Alfred Neubauer bleibt als sehr bestimmte Person in Erinnerung, der Name klingt vertraut, selbst wenn man sich nicht oft mit Motorsport auseinandergesetzt hat, und wenn, dann weiss man genau, welch grossen Einfluss Neubauer bei Daimler-Benz beziehungsweise bei Mercedes gehabt hatte.
Die wohl bekannteste Geschichte ist die Sache mit den Silberpfeilen. Neubauer selbst schrieb in seinen Erinnerungen, dass der Geistesblitz dazu in einer Juni-Nacht im Jahr 1934 kam. Kurz zuvor hatte man erfahren, dass das Gewicht der Mercedes-Rennwagen zu gross war. Neubauer kratze kurzerhand den weissen Lack vom Wagen et voilà.
So toll diese Geschichte auch klingt, man ist sich heute ziemlich sicher, dass sie im Falle der Silberpfeile erfunden ist. Nicht nur war das Eifelrennen ohne Gewichtslimiten ausgeschrieben, die Entlackungsnummer konnte auch nie mit Bildmaterial (vorher/nachher) nachgewiesen werden, eher das Gegenteil ist der Fall.
Aber, es gibt mehr als genug Geschichten aus dem Leben Neubauers, die weniger umstritten und mindestens so erzählenswert sind.
Kein begabter Rennfahrer
Alfred Neubauer arbeitete schon in der Armee mit Fahrzeugen und wurde nach dem Kriegsende 1918 von Austro-Daimler angestellt. 1920 wurde er von Ferdinand Porsche dem Leiter der Einfahr-Abteilung ernannt. Zwei Jahre später durfte er dann selbst hinters Steuer und startete an einigen Rennen für das Austro-Daimler-Team. Damit hatte er allerdings keinen grossen Erfolg und sah bald ein, dass er selbst nicht auf die Rennstrecke gehörte.
An die Rennstrecke gehörte er aber sehr wohl! In seiner Zeit als Fahrer merkte Neubauer, wie er auf der Rennstrecke ganz auf sich allein gestellt war, dabei steht am Rand ein ganzes Team mit Experten, die ihm taktische Tipps hätten geben können. Er erschuf kurzerhand eine neue Kommunikationsweise. Um den Fahrern Tipps zu geben, schwenkte er unterschiedliche Fahnen am Streckenrand.
Wer ist hier Rennleiter?
Als er 1926 an der Stuttgarter Solitude, mit seinen bunten Fahnen ausgerüstet, den Fahrern von Daimler Zeichen gab, kam es beinahe zum Skandal. Der eigentliche Rennleiter forderte ihn auf, diesen “Mumpitz” einzustellen, um die Fahrer nicht zu irritieren. Doch Neubauer liess sich nicht beirren und meinte bloss, er sei der Rennleiter. Daraufhin meinte der Sportpräsident „Sind Sie von Sinnen? Der Rennleiter bin ich!“
In den darauf folgenden Jahren begann sich seine Standhaftigkeit auszuzahlen. Zu den Erfolgen gehörten Rudolf Caracciolas Sieg 1930 am Irish GP Eireann Cup oder 1931 an der Mille Miglia.
Dir Ära der Silberpfeile
1938 war Alfred Neubauer mit seinem Team dabei, auf der Autobahn Frankfurt-Darmstadt Geschwindigkeitsrekorde einzufahren. Für den Weltrekordversuch startete Rudolf Caracciola in einem Silberpfeil und erreichte die Höchstgeschwindigkeit von 432 km/h. Neubauer meinte: “In einer Stunde wird Rosemeyer hier erscheinen. Er will versuchen, Ihren Rekord wieder zu holen.”
Doch Caracciola startete nicht mehr, es war ihm zu windig. Tatsächlich erfasste am selben Tag eine Böe Rosenmeyer im Rekordwagen der Auto-Union, was ihm sein Leben kostete.
Neubauer war während der Dreissigerjahre eine Konstante in der Motorsportwelt und ist aus der sportlichen Firmengeschichte Daimlers nicht mehr wegzudenken. In diesen Jahren tauchten dann auch erstmal die Silberpfeile auf. In dieser Vorkriegsära war die Mercedes-Benz-Truppe kaum zu schlagen. Also halbierten die Italiener 1939 den Hubraum und schrieben den “Grossen Preis von Tripolis” nur für 1.5-Liter-Wagen aus. Die Daimler-Benz-Ingenieure konstruierten daraufhinn in acht Monaten hinter verschlossenen Türen zwei Wagen, die sie nach Afrika schickten. Prompt holten Lang und Caracciolo in den Mercedes-Wüstenflöhen den Doppelsieg.
