wurden in den Farben Manilagrün, Miamiblau, Malagarot, Dakotabeige und Panamabraun ausgeliefert. Mit dem Ausliefern der Autos war es nicht getan, es musste auch ein Kundendienst mit 16 Werkstätten und ein Ersatzteilhandel aufgebaut werden.
Auf einen GTI mussten die Ostdeutschen verzichten, es bestand die Wahl zwischen 50 oder 70 PS, Benzin oder Diesel, sowie drei oder fünf Türen. DM 22’000 bis 26’000 Ost-Mark kostete der Golf nach einer substantiellen Preissenkung schliesslich in der DDR. Und einer zumindest hat überlebt und wurde in Berlin gezeigt.
Vielseitiges Handelsangebot
Natürlich gab’s in Berlin auch Autos zu kaufen. Zwar fehlten die grossen und überregional bekannten Händler, in die Lücke waren aber andere Anbieter gestossen, die auch unübliche Fahrzeuge zu bieten hatten.
Passend zur Nähe zum ehemaligen Ostdeutschland gab’s etwa einen Barkas B 1000 aus dem Jahr 1976 für EUR 9500 zu kaufen. Für Uneingeweihte: Beim B 1000 handelt es sich um Kleintransporter mit Zweitaktmotor, welcher in der Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, in Sachsen von 1961 bis 1990 gebaut wurde.
Wer einen Filmstar erstehen wollte, der hatte sogar die Auswahl zwischen einem Ford Model A oder einem Mercedes-Benz 170 V.
Auch exotische Raritäten waren im Angebot, etwa ein Horch P 240 Sachsenring als viertüriges Cabriolet oder eine Ferrari-Daytona-Spider-Replica auf Corvette-C3-Basis.
Und natürlich fehlte auch eine breite Auswahl an Porsche 911 oder Mercedes-Benz 190 SL nicht.
Viele der besonderen Autos allerdings kamen über Clubs oder die Motorworld selber auf die Messe und standen nicht zum Verkauf. Aber man muss ja nicht immer alles kaufen, anschauen macht auch Freude.
Wie geht es weiter?
Mit dem sichtbaren Ausstellerschwund und dem zunehmend eisigen Wind, welcher die Branche generell erschaudern lässt, fragte sich mancher Messebesucher, wie es wohl mit der sympathischen Berliner Oldtimermesse weitergehen wird. Als deutsche Metropole hat Berlin sicherlich eine eigene Messe verdient, aber da müssen auch die Aussteller mitziehen. Denn so kompakt, wie sich die Motorworld Classics Berlin 2019 gab, dürfte es die Messe in Zukunft nicht leicht haben, genug kaufkräftige Oldtimer-Enthusiasten anzuziehen, damit sich der Aufwand auch für die Aussteller rechnet.
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