Der Autor Gautam Sen schreibt es bereits im Vorwort: Es gibt schon eine ganze Reihe an Lamborghini-Büchern. Allerdings besteht nicht jedes dieser Werke gleich aus zwei Bänden, umfasst 874 Seiten und 1070 Abbildungen.
Motoren und Design
Nur fünf eigene Motoren habe Lamborghini in fast 60 Jahren gebaut, der Konkurrent aus Maranello ein Mehrfaches. Entsprechend müsse man die Marke Lamborghini eben auch nicht nur technisch erfassen, sondern aus der Design-Perspektive. Denn das Aussehen der Autos habe die Autos noch viel mehr von der Konkurrenz abgesetzt als die Technik.
Entsprechend strukturiert der Autor das Werk denn auch entlang der Design-Epochen, beginnend bei Franco Scaglione, über Touring (Anderloni) bis Marcello Gandini, dem vielleicht wichtigsten Mann der Lamborghini-Geschichte überhaupt. Auf ihn folgten Luc Donckerwoke, Walter de Silva, Filippo Perini und Mtja Borkert. Mit fünfen davon konnte Gautam Sen ausführlich sprechen und sich von ihnen die Ideen hinter den Designs und Entwürfen erklären lassen.
Bewusst zeigt der Autor nicht nur Lamborghini-Beispiele, sondern auch Autos anderer Hersteller, die in der Linienführung vorausgingen oder folgten. So findet man Abbildungen des Alfa Romeo Carabo, des Stratos Zero oder des Jaguar Pirana.
Entlang der Zeitlinie
Der Typenstammbau bildet die Grundstruktur der beiden Bücher, angefangen beim 350 GTV, über 350 GT/400 GT, Miura, Espada, Islero, Jarama, Urraco, Countach, Cheetah/LM002, Jalpa, Diablo, Murciélago, Gallardo, Aventador, Huracan und Urus. Dazwischen werden die wichtigsten Einzelstücke und Prototypen eingeführt, sprich Marzal, Bravo, Athon und die diversen Konzeptfahrzeuge der Achtzigerjahre und danach. Natürlich fehlen auch die superteuren Einzelstücke der Neuzeit nicht und die Prototypen des 21. Jahrhunderts.
Sie alle werden vor allem aus Designsicht erläutert und anhand von Zeitzeugenaussagen und damaliger Berichterstattung erklärt.
Passion
Gautam Sen hätte diese beiden Bücher wohl nicht machen können ohne die tatkräftige Unterstützung zweier Enthusiasten. Branko Radovinovic und Kaare Byerg sind beides Lamborghini-Fans seit Kinderbeinen. Der Countach brachte sie beide zum Träumen und machte sie zu Sammlern.
Nicht nur legten diese beiden eine umfangreiche Prospektkollektion vor, sie sammelten auch Zeitschriften sowie Bücher und sie fotografierten auch bei vielen Gelegenheiten Lamborghini Sportwagen und Prototypen. Sie liessen Designer ihre Arbeit signieren und sammelten Presseunterlagen.
Zusammen mit Material aus den diversen Archiven der Designhäuser und Gestalter ergibt sich eine Auslegeordnung in über 1000 Abbildungen, wie man sie wohl noch nicht gesehen hat. Dass bei diesem Fundus nicht jedes einzelne Foto komplett überzeugen kann, ist klar. Dem Autor und seinen Mitstreitern war es aber wichtig, die Autos in allen ihren Ausprägungen zu zeigen.
Bravo
Das letzte Kapitel des ersten Buchs, es sei hier als Beispiel erwähnt, handelt vom Lamborghini Bravo. Was anderswo eine Fussnote ist, wird hier auf 18 Seiten behandelt. Und zurecht! Denn, obwohl nie in Serie produziert, war der Bravo ein wichtiger Design-Meilenstein und vielleicht der eleganteste Siebzigerjahre-Lambo von allen.
Erzählt wird die komplette Geschichte von den ersten Idee, über die Präsentationen, die Testfahrten der Journalisten und die Besitzerwechsel. Der auf einem gekürzten Urraco-Chassis entstandene Zweisitzer hat überlebt und ist bekanntlich heute Teil einer Schweizer Sammlung. 27 Fotos/Zeichnungen dokumentieren diesen ganz besonderen Konzeptwagen.
Komplett
Zwar verzichtet Gautam Sen auf seitenlange Tabellen mit technischen Daten und Produktionsziffern, dafür hat er aber eine ziemlich umfangreiche Bibliografie zusammengestellt, welche die meisten je publizierten Lamborghini-Bücher aufführt. Dazu kommt eine Auflistung von Automobilmagazinen in verschiedenen Sprachen und ein kompletter Index mit den beschriebenen Lamborghini-Modellen, aber auch mit anderen erwähnten Auto-Modellen und Marken. Auch erwähnte Orte und Personen sind sauber referenziert, der Zweibänder taugt damit auch als Nachschlagewerk.
Erwähnt seien übrigens noch die Innenseiten der Buchdeckel, denn dort finden sich die wichtigsten Lamborghini-Modelle als “Chalk Drawings” des aktuellen Lamborghini-Designchefs Mitja Borkert. Sehenswert!
Nicht nur für Lambo-Fans
Über 200 Euro sind für den Zweibänder anzulegen, lohnt sich die Anschaffung? Für den Lamborghini-Enthusiasten dürfte dies ausser Frage stehen, aber auch Design-Aficionados und Sportwagen-Fans dürften durchaus auf ihre Rechnung kommen.
Wer sich allerdings nur für den Miura oder den Countach interessiert, primär an technischen Daten, Stückzahlen oder Verkaufsstatistiken interessiert ist, der sollte sich anderswo umsehen. Aber eigentlich braucht man ja beides, die harten Fakten und die Beschreibung der Designentwicklung.
Bibliografische Angaben
- Titel: Lamborghini: At the Cutting Edge of Design
- Autor: Gautam Sen (mit Branko Radovinovic und Kaare Byberg)
- Sprache: Englisch
- Verlag: Dalton Watson Fine Books (Illinois, USA)
- Auflage: 1. Auflage 2022 (verfügbar per 30. März 2022)
- Format: Gebunden, zwei Bände, im Schuber, 304 mm x 219 mm
- Umfang: 784 Seiten, 1070 Bilder
- ISBN: 978-1-85443-317-6
- Preis: USD 250, £ 185, EUR 230 (circa)
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