Seinen letzten Vorkriegskampf focht Alfred Neubauer 1939 beim Belgrader Stadtrennen aus. Neubauer selbst meinte, dass er an jenem Tag eine riesige Dummheit gemacht habe. Als Brauchitsch von der Kriegserklärung der Westmächte erfuhr, machte dieser sich schleunigst auf den Weg zum nächsten Flugplatz, um sich in die Schweiz zu Caracciola zu begeben. Neubauer holte ihn allerdings aus dem Flugzeug, bevor dieses starten konnte. Das Rennen endete erfolglos für das Mercedes-Team und Neubauer meinte: “Ich war das größte Rindvieh, daß ich den Manfred aus dem Flugzeug geholt habe.”
Rennsport in der Nachkriegszeit
Als der Krieg 1945 sein Ende fand, begann Neubauer sein Werk neu aufzubauen. Bis eine kleine Rennabteilung wieder auf den Beinen stand, dauerte es allerdings vier Jahre. Die Ressourcen und das Team, um einen neuen Wagen zu konstruieren, gaben nicht. Mit dem 300 SL (W 194) nutzte man Teile des 1951 präsentierten Mercedes-Benz 300 (W 186), dessen Konstruktion auf die Vorkriegsjahre zurückging. Mit dem W 194 erzielte das Mercedes-Team 1952 den Sieg in Le Mans und bei der Carrera Panamericana. Ein grosser Erfolg!
Als 1954 eine neue Rennformel ausgeschrieben wurde, konnte Neubauer Fangio überreden, die Fahrerrolle zu übernehmen. Die Formel-Rennwagen waren mit Fango am Steuer wieder genauso überlegen, wie vor dem Krieg. Juan Manuel wurde Weltmeister und durfte mit Neubauer eine überaus erfolgreiche Rennsaison feiern.
Einer der härtesten Tage in Alfred Neubauers Leben dürfte wohl der 11. Juni 1955 gewesen sein. Pierre Levegh wurde von Alfred Neubauer und der Mercedes-Motorsportabteilung Anfangs 1955 angeheuert und startete in Le Mans mit einem Mercedes-Benz 300 SLR. Bei der Einfahrt zur Boxengasse kam es zu einer Kollision der Wagen von Levegh und Lance Macklin. Infolge dieses Unfalls starben 84 Menschen. Bis heute gilt dies als die schwerste Katastrophe im Motorsport.
Nach dieser Tragödie nahm Neubauer folgerichtig die übrigen Mercedes-Wagen aus dem Rennen. Ein sicherer Sieg wurde vergeben.
Nicht mehr an der Rennstrecke
Neubauer ging am Ende der Saison 1955 in Rente und Mercedes-Benz überliess den Rennsport den anderen Teams. Erst 33 Jahre später startete eine neues Mercedes-Benz Werks-Team.
Neubauer selbst half, die Rennwagen ins Museum zu verlegen und er blieb Mercedes die nächsten sieben Jahre erhalten. Er wurde in der Traditionspflege aktiv und war auch später ein immer wieder gern gesehener Gast bei historischen Rennveranstaltungen.
Das Organisieren war nicht sein einziges Talent, auch Geschichten erzählen konnte er, so gab er immer wieder Spannendes zum besten. 1958 erschien das Buch “Männer, Frauen und Motoren”, in dem Alfred Neubauer seine Lebenserinnerungen niederschrieb. Darin berichtete er von seinen frühen Jahren im Rennsport als Fahrer, von der Silberpfeil-Ära, von Siegen und Verlusten, von der Le Mans-Katastrophe…
Am 22. August 1980 verstarb Alfred Neubauer im Alter von 89 Jahren.
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Das Bild wurde anläßlich von Testfahrten im Frühjahr 1939 in Monza aufgenommen, nicht 1938.
Das verkleidete Fahrzeugheck erinnert stark an den 3-Liter-Rekordwagen vom Februar 1939 auf der RAB bei Dessau.
Es war ja geplant, in der Rennsaison 1940 einige Rennen mit einem Stomlinien-verkleideten W 154 zu bestreiten.
Das Bild Nummer 158 wurde vor dem Eifelrennen am 14. Juni 1936 gemacht.
Der W 25 mit tiefliegendem Auspuff und der Startnummer 10 war Manfred von Brauchitsch Rennwagen und ist die Rennversion von 1936.
Ich mußte schon früher gelegentlich feststellen daß eine Reihe von Bildunterschriften im Motorsport-Archiv von Mercedes falsch waren.
Das kann bei so vielen Bilder schon mal vorkommen.
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