Für viele ist das Classic Car Auction Yearbook die “Bibel”. Im Gegensatz zu diesem religiösen Grundlagenwerk ist erscheint das Yearbook allerdings erst seit dem Jahr 1994, dafür aber komplett neu und mit anderem Inhalt seither. Jetzt liegt also die 27. Ausgabe vor und sie ist noch umfangreicher als frühere Ausgaben, aber auch etwas teurer geworden.
Adolfo Orsi, der das Buch seit einem Jahr alleine herausgibt, hat sich die Sache nicht einfach gemacht. Corona hat sich stark auf die Versteigerungsbranche ausgewirkt, zudem zeigen neue Generationen andere Kaufmuster und andere Präferenzen. Anders als 1994, als vermutlich niemand strukturiert Auktionsdaten sammelte, gibt es heute viele verschiedene Plattformen, die meistens online einen Einblick in die Ergebnisse von Versteigerungen bieten (zwischengas.com ist eine von ihnen). Zudem werden immer häufiger auch teure Autos online gehandelt und sie erzielen sogar teilweise höhere Preise als an der klassischen Auktion mit Publikum und Hammerschlägen. Orsi entschied deshalb auch die Transaktionen auf Online-Plattformen wie Bring-a-Trailer, Collecting Cars oder TheMarket (Bonhams) mitzuberücksichtigen, zumindest wenn der Wert der Autos über USD 200’000 lag oder es sich um interessante Klassiker der Marken Porsche, Ferrari und Co handelte.
Entsprechend stieg der Gesamtumsatz über alle betrachteten Verkäufe denn auch auf USD 1,929 Milliarden, also fast das Doppelte vom Jahr vorher. Die Online-Auktionshäuser machten von dieser Steigerung allerdings nur rund USD 340 Millionen aus, der Rest beruht auf Umsatzsteigerungen der klassischen Auktionshäuser.
In den USD 340 Millionen ist allerdings auch der Mercedes-Benz SLR Uhlenhaut, versteigert in einer geheimen Auktion von RM/Sotheby’s enthalten, und für diesen Wagen wurden immerhin USD 142,7 Millionen bezahlt, womit der Benz zum teuersten Autos aller Zeiten wurde.
Umfangreiches Werk
Insgesamt sind im neuen Buch 8431 Transaktionen aufgeführt, die sich auf Autos von 353 Marken beziehen. 23 Auktionshäuser werden im Jahrbuch gelistet: Aguttes, Artcurial, Barret&Jackson, Bingo (Japan), Bolaffi, Bonhams, Bring a Trailer, Broad Arrow Auctions, Collecting Cars, Finarte, Gooding & Co, Halcyon, H&H, Historics Auctioneers, Mecum, Oldtimer Galerie Toffen (teilweise), Osenat, RM/Sotheby’s, Sotheby’s, Silverstone Auctions, Wannenes Group, Worldwide Auctioneers.
310 der 416 Seiten sind den 8431 angebotenen Autos gewidmet, die jeweils mit den grundlegenden Angaben sowie dem Verkaufspreis in verschiedenen Währungen vorgestellt werden. Von einigen Autos gibt es auch Fotos, aber mit den insgesamt 973 Farbfotos können sie natürlich nur punktuell illustriert werden.
Tiefgehende Analyse
Rund 76 Seiten (inklusive Werbung) umfasst die analytische Rückschau auf das betrachtete Auktionsjahr (1. September 2021 bis 31. August 2022). Adolfo Orsi nutzt seinen immensen Datenhaufen und seine Erfahrung, um den Leser durch die Veränderungen des Auktionsgeschäft zu führen, zu erklären, wie sich die Interessen der Bieter verschieben und wie sich dies wiederum auf die Wertentwicklung der Autos auswirkt. Man muss sich schon ein bisschen Zeit nehmen, um die umfassende Analyse durchzuarbeiten.
