2016 werden drei ganz spezielle Rennfahrerbiographien erscheinen: zu Brian Redman, Augie Papst und Ed Hugus. So what?
Teil der Rennsportgeschichte
Alle drei wurden zu ihrer Zeit nicht zu den absoluten Spitzenfahrern gezählt. Sie waren nichtsdestotrotz Bestandteil des internationalen Rennzirkus, vor allem bei den Rennsportwagen. Und: jeder für sich kann ein Alleinstellungsmerkmal vorweisen, das ihn in der Rennsportgeschichte verankert. Ed Hugus (30.06.1923-29.06.2006) war der erste Cobra-Fahrer überhaupt. Augie Papst (25.11.1933) holte den einzigen Sieg auf einem Lola Mk. 6, dem Blueprint für den Monocoque-Rennsportwagen. Und Brian Redman (09.03.1937), der jüngste von allen? Er galt zu seiner Zeit als der am meisten unterschätzte Fahrer. Und er fuhr mit oder gegen Mario Andretti, Jacky Ickx, Joseph Siffert, Pedro Rodriguez, Clay Regazzoni, um nur die vielleicht wichtigsten zu nennen. 1968, 1969, 1970 und 1972 war er Mitglied des Teams, das jeweils die Sportwagenweltmeisterschaft gewann und das auf Ford GT40, Porsche 908, Porsche 917K und Ferrari 312PB.
Beginn der Rennkarriere
Den Anfang der Trilogie macht Brian Redmans Buch, das er mit dem ehemaligen Rennfahrer Jim Mullen zusammen geschrieben hat. Seine Rennkarriere nahm Fahrt auf, als er ab 1965 Fahrer des Red Rose Racing Teams von John Bridges wurde. Sein erstes Auto war ein Jaguar E-Type Lightweight. 1966 folgte ein Lola T70 und 1968 ein Chevron B5. Dazu kamen einzelne Einsätze auf dem Ford GT40 des Privatfahrers Peter Sutcliffe in den Läufen zur Sportwagenweltmeisterschaft.
1968 war er Mitglied des Teams von John Wyer, das Ford GT40 einsetzte. 1969-1970 wurde er Werksfahrer bei Porsche (inkl. dem Werksteam von John Wyer 1970) und 1972-1973 bei Ferrari jeweils für die Rennen zur Sportwagenweltmeisterschaft.
Rennaktivität in amerikanischen Serien
Ab 1973 konzentrierten sich seine Rennaktivitäten zunehmend auf amerikanische Serien. Er wurde 1974-1976 drei Mal hintereinander Meister der amerikanischen Formel 5000 auf den Lolas von Jim Hall. Nach einem Unterbruch bedingt durch seinen dritten schweren Unfall fand er 1978 wieder Anschluss in der IMSA auf den Porsche 935 von Dick Barbour Racing. 1981 holte er sich auf Lola T600 von Cooke-Woods-Racing den IMSA-Titel. 1984-1986 fuhr er für Group 44 die IMSA-Jaguar und als Abschluss 1989 die Aston Martin AMR1 für das Werksteam in der Gruppe C.
Dagegen konnte Brian Redman trotz seiner unbestrittenen Fähigkeiten als Rennfahrer nie in der Formel 1 Fuss fassen. Er fuhr insgesamt 12 Rennen und erzielte als bestes Ergebnis einen dritten Platz im Grossen Preis von Spanien 1968. Es scheint als wäre er nie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen, wenn es um die Plätze in den Spitzenteams ging. Dass er 1968 Ferrari und 1970 Frank Williams einen Korb gab, erklärt diese Entwicklung zum Teil, aber sicher nicht ganz.
Rechenschaftsbericht
Nimmt man das Buch zur Hand, fällt sofort auf, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Biographie handelt, die chronologisch die Etappen einer Karriere noch einmal durchläuft. Die Titel der Kapitel lauten mehrheitlich nach den Namen von Rennstrecken oder von Rennserien: 1 The original Spa-Francorchamps, 2 Lancashire’s fastest mop deliveries, 3 The original Nürburgring, 4 The mind of a driver, 5 The Targa Florio, 6 Stories from the 1960s, 7 Le Mans: Le Heartbreaker, 8 Family matters, 9 Daytona International Speedway, 10 The 2-litre sports cars, 11 Formula 5000, 12 Stories from the 1970s, 13 My brief encounter with death, 14 Closure. Ausserdem fehlt am Schluss die übliche Tabelle mit allen Rennen oder wenigstens allen Siegen. Es empfiehlt sich deshalb, dieses Buch nicht als Biographie zu lesen, sondern als Rechenschaftsbericht. Der Status des Berufsrennfahrers (paid driver), der mit Rennenfahren seinen Lebensunterhalt verdient, ist dabei gewissermassen der Fluchtpunkt aller seiner Erzählungen und Überlegungen.
Zwei Etappen
Dabei unterscheidet er zwei Etappen. Die erste, von 1965-1975, die auch im Titel erscheint, umschreibt er mit „wagemutige Fahrer, tödliche Strecken“ (daring drivers, deadly tracks). Es war eine Periode, wo der Tod auf der Strecke allgegenwärtig war. Fahrer, denen er nahe stand, wie Frank Gardner, Joseph Siffert oder Pedro Rodriguez kamen damals ums Leben. Aber andererseits fuhr Brian Redman Frank Williams De Tomaso F1 kurze Zeit als Ersatz für den tödlich verunglückten Piers Courage.
Die zweite Phase ist für ihn wesentlich sicherer. Sein Überleben in St. Jovite 1977 verdankte er nicht zuletzt den Anstrengungen der Snell Memorial Foundation zur Verbesserung der Helme.
