Das Strassenrennen Carrera Panamericana «Mexico» (so wurde es ursprünglich offiziell genannt), auch als Carrera Mexicana bekannt, wurde in seiner ursprünglichen Form fünfmal von 1950 bis 1954 ausgetragen. Man kann es durchaus mit der Mille Miglia oder Targa Florio in Italien vergleichen, nur war es noch einen Zacken anstrengender und vor allem auch gefährlicher. Es zählte ebenfalls zur damaligen Sportwagen-Weltmeisterschaft. Wegen zu vieler tödlicher Unfälle wurde das Autorennen 1954 letztmals ausgetragen und danach eingestellt. Alle fünf Rennen wurden auf Zwischengas ausführlich dokumentiert .
1988 wurde die Veranstaltung als Rallye für Oldtimer wieder aufgenommen, wird noch heute jährlich ausgetragen und lockt Teilnehmer aus allen Ecken dieser Welt an. So auch unsere Gastautoren dieses Artikels, Marco Brunner aus Zürich und Andy Trümpler. Sie haben an der letzten Panamericana 2016 teilgenommen, die am 13. Oktober in Querétaro startete und in Durango am 20. Oktober endete.
Ein Schweizer Trio mit einem Wildpferd in Mexico
Initiant für die Idee, bei der Carrera Panamericana mitzumachen, war Marco Brunner. Diese hatte er aber bereits 2010 während einer bierseligen Runde mit Kollegen. Er wollte Nägel mit Köpfen machen, besuchte eine Informationsveranstaltung in der Nähe von Frankfurt, absolvierte kurz darauf den Lizenzkurs des ACS in Hockenheim und löste danach die Lizenz. Ganz so einfach war es dann aber doch nicht, alles für 2011 auf die Beine zu kriegen. Das Abenteuer musste verschoben werden.
2012 war es dann aber so weit: Premiere an der Carrera Panamericana! In jenem Jahr konnte Marco Brunner erste Erfahrungen sammeln, auch lernen, dass man über Nacht einen total beschädigten Wagen wieder reparieren und zurück auf die Strecke bringen kann. Auf der Jungernfahrt fuhr er zusammen mit einem ”alten Hasen” und einem geliehenen Ford Falcon. Jenes Jahr war etwas chaotisch, aber gerade richtig, um es in allfälligen Wiederholungen dann besser machen zu können.
2013 konnte die ursprüngliche Idee erst umgesetzt werden: mit eigenem Auto an der Panamericana teilnehmen, und zwar mit einem roten Ford Mustang aus dem Jahre 1965, den er dafür extra bei ”Eggimann Cars” hat aufbauen lassen. 2014 und 2016 war Marco Brunner dann mit Copilot und Cousin Andy Trümpler am Start, der sich schnell vom Greenhorn zum unerschrockenen und zuverlässigen Navigator mauserte.
Alles bereit für Mexiko - 2. Oktober 2016
Die Spannung steigt und der Countdown läuft: Die Vorbereitungen sind abgeschlossen, das wilde Pferd schon längst unterwegs nach Houston. Ob der Wagen die Reise gut überstehen wird?
Marco wird dem Mustang am 6. Oktober nach Houston folgen, sein Cousin Andy wird am 10. Oktober direkt nach Querétaro fliegen, wo dann auch der Start der Carrera Panamericana sein wird.
Ach ja, ein Fotograf muss natürlich auch noch mit, die tollen Momente sollen professionell festgehalten werden! Kollege Thomas Zwyssig wird das Team aus der Schweiz also während der ganzen Panamericana begleiten.
Viel können die beiden Teilnehmer nun nicht mehr machen, ausser das Roadbook ausdrucken und unters Kopfkissen legen.
Gelandet und gestrandet - 7. Oktober 2016
Flug nach Houston: Check. Die Stute ist ebenfalls heil angekommen und steht brav breit: Check. Aber wo ist das Gepäck? Marco Brunner sucht vergebens nach seinem Gepäck vom Flug nach Houston. Warten geht nicht, es werden also vier T-Shirts, vier Unterhosen und vier Paar Socken gekauft (insgesamt für 18 US$!) und Laredo (Texas) angepeilt. Von dort soll es dann am nächsten Tag über die Grenze nach Mexiko gehen.
Unterwegs konnte Marco Brunner bereits einen wertvollen Tipp zu Herzen nehmen: Falls mal das Kühlwasser in Strömen aus dem Kühler laufen sollte, tuts auch eine darin reingesteckte Banane, um das Leck zu stopfen. So kann man einige Kilometer länger fahren bis man wieder Wasser nachfüllen muss.
Mit dem Chiquita-Express nach Querétaro - 10. Oktober 2016
Und so fanden sich immer mehr Teilnehmer unterwegs, alle mit dem Ziel Querétaro. Mit der Zeit entstand ein richiger Konvoi, der aufgrund des Bananen-Düftchens in der Luft bald den Übernamen ”Chiquita-Express” erhielt.
