Durchschlagend krachte die Kritik über Volkswagen und seinen langjährigen Generaldirektor Nordhoff herein. In den Sechzigerjahren legten Renault, Peugeot, Fiat, aber auch Austin/Morris moderne Autokonzepte auf Kiel, neben denen der Käfer antiquiert und überholt erschien. Es half auch nichts, dass VW bereits 1961 mit dem Typ 3 einen langersehnten grösseren Volkswagen serienreif hatte. Luftkühlung, zwei Kofferräume, das wollte nicht in die moderne Weltanschauung passen. Dabei hatte der Typ 3 durchaus Charakterzüge, die ihn zum Trendsetter werden liessen.
Mit dem Buch “Volkswagen Typ 3: Geschichte, Technik, Varianten” hat Simon Glen hat dem Käferbruder eine würdige Abhandlung gewidmet.
Er läuft und läuft
Die Begriffe Innovation und Volkswagen passten über Jahrzehnte nicht zusammen. Beständigkeit und Zuverlässigkeit zeichneten das Unternehmen und seine Modelle aus. Der bereits in den dreissiger Jahren fertig entwickelte KdF-Wagen trat seinen Siegeszug nach 1945 an und wurde bis 1978 in Deutschland – in Mexico sogar bis 2003 – gebaut.
Dabei hatte VW bereits seit den frühen Fünfzigerjahren an Nachfolgern, Modellvariante sowie Produktergänzungen gearbeitet oder arbeiten lassen. Etliche Studien und Prototypen von Porsche oder Ghia, Pininfarina usw. erschienen kreativ und innovativ – aber eben nicht lukrativ.
Und so schaffte im Grunde genommen kein Entwurf den Weg in die Serienproduktion, bis eben 1961 der Typ 3 – zunächst als Limousine und Variant – später auch als Fliessheck in Serie gingen. Es folgten zwölf erfolgreiche Jahre als 1500er und 1600er und in zahllosen Varianten und Derivaten in der ganzen Welt, bis der VW Passat den Typ 3 ablöste.
Es ist das Buch zum Typ 3
Mit seinem Buch setzt der Automobilexperte Simon Glen dem Typ 3 ein Denkmal. Auf über 160 Seiten zeichnet er in 19 Kapiteln die Geschichte des grossen Käferbruders von den ersten Entwicklungsansätzen bei VW in den frühen Fünfzigerjahren bis zur detaillierten Aufästelung des weit verzeigten Familienzweigs nach.
Namentlich der VW Brasilia – dem Typ 3 ähnlich – aber anders als der Typ 3 auf dem Käfer basierend, wird hier in diesem Buch immer wieder querverweisend vorgestellt.
Mit anderen Augen
Der in Australien lebende Autor betrachtet den Typ 3 dabei nicht rein aus deutschem Blickwinkel, sondern widmet sich insbesondere auch den ausländischen Märkten, auf denen sich der Typ 3 etablierte.
Mit mehr als drei Millionen Typ 3 gilt der Typ 3 für seine Bauzeit als erfolgreiches VW-Modell, der nicht nur als Familienkutsche beliebt war, sondern auch als Trendsetter gelten kann.
Typ 3 als Variant, ein Trendsetter
In einer Anzeige für den Typ 3 Variant stellt die Headline die hypothetische Frage, ob in ein paar Jahren vielleicht alle Limousinen so aussehen würden. Heute wissen wir, jeder Kombi hat das Handwerkerimage abgelegt und steht für Zeitgeist und moderne Mobilität. „Für den Variant hat die Zukunft begonnen“, endet die Würdigung in der Anzeige, für VW war sie mit dem Typ 3 beinahe zu Ende. Denn das moderne Fahrzeugkonzept scheiterte langfristig an der Grundkonzeption von VW. Erst die rigorose Abkehr vom luftgekühlten Heckmotor hin zur modernen Auslegung mit wassergekühltem Frontmotor und Frontantrieb führte das Unternehmen wieder auf die Erfolgsspur. Einige Jahre nachdem beispielsweise Renault (R 16) oder Fiat (128) aber auch Alfa (Alfasud) diesen Trend eingeleitet und Erfolg hatten. Gleichwohl: in seiner Dekade war der Typ 3 ein Erfolgsmodell, insbesondere in den angelsächischen Ländern konnte er sich einer treuen Kundschaft sicher sein.
Und als Brasilia eröffnete er in Südamerika sogar eine ganze Modellgeneration, die sich immer stärker von den deutschen Produkten unterschied und auf die Bedürfnisse des dortigen Marktes abgestimmt waren. Eine Frage ist in jedem Fall beantwortet: Auf Variantmodelle in der Modellpalette darf VW nicht mehr verzichten.
Ein komplettes Buch
Bei dieser komplexen Geschichte ist umso erfreulicher, dass es dem Autor gelingt, viel Unbekanntes und Neues aufzutun und die entsprechenden Verbindungen in einer gut strukturierten Bucheinteilung zu vermitteln. Dabei hilft die umfassende Kenntnis des Typ 3 Liebhabers, der selbst sieben Fahrzeuge sein eigen nennt. So ergibt sich eine umfassende Abhandlung der Modellgeschichte, gepaart mit umfassenden Übersichten zu Ausstattungsdetails, Länderspezifikationen und Modellevolutionen. Und das dekliniert der Autor grösstenteils sowohl durch Modelljahre als auch durch die zahllosen Varianten, die sich durch Ausstattung oder Exportversionen ergeben.
Ob Hubraum, PS, Stossstangen, Fensterkurbeln, Polsterstoffe, Ersatzteilsituationen, stets sind die Bezüge quer durch die Modellpalette oder die Absatzmärkte: hier wird der Leser fündig. Damit richtet sich dieses gut geschriebene Buch nicht nur an Freunde des Typ 3, sondern an alle, die sich grundsätzlich mit der Geschichte von Volkswagen beschäftigen wollen.
Immer wieder überrascht das Buch mit seiner Fülle an Informationen in Word, Bild und Tabellen. Für eine Restaurierung erscheint das Buch in der Werkstatt unerlässlich. Dass neben dem VW Brasilia auch der grosse Karmann oder die Karmann-Modelle aus Brasilien Platz in diesem Buch gefunden haben, sei hier nebenbei noch bemerkt.
Da darf auch der VW SP1 und 2 nicht fehlen. Es ist schon beeindruckend, in welcher Dichte dieses Buch hier eine breite Modellgeschichte in zahlreichen Facetten abbildet. Mit EUR 35 ist das hier vorliegende Werk – ganz wie der Typ 3 – angesichts des Inhalts sein Geld allemal wert, auch wenn die unzähligen Fotos aufgrund des begrenzten Umfangs manchmal arg klein daherkommen müssen.
Bibliografische Angaben
- Titel: VW Typ 3: Geschichte; Technik, Varianten
- Autor: Simon Glen
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Heel Verlag
- Auflage: 1. Auflage März 2020
- Format: Gebunden, 245 x 290 mm
- Umfang: 170 Seiten, unzählige Fotos, Tabellen und Abbildungen
- Preis: EUR 35.00
- ISBN: 978-3-958-43993-1
- Kaufen/bestellen: Online bei amazon.de , online beim Heel Verlag oder in der guten Buchhandlung
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