Es gib vermutlich nur wenige Autohistoriker, die so bekannt sind, dass ihr Name als Buchtitel interessant genug ist, um für den nötigen Absatz zu sorgen. Karl Ludvigsen aber gehört zu den berühmtesten Autoren im Automobilumfeld, seinen Namen kennt man und so heisst denn das Büchlein, das wir in den Händen halten, “Ludvigsens Rückspiegel”.
Auf der Rückseite des Buchs steht: “In seiner Rolle als Journalist, Herausgeber, Autor und Berater hat Karl Ludvigsen in der Autobranche fast alles und jeden gesehen und die goldenen Zeiten hautnah erlebt. Als leitender Angestellter bei General Motors, Fiat und Ford war er zudem an wegweisenden Entscheidungen beteiligt.”
Tatsächlich ist Ludvigsen omnipräsent, wenn man sich heute mit alten Autos beschäftigt. Er hat viele Bücher veröffentlicht, schrieb für namhafte Autozeitschriften und kuratierte ein umfassendes Fotoarchiv. An Geschichten und Erinnerungen sollte es dem Manne also nicht fehlen.
23 Porträts
Im Buch sind 23 Porträts interessanter Auto-Menschen zusammengeführt, mit denen Ludvigsen in den vergangenen Jahrzehnten Kontakt hatte. Und es ist keine 08/15-Auswahl, die der Autor da getroffen hat.
Bewusst nahm er neben Rennfahrern und Designern auch Manager, Ingenieure und Journalisten/Fotografen in seine Selektion auf. Deshalb sind auch Personen dabei, über die man nicht jeden Tag liest, so etwa Rodolfo Mailänder, Paul Frère, Louise Piëch oder Alexander von Falkenhausen.
Persönliche Erinnerungen
Ludvigsen versteht es, die kleinen (und meist auf bestimmte Lebensphasen bezogenen) Biografien mit vielen persönlichen Erinnerungen farbig zu gestalten. Schliesslich hat er die Leute, über die er schreibt, gekannt und manch Interessantes mit ihnen zusammen erlebt. So kämpfte er beispielsweise bei GM und auch Ford zusammen mit Bob Lutz für ähnliche Ziele.
Ein interessantes Anschauungsobjekt ist das Kapitel zu Stefan Habsburg, den vermutlich nur wenige Leser schon kennen. Er arbeitete bei GM im Designstudio und war unter anderem für die spektakuläre Firebird III Studie mitverantwortlich. In der Rückblende geht es aber vor allem um eine denkwürdige Präsentation für den Designchef Bill Mitchell, in dem der Erfolg von Volkswagen in den USA erklärt werden soll. In dieser Präsentation wird aber nicht nur diese Frage beantwortet, sondern auch gleiche die Zukunft von Volkswagen vorausgesagt, nämlich ein kompakter Frontmotorwagen mit quer eingebautem Vierzylinder. Habsburg hat den Golf vorweggenommen, sechs Jahre vor dessen offiziellen Präsentation.
So etwas kann man vermutlich nur bei Ludvigsen lesen.
Kein Bilderbuch, sondern ein Lesebuch
Wegen der Bilder, die grossteils aus Ludvigsens persönlichem Archiv stammen, kauft wohl kaum jemand das Buch. Immerhin gibt es zu jedem portraitierten Automenschen aber wenigstens ein Bild, so dass man sich besser vorstellen kann, über wen man liest.
Es ist aber das geschriebene Wort, das dieses Buch interessant macht, notabene Ludvigsens Gedanken und Schlussfolgerungen, die flüssig abgefasst sind und sich bestens als Gute-Nacht-Lektüre eignen, zumal kein Kapitel über 20 Seiten umfasst.
Dass einige Formulierungen etwas holprig ausfallen dämpft das Lesevergnügen nur wenig und ist wohl der Übersetzung (oder dem Lektorat) zuzurechnen, dasselbe Buch gibt es nämlich auch noch in englischer Sprache mit dem Titel “Karl Ludvigsen's Fast Friends - English”, ein Titel übrigens, der eigentlich die Essenz des Buchs weniger gut wiedergibt als die Überschrift der deutschen Ausgabe.
EUR 19.90 kosten die 224 Seiten im gebundenen Kleinformat, ein fairer Deal.
Bibliografische Angaben
- Titel: Ludvigens Rückspiegel
- Autor: Karl Ludvigsen
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Delius Klasing
- Auflage: 1. Auflage Juli 2019
- Format: Flexibel gebunden, 15,6 x 22,9 cm
- Umfang: 224 Seiten, 25 Fotos/Abbildungen (schwarzweiss)
- ISBN: 978-3-667-11572-0
- Preis: EUR 19.90
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