Wahrscheinlich symbolisiert der Porsche 924 einen der grössten Wendepunkte der deutschen Industriegeschichte. Als VW Porsche 914 Nachfolger von Porsche für Volkswagen konzipiert, markierte er den grossen historischen Einschnitt: Wasserkühlung, Frontmotor und dazu einen Kofferraum. Klingt selbstverständlich, war bei VW Ende der 60er Jahre nicht mal als kühner Traum in der Konstruktionsabteilung zu hinterfragen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Der Porsche 924 ist ein Kind der Umbruchsituation bei VW, die 1974 mit Passat, Scirocco, Golf und Polo abgeschlossen ist. Munter hatten sich die Wolfsburger bei der Tochter Audi NSU bedient und das bereits mit dem K 70, den man statt in Neckarsulm als NSU bevorzugt als VW in Salzgitter vom Band laufen liess.
Der tiefere Sinn dahinter? Dem bereits bei seiner Vorstellung konzeptionell angestaubten VW 411 eine moderne Interpretation der Mittelklasse von VW für die 70er Jahre zu präsentieren. Was jetzt noch fehlte, war ein Sportwagen, sportlicher als der VW-Porsche auf jeden Fall, der ebenfalls mit 411er Technik unterwegs war.
Wo 924 drauf steht, ist 924 drin
Jan-Henrik Muche wagt sich 40 Jahre nach der 924er Präsentation an die Aufarbeitung der Transaxle-Geschichte. und um sich nicht zu übernehmen, beschränkt er die 190 Seiten letztendlich auf den 924er: Auch wenn das Coverbild einen 944 zu zeigen scheint, wir lernen es innen, es handelt sich um den 924 Carrera GT, der in der Gruppe 4 homologiert wurde.
Freunde des 944 oder gar des 968 werden in diesem Buch bestenfalls über die Ursprünge ihres Lieblingsmodells umfassend aufgeklärt, aber Muche beschränk sich wirklich auf die 924er Geschichte.
EA 425, VW, Audi, Porsche
Was heute wie selbstverständlich zu einem Konzern gehört, wurde vor knapp 50 Jahren eher durch kaufmännische, freundschaftliche oder technologische Verbindungen zusammengehalten. Auf der einen Seite Deutschlands grösster Automobilhersteller Volkswagen, der mit seiner luftgekühlten Idee des Heckmotors in einer Schockstarre des Erfolgs gefangen war. Auf der anderen Seite, die kleinen, heissen Zukäufe: Auto Union mit Frontantrieb, NSU mit grosser Kleinwagenkompetenz und Wankelmotor und natürlich kaufmännisch unabhängiger Porsche, ideologisch mit VW jedoch enger verbunden, aber als Sportwagenhersteller mit Ambition natürlich immer am Puls der Zeit.
Und genau in diese Kontrastlage wurde um 1970 der EA 425 hineingeboren: Als Wunsch von VW, den 914er abzulösen. Von Porsche für VW vorangetrieben und mit viel Audi Technik (insbesondere dem 4-Zylindermotor) an den Start gerollt war EA 425 bald ein Stiefkind innerhalb der oben beschriebenen Strukturen. VW ging es schlecht, statt Sportwagen brauchte man eine gescheite Modellpalette, Verluste von knapp 1 Mrd. DM machten den Wolfsburgern das Leben schwer. Und mit dem Scirocco hatte mal alsbald einen günstig zu produzierenden Sportwagen, mit dem sich Geld verdienen liess.
Also sollte EA 425 als Nachfolger des Audi 100 Coupé S vom Band laufen. Doch die Ölkrise vermasselte den Deal, Audi – insbesondere mit seinen alten Produktiosstätten in Neckarsulm stand vor der Schliessung. Das unrentable Werk sollte den gesamten VW-Konzern mit einem Schlag gesund schrumpfen. So kam es dass unter dem 1975 von Ford engagierten VW-Sanierer Toni Schmücker ein Deal mit Porsche geschlossen werden konnte, der das Projekt EA 425 an Porsche zurückverkaufte und das nun Porsche 924 getauften Fahrzeug bereits Ende 1976 serienreif war.
Ironischerweise lief es dann in Lohnauftrag bei Audi NSU in Neckarsulm vom Band und half damit das Überleben dieses Standortes zu retten. Noch ein Wort zu Toni Schmücker: Wie so oft in der Geschichte sind die Letzten, die Ersten, in diesem Fall fuhr Schmücker die Ernte ein, die seine Vorgänger seit Lotz 1968 gesät hatten. Die Arbeit war erledigt, er konnte sich mit fremden Federn schmücken.
Grosser oder kleiner Wurf
Seit seiner Vorstellung wurde und wird über den 924 und seine Derivate geschimpft: Kein echter Porsche, nicht luftgekühlt, falsche Motorplatzierung und und und. Stop: Mittlerweile hat auch der Porsche 924 seine Anhänger. Aber Muche liefert die Argumente, die den Wagen auch als echten Porsche zu identifizieren. Dazu liefert er nebst der kompletten Entwicklungsgeschichte eben auch die Bezüge zur sogenannten Porsche DNA. Ob Transaxle, Targa, Carrera, Motorsport, ja selbst die Werbung ist dem Autor nicht zu schade, um den 924er als echten Porsche erscheinen zu lassen. Und: viel besser, er kann dies auch in Bild und Text zu begründen.
Was nämlich aus heutiger Sicht eher kleinlich begann, hatte sich aus Porschesicht rasch zu einem Bestseller, insbesondere auch den USA gemausert. Und die stete Evolution bis zum 968 bescherte der Transaxle-Idee am Ende doch eine Haltbarkeit von 20 Jahren. Im Automobilbau ein monumentaler Wert, den selbst die 911er Idee auch nur durch stete und konsequente Modellerneuerung am Leben erhalten kann.