Bereit für den grossen Ausritt! - 11. Oktober 2016
Nachdem Marcos Kleider endlich aus Houston nach Mexico nachgereist waren, lohnte sich der Weg zum Flughafen Querétaro gleich doppelt. Andy traf nämlich dort auch gleich ein. Mit der nun kompletten Besatzung ging es im Race-Center im Autódromo von Querétaro an die offiziellen Abnahmen: Piloto und Co-Piloto anmelden, Medical Check, Security Check, mexikanische Rennlizenz lösen und dann wurde die Stute gründlich untersucht, gewogen und auf Luftfilter und Kühler geprüft. Fit wie ein Mustang präsentierte sich die 51 jährige Renndame… Bereit für den grossen Ausritt!
Am Folgetag dem 12. Oktober wird Querétaro so richtig zum Schauplatz des Spektakels, überall Fernsehteams die alle die gleichen fragen stellen, Hektik hier und dort, viele Machaniker, die noch rumschrauben. Für das befreundete Team Axel und Jürgen organisiert Marcos Service-Leiter Juan noch einen Ersatzmotor, der soll über Nacht noch eingebaut werden. Marcos Mustang kriegt noch ein abschliessendes Wellness-Treatment in Form einer Vergaser-Revision.
Beste Zeit im Qualifying - 13. Oktober 2016
Der 13. Oktober markiert den offiziellen Beginn der Carrera Panamericana 2016. Das Qualifying steht an. Marco und Andy wissen danach, dass die Voraussetzungen gut stehen, um beim Rennen vorne mitzufahren: beste Qualifikationszeit. Das war der gute Teil des Tages…
Auf der Rückfahrt überholen sie einen Laster, der plötzlich ausschert. Andy, gerade am Steuer, weicht unter Vollbremse aus, die Notreaktion endet in einer steinigen Wiese. Die Stute kann so immerhin noch etwas Gras auf der Weide zu sich nehmen, bevor sie dann eine Stunde später rumpelnd wieder auf die Strasse gezogen wird. Der Schaden hält sich in Grenzen, der Start darf kommen.
Querétaro nach Puebla - 14. Oktober 2016
Der erste Tag verlief gut. Bis auf eine Wertungsprüfung konnten alle als Klassenschnellster abgefahren werden: Erster Pokal gesichert!
Aber auch heute gab es einen Zwischenfall. Nach dem Abflug ins Gras gestern gesellte sich heute ein kurzer Schlagabtausch mit einem Konkurrenten dazu. Der touchierte während einem Überholmanöver bei einer engen Kurve das Heck.
Sonst gabs bei der Ankunft in Puebla ein Mordsgedränge, Marco und Andy haben sicher 100 Autogramme gegeben und für Fotos posiert. Puebla ist übrigens eine ehemalige Königsstadt mit wunderbaren Kolonialhäusern und uralten Bäumen in der Altstadt.
Transferstrecken und Wertungsprüfungen meist unter Volllast
Durchschnittlich haben die beiden pro Tag gut 500 km zurückgelegt, davon waren rund 100 km Wertungsprüfungen, der Rest waren meist lange Transferstrecken. Auf diesen durfte man keine Navigationsfehler machen, also immer schön nach Roadbook fahren. Um empfindliche Strafzeiten zu vermeiden, mussten auch die Transferstrecken sportlich gefahren werden, denn die Ankunftszeiten waren stets genau vorgegeben.
Oft waren die Wertungsprüfungen kurz hintereinander (mit ganz kurzen Transferstrecken) oder die Strecken wurden in beide Richtungen je einmal gefahren. Im Gegensatz zu den Transferstrecken gab es bei den Wertungsprüfungen keine Tops (Speed ) und waren zwischen 6 und 35 km lang. Solche wurden mit Vollgas gefahren, der Mustang jagte oft am Anschlag mit 200 km/h dem Ziel entgegen. Da jeweils im Halbminutentakt gestartet wurde, kam es auf längeren Etappen auch zu heiklen Überholmanövern.
Der Ritt in die Hauptstadt - 15. Oktober 2016
An diesem Tag wurde die Strecke von Puebla zur Hauptstadt Mexico City in Angriff genommen. Die Atmosphäre am Ziel war regelrecht überwältigend. Gedanklich fühlte man sich wie zurückversetzt, denn die gewonnenen Eindrücke ähnelten gewiss jenen, als der damalige König hoch zu Ross zu seinem Palast im Zentrum ritt und die Bevölkerung die Strasse schon einen Kilometer vor dem Zocalo, dem zentralen Platz, säumte. Auf dem Zocalo dann konnte er sich nur mit Hilfe seiner Leibgarde den Weg durch die Menge bahnen. Alle wollten ihn fotografieren, sein Pferd streicheln, ihm die Hand geben. Da er ein volkstümlicher König war, stieg er vom Pferd und sprach mit den Menschen über ihre Sorgen und Freuden, meistens aber über Pferde und deren Schönheit und Stärke. Um zu verstehen, wie sich Marco und Andy an diesem Tag fühlten, braucht man bloss den König mit den beiden Teilnehmern zu ersetzen…
Obwohl die Stute während den 120 Rennkilometer ein paar mal bockte, konnte ein weiterer Pokal mit einer 1 drauf erkämpft werden. Alles in allem ein richtig guter Tag!