Distanz und Saufgelage
Das Leben als Rennfahrer war geprägt von diesem Umfeld. Redman hält Distanz zu seinen Kollegen, um sich emotional zu schützen. Die regelmässigen Saufgelage nach einem Rennen hatten für ihn die Funktion, die Angst zu ertränken. Er zeichnet ein Sittengemälde dieser Zeit, das durchaus problematische Seiten hat. Das zeigt sich am klarsten, wenn er seine Einstellung zum Leben mit der Einstellung seiner Eltern und des jungen Brian während der Zeit des Blitzkriegs im Zweiten Weltkrieg vergleicht. Durchhalten und Überleben war die Devise (Nur: er wählte diesen Zustand freiwillig, genauso wie seine Frau Marion, die am Schluss selbst noch zu Wort kommt).
Seine Berufswahl definiert Redman in einer gewissen Weise negativ: Rennenfahren war das, was er am besten konnte und einen Schulabschluss hatte er nicht. Treiber war das tolle Gefühl im Auto und auf dem Siegerpodest, das allfällige Zukunftsängste immer wieder vertrieb. Seine beiden Anläufe als Autoverkäufer verliefen nicht erfolgreich, so dass die beiden Entscheidungen, sich vom Rennsport zurückzuziehen, rasch revidiert wurden. Das Einkommen, das er als guter Fahrer verdienen konnte, reichte, um ein wohlsituiertes Leben führen zu können.
Mehrfacher Wiedereinstieg als einzige Chance
Kehrseite der Medaille war, dass man nach einem Unfall während dem Spitalaufenthalt kein Geld verdienen konnte. Brian Redman beschreibt deshalb die typische Karriere als eine Abfolge von aktivem Rennenfahren, Ausfall wegen eines Unfalls, Wiedereinstieg in den Rennbetrieb. Es ging also auch darum, möglichst rasch nach einem Unfall wieder Fuss zu fassen. Das galt schon allein deshalb, weil die Rennteams wie Porsche oder Ferrari im Kampf um Weltmeistertitel gleichermassen nach dem Ausfall eines Fahrers in Alternativen planten. Brian Redman hat diesen Zyklus zwischen 1965 und 1989 drei Mal durchlaufen.
Brian Redman verbindet mit seinem Buch das Ziel, das Dasein eines Profi-Rennfahrers in der Zeit von 1965-1975 darzustellen: „My objective in writing this memoir was to make readers feel what it was like to be a professional racer in a particularly dangerous era, using the experiences of my life in racing to provide personal insights into a wonderful, terrible decade. The book, therefore, is less about me than that consequential era when giants like Mario Andretti, Bobby Unser, Jo Siffert, Jim Hall, Pedro Rodriguez, John Wyer, Jackie Stewart, Enzo Ferrari and Jacky Ickx walked the earth”. Und seine Frau Marion doppelt nach, indem sie den Text als das Beste qualifiziert, was man über diese Periode des Rennsports erfahren kann, es sei denn, man sei dabei gewesen.
Der schreibende Rennfahrer Sam Posey hat einmal ein Portrait von Brian Redman gezeichnet. Es ist als Abschluss des Buches abgedruckt. Er thematisiert dabei, dass Brian Redman als der am meisten unterbewertete (most underrated) Fahrer galt und bezeichnet ihn als Champion. Es ist vielleicht bezeichnend, dass Redman die beruflichen Aspekte selber behandelt, die persönlichen aber Anderen überlässt. Ganz unbescheiden ist Redman dann aber auch nicht, wenn er feststellt, dass die amerikanische Formel 5000 zu seiner Zeit der Formel 1 sportlich überlegen war. Mindestens hatte er dort den späteren Weltmeister Mario Andretti zwei Mal in den Schatten gestellt.
Zum Nachdenken
Es ist ein nachdenkliches Buch und macht auch hin und wieder nachdenklich. Für Laien, die in der Zeitspanne 1965-1975 vor allem die Sportwagenweltmeisterschaft verfolgten, ist es sicher eine Antwort auf die eine oder andere noch offene Frage. Als direkt Involvierter kann Redman die Geschichten immer wieder aus eigener Anschauung erzählen. Etwa die schwierige Mise-au-point des Porsche 917 und die Produktion des Films „Le Mans“. Was das Buch zusätzlich wertvoll macht, sind die Angaben zu seinen jeweiligen Vertragsbedingungen und somit auch zu den wirtschaftlichen Hintergründen.
Es wäre interessant, einmal Kollegen wie Jacky Ickx, Tim Schenken, Jody Scheckter, Hans Stuck Jr., aber auch zum Beispiel Marc Surer über ihre Meinung zu diesem Buch befragen zu können.
Das grossformatige Buch ist mit vielen Bildern versehen. Die Seitengestaltung ist grosszügig und macht das Lesen sehr bequem. Die KorrektorInnen haben ganze Arbeit geleistet (was heute nicht mehr als selbstverständlich gelten kann).
Bibliografische Angaben:
- Titel: Daring Drivers, Deadly Tracks - A racer’s memoir of a dangerous decade: 1965 - 75 Autoren: Brian Redman mit Jim Mullen
- Verlag: Evro Publishing
- Auflage: 1. Auflage 2016
- Umfang/Format: gebunden, 235 x 280 mm, 300 Seiten, über 325 Abbildungen
- Sprache: englisch (als ISBN 978-2-36059-099-5 gibt es auch eine französische Version mit 208 Seiten)
- ISBN-13: 978-1-910505-10-6
- Preis: £ 50 / € 75 (ca.)
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