Klar gegliedert - klar informiert
Das Buch gliedert sich überschaubare zehn Kapitel. Interessante Einschübe zu Sonderentwicklungen, Motorsport oder nicht realisierten Ideen lockern das auch wirklich gut gestaltete Buch und seine Geschichte auf. Kurzweilig führt Muche durch die Höhen und vermeintlichen Tiefen und es gelingt ihm, die von 1976 bis 1988 währende Produktionsgeschichte spannend und vor allem informativ rüber zu bringen: Wer sich zum Beispiel für die zahlreichen Sondermodelle des Porsche 924 interessiert, dem werden diese sowohl im Text als auch in den anhängenden Fakten ausführlich vorgestellt.
Apropos Anhang, in vielen Monografien ist dieser immer eine Sache für sich: Das 924-Buch gliedert die Fakten in drei Kategorien, minutiöse Auflistung des Technischen Standes nach Modelljahren, Preise, Lacke und Ausstattung, technische Daten sowie die bereits angesprochenen Sondermodelle nehmen immerhin 1/10 des Buches ein.
Sicher werden Puristen diese Auflistungen mit vielen gelben Zetteln ergänzen können. Aber zumindest im Umgang mit diesen Fakten hat Muche solche aus dem Text rausgehalten und vermeidet damit Redundanz
Endlich Porsche fahren
So modern die Konstruktion des 924 zu seiner Zeit auch war, schliesslich gab es nur noch den ebenfalls als Transaxle konzipierten Alfa GTV (allerdings mit 6-Zylindermotor), an dem sich der 924 messen musste, so verwegen scheint aus der zeitlichen Distanz der Wunsch von Porsche, dass die Transaxle-Modelle (mit dem 928er) einmal den 911er ablösen würden. Doch so verwegen war der Gedanke gar nicht. Die gesamte Gleichteile-Strategie aus dem Konzern-Baukasten von VW und Audi, die man dem 924er von jeher zum Vorwurf macht, war auch beim 356er nichts anderes.
Was Puristen also gute 13 Jahre nach Vorstellung des Elfers bereits abschätzig beim 924-er monierten, stand in guter Porsche Tradition, die 1976 auch gerade mal gut 25 Jahre währte …
Dabei war der 924er eigentlich ein guter Einstieg in die Welt von Porsche: Insbesondere auch was das Design betraf. Denn im Gegensatz zum Alfa GTV, der aus der Feder von Giorgio Giugiaro stammte, bekanntlich zu jener Zeit für Scirocco, Passat und Golf in VW-Diensten, hatte das Designteam um Anatole Lapine hier einen extrem zeitlosen Entwurf mit exotischen Klappscheinwerfern hingelegt, der sich als sehr deutsche Interpretation italienischer Supersportwagen-Studien, die unter anderem allerdings auch wieder von Giugiaro stammten, der späten 60er und 70er Jahre deuten lässt, die nicht nur den Weg in die Kleinserie fand, sondern bis zum Auslaufen als 968-er ein Grossserienprodukt und teilweise als der bestverkaufte Porsche galt.
Ziellinie
Der Porsche 924 liegt dem Autor Jan Hendrik Muche am Herzen. Dazu schmeichelt der Heel Verlag dem Buch mit dem Ritterschlag zur »Edition Porsche Fahrer« das wie ein Orden auf dem Buchtitel prangt. »Porsche«, der Name zieht, auch beim Abverkauf von Büchern. Umso erfreuter darf man feststellen, dass hier eine Porsche-Monografie entstanden ist, bei der es dem Autor gelingt, das lange Zeit verpönte Modell ins rechte Licht zu rücken. Das liegt wohl auch daran, dass Muche einerseits beim Suchen im Archiv durchaus ein wenig länger Geduld hatte, und andererseits auch die Ausdauer besass, die gefundenen Fakten entsprechend aufzubereiten.
Denn nun entpuppt sich der Porsche 924 durchaus schon bei seiner Präsentation als begehrenswertes Modell, das in strenger Abgrenzung zum 911er sehr wohl seine Berechtigung im Porsche Programm als auch auf Strassen und Rennstrecken hatte. Nicht zuletzt leuchtet der Titel in alle Ecken der Entwicklungsgeschichte. Lässt kein Thema zu kurz kommen und spannt immer wieder auf belebende Art einen Spannungs- und Bedeutungsbogen zur Porsche-Geschichte. Selbstverständlich werden auch der 924 turbo, der 924 GT und der 924 GTS ausführlich gewürdigt.
Wer dann sich dazu auch noch in der Geschichte von VW, Audi, NSU, bei den Designern und im Motorsport ein wenig auskennt, der erhält hier für faire EUR 39,95 den garantiert besten Einstieg in den Porsche Einstieg der Transaxle-Modelle. Zumindest was den 924er betrifft. Und das ist doch schon allerhand.
Bibliografische Angaben
- Titel: Porsche 924 – Die perfekte Balance
- Autor: Jan-Henrik Muche
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Heel Verlag, 1. Auflage 2017
- Format: 245 x 292 mm, Hardcover gebunden im Schutzumschlag
- Umfang: 190 Seiten, zahlreiche Farbbilder, einige s/w-Bilder
- ISBN: 978-3-958-43498-1
- Preis: EUR 39,95
- Bestellen/kaufen: Online beim Heel-Verlag , online bei amazon.de oder im Buchhandel
























































































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