Man nehme ein 333 Meter langes Beton-Oval mit 44 Grad überhöhten Kurven, fülle es statt mit acht Velofahrern mit 62 historischen Rennwagen und -Motorrädern und lasse die Fahrer ordentlich Gas geben. Tönt nach einer absolut durchgeknallten Idee? Gewiss. Genau das macht es ja so grandios!
Reifenabrieb am falschen Ende
Das Indianapolis Oerlikon auf der offenen Rennbahn im gleichnamigen Züricher Stadtteil (Oerlikon, nicht Indianapolis) ist wohl einer der intensivsten historischen Motorsport-Anlässe der Schweiz – auf der Fläche eines mittelgrossen Supermarktes. Nur ein halber Meter Werbetafeln trennt die Zuschauer von den Reifen der Teilnehmerfahrzeuge, die unter Getöse vorbeijagen. Man hat Vertrauen in die Fahrzeugbehrrschung der Piloten. Und weil sich in der Betonschüssel der Schall so schön sammelt, ist das akustische Erlebnis fast noch eindrucksvoller als das optische.
Offiziell drehen die Piloten hier nur Demonstrationsrunden. Doch wirklich langsam fährt natürlich keiner – schon aus Selbstschutz, um nicht nach unten aus der Steilkurve zu fallen und wertvolles Blech zu beschädigen. Denn beim Indianapolis Oerlikon drehen keine aufgemotzten Opel Kadett C und BMW E30 ihre Runden. Hier versammeln sich motorsportliche Hochkaräter in einem Gesamtwert, der auch zum Bau eine Superspeedways vor den Toren der Stadt reichen würde.
Doch wer will sich schon auf einer perfekt glatten, nur läppische 30 Grad geneigten Asphaltoberfläche rumlangweilen? Lieber drücken sich die Fahrer mit dem Dreieinhalbfachen ihres Gewichtes in den Sitz und ihr Auto in die Federn. Schmalspurfahrwerke sind hier eindeutig im Vorteil. Der rechte Hinterreifen von Benno Allemanns AC Cobra schubberte jedenfalls in jeder Kurve fröhlich am Radlauf. Am besten, man lässt den unnötigen Ballast namens Kotflügel gleich ganz weg. Vorkriegs-Sportwagen vom Schlage eines Alfa Romeo Tipo B oder Bugatti 37 A hatten jedenfalls keine Probleme mit zu geringem Federweg.
Vollgas mit Niveau
Acht Felder zu je sieben Fahrzeugen sowie ein Sechserpack wurden im Laufe des Abends drei Mal durch das Oval geschickt. Fünf von ihnen enthielten Automobile von 1926 bis 1990, die übrigen vier zwischen 96 und 22 Jahre alte Motorräder. Dazu kamen noch ein Steherrennen sowie vier Velorennen, die noch intensivere Zweikämpfe boten, da hier wirklich um den Sieg gefochten wurde.
Bei den Autos liess es vor allem Luciano Arnold mit seinem Brabham BT 36 im Feld der einsitzigen Rennwagen richtig krachen, der teils schon nach zwei Umläufen zum Überrunden ansetzte. Freilich: alles in einem freundschaftlichen Rahmen. Wer zu aggressiv oder gar gefährlich fährt, sieht recht schnell die schwarze Flagge und hat seine Chance auf eine erneute Einladung wohl verspielt. Aber unter Volllast tönen Ottomotoren nun einmal am besten, selbst wenn man nie über den zweiten Gang hinauskommt.
Das bewies auch das Feld der Vorkriegs-Rennwagen, die ihre Abgase durch armdicke Rohre ohne erkennbare Schalldämpfung nach achtern schossen. Manchmal kam dabei sogar noch ein bisschen Kraftstoff mit. Als sich die Sonne endgültig hinter den Horizont verzogen hatte und die Flutlichtmasten ihr kaltes Licht verbreiteten, sah man den Alfa Romeo P3 vor jeder Kurve geräuschvoll Feuer aus dem Auspuff spucken.
Last-Wagen
Knapp 100 km/h dürften die Wagen nach grober Schätzung erreicht haben, überboten sie die 70 km/h schnellen Steher in den Kurven doch merklich. Die Motorräder waren bauartbedingt im Vorteil und noch einmal deutlich schneller. So schnell zum Teil, dass es das Benzin in der Steilwand das Benzin nicht aus der Schwimmerkammer heraus schaffte und die Motoren zu stottern begannen.
Der sporadische Fliehkrafthusten der Rennmaschinen verdeutlichte wohl am besten, welchen Belastungen die Fahrzeuge in den beiden Kurven mit nur 30 Metern Verschnaufgeraden dazwischen ausgesetzt waren. Das hielt Louis Frey aber nicht davon ab, wiederholt einen von nur zwei noch existierenden Ferrari 340 America durchs Oval zu pilotieren. Die schwarze Barchetta Baujahr 1950 überstand die Tortur klaglos, wie auch die meisten anderen Geräte. Nur zwei Ausfälle – je ein Auto und ein Motorrad – waren zu beklagen. Manche Oldtimer-Bummelfahrt im Grünen schafft da mehr.
Um 21:10 Uhr war der Zauber dann vorüber. Nach über drei Stunden muss auch der schönste Abend einmal enden. Mit Fahrbahndreck, Reifenabrieb und Russpartikeln im Gesicht gab's eine letzte Grillwurst, dann wurde der Heimweg angetreten – beinahe taub, aber glücklich.
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