Als ich vor einigen Monaten zum ersten Mal darüber gelesen hatte, dass Helmut Deimel erneut einen Rallye-Film bringen würde, war ich richtig aufgeregt. Und es sollte nicht einfach nur ein Rallyefilm werden, über irgendeine Zeit. Nein, der Film kündigte sich als ”Ritt auf dem Feuerball” an, der wildesten und zügellosesten Ära des Rallyesports sollte ein ehrwürdiges Denkmal gesetzt werden. Damit wurde die Messlatte besonders hoch angesetzt, aber mir war klar: Helmut Deimel wird diese mit dem Film erreichen oder gar übertreffen! Die Wartezeit auf den Film schien unendlich lang. Neulich war es aber soweit, die DVD lag in meinem Briefkasten.
Wer noch nie einen Helmut Deimel Film gesehen hat, kann meine Aufregung wohl nicht wirklich nachvollziehen. Erst wenn man weiss, mit welcher Sorgfalt und Liebe er seine Filme macht und man selber die exklusiven Bilder und Töne im eigenen Fernsehzimmer erleben konnte, wird meinen Worten wohlnickend folgen können.
Durch die Augen von Helmut Deimel
So wie Starköche ihre ”Signature Dishes” haben, könnte man bei Helmut Deimel von ”Signature Perspectives” reden, seine eigene Handschrift im Filmemachen sozusagen, er wählt Perspektiven um die Atmosphäre möglichst vollumfassend einzufangen und dem Zuschauer so zu zeigen, als wäre man selber dort. Man ist oft so nah am Geschehen, dass man gerne zurückspringen möchte, wenn ein Rallye Gruppe B Bolide über die staubigen Kuppen heranspringt und im Drift an einem vorbeirauscht. Tatsächlich mischte sich Filmemacher Helmut Deimel oft mitten unter die Fans und rannte selber auch erst dann zur Seite, wenn die Fans von der Strasse wichen, Adrenalin pur!
Helmut Deimel zeigt aber auch viel Weitsicht, Landschaft und ruhige Momente, man sieht nicht immer nur die Fahrzeuge und die Fahrer sondern auch immer die Natur rund um die Strecke, die ganze Szenerie, es ist wie ein perfekter Dokumentarfilm, einfach für Rallye-Fans!

Die Ära der 500PS-Monster und Pickups
"Der Ritt auf dem Feuerball“ stellt die spektakuläre Action der über 500 PS starken Geräte in den Mittelpunkt und beleuchtet die rasante Entwicklung der Jahre 1983 bis 1986 im unnachahmlichen Stil des Österreichers. Deshalb fehlt keiner der legendären Fahrzeuge wie Audi Sport quattro S1, Peugeot 205 Turbo 16 E2, Lancia Delta S4, Ford RS200 oder MG Metro 6R4.
Der Film wäre aber nicht perfekt, wenn auch die weniger bekannten Protagonisten nicht erwähnt blieben. So hört und sieht man auch mal einen BMW M1, Renault 5 Turbo oder gar einen Peugeot 504 Pickup.
Nicht nur immer Vollgas
Die Chronologie der Ereignisse wird immer wieder durch thematische Exkurse aufgelockert wie das Scheitern der High-Tech in Afrika, den Gipfelsturm am Pikes Peak oder einen Ausblick auf die geplante Gruppe S. Neben der Action auf den Wertungsprüfungen behandelt Deimel auch die Technik und die Hauptdarsteller jener Zeit. Von Walter Röhrl und Ari Vatanen über die vier Gruppe-B-Weltmeister bis hin zu den Teamchefs Jean Todt und Cesare Fiorio – Deimel hat für seine Hommage an diese Ära mit allen wichtigen Protagonisten gesprochen.
Deimel auf der Motorhaube
Dass sich Helmut Deimel voll und ganz den perfekten Filmsequenzen verschrieb, erzählt die Geschichte, als um ein Haar das Ende seiner Dreharbeiten eingeläutet wurden. Es war an einer Kreuzung bei Nacht, Rallye Sanremo 1984. Helmut Deimel wollte die Zuschauermassen filmen, wie sie von den Scheinwerfern angeleuchtet wurden, wie sie vor Begeisterung tobten und wie schliesslich die Autos ins Bild drifteten.