Über «Toppes» und «Combres» bis Morelia - 16. bis 17 Oktober 2016
Von Mexico City führte der Weg nach Toluca und am nächsten Tag nach Morelia. Marco und Andy waren weiterhin sehr gut unterwegs, ein eingespieltes Team. Selbst unerwartete und unbeschilderte «Toppes» (sogenannte Speed Bumpers aus Asphalt) konnten die beiden nicht aus ”dem Flow” bugsieren. Von der Strecke her gehörten diese Tage zum Höhepunkt, das Fahren durch die «Mil Cumbres» (1000 Berge) mit den dschungelartig überwachsenen und völlig unübersichtlichen Bergen ist anspruchsvoll aber auch überwältigend schön.
Kurvenreich nach Guanajuato - 18. Oktober 2016
Bereits das Roadbook kündigte es an: es wird heute sehr viele kurz aufeinander folgende Kurven geben!
Nebst Kurven gab es an diesem Tag zum ersten Mal seit dem Start wiedermal normales Frühstück, also keine Kaffee-Brühe aus dem Oxxo (mexikanischer 24h Shop) und Müsliriegel. Entsprechend waren die beiden gut gelaunt und gestärkt und bereit für die Fahrt in den 1000 Bergen.
Mit Blaulicht nach Zacatecas - 19. Oktober 2016
Der zweitletzte Renntag beinhaltete eine längere Transferstrecke, Andy übernahm das Steuer und Marco copilotiert. Marco gestand abends etwas schämend: ”Leider bin ich darin etwas aus der Übung, muss doch der Co nicht nur dafür sorgen, dass man immer auf dem richtigen Weg bleibt, nein, er muss auch bemerken, wann getankt werden sollte und ob die angekündigten Etappenzeiten eingehalten werden. Zum ersten Mal sind wir heute beinahe trocken gelaufen, weil über mehr als 100 km keine Tankstelle aufgetaucht war, und dann sind wir offenbar zu langsam gefahren und konnten die vorgeschriebene Zeit um ganze 9 Minuten nicht einhalten. Und dies, obwohl eine lebenslustige Polizeipatrouille uns mit Blaulicht und jaulendem Horn durch den dichten Verkehr gezogen hat. Das war ein Gaudi!”
Trotz Strafsekunden holten sie auch an diesem Tag ihren Pokal. Die Titelverteidigung war nun greifend nahe.
Letzter Tag - Zacatecas – Durango - 20. Oktober 2016
Der letzte Tag der Carrera war der längste und mit insgesamt 700km Transfer und Wertungsprüfungen auch der stengste. So galopierten wir mit unserer in der kühlen Morgenluft zufrieden brummelnden Stute erst einmal 315km in Richtung erste Wertungsprüfungen. Danach ging es mit dem ersten Abschnitt los, auch bekannt als ”Rückgrat des Teufels”. Der Mustang war stark gefordert und wurde entsprechend vom tollen Mechaniker-Team immer wieder gepflegt und zwischen den Etappen durch gecheckt.
Sieg in der Klasse «Historica C»
Abschliessend erzählte Marco Brunner eine Anekdote, die von einer echt brenzligen Situation handelte. Nach der Rallye fuhr er allein durch die Wüste nach Corpus Christi als er plötzlich bemerkte, dass die Tanknadel auf den Nullpunkt rumhüpfte. Dieser Moment bescherte ihm aufregendes Herzklopfen, wer hier mitten in der Wüste stehen bliebe, müsste nicht nur gegen die Hitze kämpfen sondern sich wohl auch mit Halunken rumschlagen... Zum Glück war da dieser Ziegenhirt, der am Strassenrand wartete. Er wusste zum Glück den Weg zu einem kleinen Dorf mit Tankstelle mitten in der Pampa. Noch mal gutgegangen!
Und was bleibt am Schluss?
Die Erinnerungen an die einmalige und verrückte Atmosphäre unter den Teilnehmern werden nie vergessen gehen. Auch die Begeisterung der lokalen Bevölkerung, die extrem sympathischen und tüchtigen mexikanischen Mechaniker, die wunderschönen kolonialen Städte Mexikos, die vielen verschiedenen Landschaften und nicht zuletzt die spassige und überaus gute Laune im Cockpit prägen die Erinnerungen nachhaltig.
Das originale Online-Tagebuch findet man unter lacarrerapanamericana2016.wordpress.com
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