So führt er etwa aus, wie sich die jungen Autos, respektive deren Wert im Auktionsgeschehen, von 2021 auf 2022 praktisch verdoppelt haben. Bereits nehmen die nach 2000 gebauten Autos 19,99% des Bestands ein, auch die “modernen” Autos (1975-1999) sind mit 21,49 % stark vertreten an den Versteigerungen.
Immer wieder interessant sind die Verkaufsergebnisse von Fahrzeugen, die bereits in der Vergangenheit gehandelt wurden (identische Chassisnummer). Wenn man über diese Seiten schaut, erkennt man, wie sich die Beliebheit mancher Modelle substantiell gesteigert, oder auch deutlich reduziert hat.
Spannend sind, zumindest für Sammler teurer Autos, die Seiten 51 bis 59, denn hier werden bestimmte Fahrzeugtypen über 29 Jahre analysiert. Gezeigt werden für einige davon nicht nur die Preiskurven, sondern auch die pro Jahr gehandelten Exemplare und der totale Umsatz mit diesem Fahrzeugtyp über das Jahr. Hier kann man schnell ersehen, dass der Mercedes-Benz 300 SL immer noch an Wert gewinnt, während der Jaguar E-Type eher ein wenig schwächelt. Richtig zugelegt haben aber vor allem junge Autos wie der Ferrari 40 und der Porsche 959, hier sind die Bewertungen an Auktionen regelrecht explodiert.
Kommentare der Auktionshäuser
Immer wieder interessant sind auch die Kommentare der Vertreter der grossen Auktionshäuser, etwa David Gooding (Gooding & Co), Philip Kantor (Bonhams) oder Mathieu Lamoure (Artcurial). Sie reflektieren über die letzten 12 Monate und geben ihr Gefühl, wohin das Geschäft geht, was gefragt ist und was weniger. Erstmals ist mit Edward Lovett (Collecting Cars) auch ein reines Online-Auktionshaus vertreten. Auch Kenneth Ahn, der Präsident des neu gegründeten Auktionshaus Broad Arrow Auctions, gibt seinen Kommentar ab. BAA trat 2022 erstmals öffentlich auf und hat bereits zwei erfolgreiche Versteigerungen hinter sich, die den neuen Anbieter direkt in die Spitzengruppe katapultierte.
Für den Sammler und Professional
Die neue Ausgabe des Auction Yearbook mit neu gestaltetem Titelblatt ist sicherlich einen Platz im Bücherregel wert, wenn man sich für die Wertentwicklung von teuren und gesuchten Klassikern interessiert. Wer sich mehr für VW Käfer oder Citroën 2 CV begeistert, findet zwar bei Orsi auch ein paar Beispiele, aber sicherlich keine komplette Marktbetrachtung.
Übrigens hat das Buch auch einigen Unterhaltungswert, denn wenn man die Seiten ab 398 durchblättert, stösst man auf die Top-5-Auktions-Ergebnisse der einzelnen Jahre ab 1993. Und vor allem in der Anfangszeit waren die Preise, die selbst für die schönsten Klassiker bezahlt wurden, noch sehr viel tiefer als heute, immerhin schaffte es ein Ferrari 625 TF barchetta von 1953 mit USD 876’217 in die Top-Five des Jahrgangs 1996-1997.
Bibliografische Angaben
- Titel: The Classic Car Auction Yearbook 2021 - 2022
- Autor/Editor: Adolfo Orsi
- Sprache: Englisch
- Verlag: Historica Selecta SRL
- Auflage: 1. Auflage Oktober 2022
- Format: Gebunden, 24,3 x 31,5 cm
- Umfang: 416 Seiten, 973 Farb- und Schwarzweissabbildungen, viele Grafiken
- Preis: EUR 90.00 / CHF 93.00
- ISBN: 978-88-96232-14-9
- Kaufen/bestellen: Online bei BM Classics oder bei anderen von Historica Selecta empfohlenen Buchhändlern