Dabei machte er einen fatalen Fehler: Er stand mit dem Rücken zu den heranfliegenden Autos, neben ihm eine dichte Fanmauer. Vier Autos lang gab es keinerlei Probleme, die Aufnahmen waren toll, doch dann kam Jean-Pierre Nicolas im Peugeot 205 T16, stellte diesen etwas zu quer und erwischte den filmenden Deimel an den Kniekehlen. Er flog auf das Auto und zerschlug mit der Kamera die Windschutzscheibe. Da das Kreuzungstempo nicht mehr so hoch war, kam er mit einer leichten Gehirnerschütterung davon, die Kamera hatte Totalschaden. In der letzten Nacht der Rallye war Helmut Deimel aber bereits wieder filmend unterwegs, diesmal mit einer Leihkamera…
Der Reiz der ungezügelten Freiheit
Helmut Deimel meint dazu: ”Ich glaube, dass in unserer heutigen Zeit, wo alles geregelt und abgesichert scheint, eine gewisse Sehnsucht nach so wilden, zügellosen Zeiten geblieben ist. Das kann man ja auch an den vielen Extremsportarten sehen, wo junge Leute durchaus mit ihrem Leben spielen. Die allgemeine Freiheit, damals den Rallyesport geniessen zu können – übrigens auch den Rennsport – geht heute vielen Menschen ab. Die Servicepunkte waren in freier Wildbahn, nicht abgesperrt unter einem Zeltdach und dazu kamen eben Fahrerpersönlichkeiten wie Walter Röhrl, die man dort praktisch immer und überall ansprechen und um ein Autogramm bitten konnte.“ Und genau diese Freiheit hat der Filmemacher perfekt eingefangen und macht den Film so besonders.
Michèle Mouton meinte zu den Zuschauern entlang der Strecke: ”Beim ersten Mal dachte man: OK, diese Typen sind völlig wahnsinnig und ging auch vom Gas. Beim zweiten Mal dachte man: Aber die sind ja noch immer da! Und beim dritten Mal zwang man sich einfach sie zu vergessen und stellte sich vor, dass es Bäume waren oder eine Mauer.
Dass die Fans wirklich oft zu nahe den Fahrzeugen waren, bestätigt auch Juha Kankkunen: ”Zwei Finger wurden unter dem Lufteinlass im Heck gefunden. Diese Einlässe hatten scharfe Kanten und saugten die Luft zu den Kühlern und zum Motor. Die Leute haben einfach versucht, die Autos während dem Vorbeifahren zu berühren…”
Fazit
Obwohl der 100-minütige Film auch die tragischen Unfälle zur Gruppe-B-Zeit thematisiert, steht die Faszination im Vordergrund. „Der Ritt auf dem Feuerball“ ist keine Blutoper. Es ist ein Rallyefilm, der unter die Haut geht. Helmut Deimel wirft mit seinem Rückblick auf die Gruppe B ein paar Steine hinterher, aber eine ganze Menge Rosen.
Für Fans von Motorsport- und Rallye-Filmen ist dieser Film sicher das beste kleine Weihnachtsgeschenk.
Technische Informationen
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- Regisseur: Helmut Deimel
- Studio: Deimelfilm
- Format: 16:9, Stereo
- Laufzeit: 100 Minuten
- Sprache: Deutsch
Über Helmut Deimel
Helmut Deimel, geboren am 12. Dezember 1949, kommt in den 70er-Jahren zum Rallyesport. Er dreht als ehrgeiziger Amateur seine ersten Rallyefilme und beginnt eine kurze, aber erfolgreiche Beifahrerkarriere: 1978 wird Deimel als Beifahrer von Franz Wittmann Österreichischer Rallye-Staatsmeister. 1979 gründet er die Firma Deimelfilm und macht damit sein Hobby zum Beruf.
1980 wagt er den Aufbruch in die Rallye-Weltmeisterschaft und erstellt in Eigenproduktion eine Dokumentation über Walter Röhrls ersten WM-Titel. Der Film läuft im ORF als Vorschau auf die Rallyepremiere des Audi Quattro bei der Jänner-Rallye 1981 im Mühlviertel. Die Verantwortlichen bei Audi sind so begeistert von der Dokumentation, dass sie Deimel anheuern, die Rallye-Einsätze des Quattro zu dokumentieren. Der Österreicher begleitet die komplette Quattro-Ära im Rallyesport bis 1987 und siedelt dann zusammen mit Audi auf die Rundstrecke über – zuerst in die USA, dann in die DTM.
Nach zehn Jahren mit Audi wechselt Deimel 1991 zu Mercedes-Benz. Bis einschließlich 2013 dokumentiert der Wiener für Daimler alle Motorsport-Aktivitäten – von der DTM über die GT-Serie und IndyCars bis hin zur Formel 1.