Ellen Lohr ist ein wohlbekannter Name in der Motorsportwelt. Schliesslich war sie die erste und bisher einzige Frau, die einen DTM-Sieg errang und sogar gegen Rennfahrerlegenden wie Michael Schumacher oder Klaus Ludwig antrat.
Erste Fahrt im Kart
Früh entdeckte Ellen ihre Faszination für Renn-Fahrzeuge. Ihr Vater Alfred besass eine eigene Karosseriebau-Werkstatt und war selbst ambitionierter Hobby-Rennfahrer. So kam es, dass Ellen bereits mit 12 Jahren an den Karts zu schrauben begann. Sobald sie 14 war, durfte sie sich dann hinters Steuer setzen. Wobei der erste Fahrversuch nicht sehr erfolgreich verlief. Mit Kissen hinter dem Rücken, damit die Füsse bis zu den Pedalen reichten gab sie Gas und landete unsanft in den Reifenstapeln und beschloss - Jetzt erst recht!
Im darauf folgenden Jahr, 1980, startete Ellen mit 15 bereits an ihrem ersten Kart-Rennen. 1983 bewies sie sich und errang den Titel „Kart-Landesmeisterin Nord-West“. Mit diesem Erfolg im Rücken startete Ellen 1984, inzwischen 20 Jahre alt, in der Formel Ford 1600. Das machte einige Leute auf das „schnelle Mädel“ aus Mönchengladbach aufmerksam. 1985 wurde sie Teil einer Nachwuchsaktion einer Motorsport-Zeitschrift und fuhr mit finanzieller Unterstützung ein weiteres Mal in der Formel Ford 1600 mit.
1987 sorgte sie beim Publikum für Staunen, als sie die Deutsche Meisterschaft in der Formel Ford gewann. Daraufhin fuhr Ellen in 1989 und 1990 im VW-Werksteam mit, wo sie unter anderem gegen Konkurrenten wie Michael Schumacher und Heinz-Herald Frentzen antrat.
Wenn die schnelle Ellen Männer überholt
Den männlichen Mitstreitern fiel es schwer zu akzeptieren, von einer Frau überholt worden zu sein. "Es ist schon deprimierend, von einer Frau in direktem Nahkampf so gedemütigt zu werden.", meinte der damals zwanzigjährige Rolf Steinberger. Und Michael Bartels gab zu: "Als Ellen das erste Mal neben mir auf der Strecke auftauchte, hab' ich vor Schreck das Schalten vergessen."
Auf die Frage, wie es für sie war, es als Frau in dieser Branche gegen die Männer aufzunehmen, meint Ellen Lohr: „Natürlich schwer und leicht. Schwer, da es bis heute eine männerdominierte Szene ist. Sowas wie eine gläserne Decke gibt es auch im Motorsport, bisher würde immer noch kein Teamchef auf eine Frau als Nummer 1 setzen. Leicht, da man die Ausnahme ist und damit alle Marketingaktivitäten leichter fallen.
Erfolg in der Formel 3
Das gelang ihr dann auch, im Mai 1990 beim internationalen Formel-3-Rennen im Rahmen des Formel-1-Grand Prix von Monaco. Souverän liess sie die Formel-3-Elite Italiens, Frankreichs, Deutschlands und Englands hinter sich, nur Laurent Aiello war einige Sekunden vor ihr im Ziel.
Für den Aufstieg in die Formel 3000 reichte es aber trotzdem nicht, der Traum scheiterte an mangelnden finanziellen Mitteln. Für eine Saison in der Formel-3000-Europameisterschaft musste ein Fahrer Sponsorengelder in Höhe von mindestens 1,2 Millionen Mark auftreiben. Und Sponsorensuche war, wenn eine Frau anklopfte, oftmals noch etwas härter als üblicherweise.
Das mit der Formel-1 war dann auch so eine Sache. 1994 gab es sogar ein Angebot, ein Sauber-Mercedes war sozusagen abrufbereit. Aber dann passierte in Monaco der schlimme Unfall, Karl Wendlinger raste beim Training zum Grand Prix in die Begrenzungsmauer der Hafenschikane. Der Österreicher lag mehrere Wochen im Koma, das für Ellen Lohr vorgesehene Auto war nicht mehr zu gebrauchen. Eine weitere Chance bot sich nicht.
Die Zeit bei der DTM
In den Jahren zwischen diesen beiden misslungenen Anläufen gab es aber auch einige Erfolge zu feiern. Ab 1991 fuhrt Ellen regelmässig in der DTM mit. Das AMG Mercedes-Benz-Team setzte sich 1991 somit aus Ellen Lohr, Klaus Ludwig, Fritz Kreutzpointner, Bernd Schneider und Kurt Thiim zusammen.
Am 24. Mai 1992 trat Ellen beim Rennsport-Festival Hockenheim sozusagen in den Ring, und schaffte, was noch keine Frau vor ihr fertig gebracht hatte. Sie gewann das DTM Rennen vor ihren Teamkollegen Bernd Schneider und Keke Rosberg. Ein geschichtsträchtiger Sieg! Darauf angesprochen erklärt Ellen Lohr: „Der Erfolg in der DTM bedeutet mit sehr viel, weil es danach keine Frau wiederholen konnte, das ist bis heute sowas wie ein Alleinstellungsmerkmal.“
Dieser Sieg kam aber nicht aus heiterem Himmel, immer wieder fuhr sie ganz vorne mit und errang insgesamt fünf DTM-Podestplätze. „Natürlich erinnere ich mich gerne an die Erfolge und die Podestplätze waren immer etwas Besonderes. Es gab aber auch dramatische Rennen, wie beispielsweise den zweite Lauf von Hockenheim am 24. Mai 1992, in welchem ich mit einem Riesenfeuer (gebrochene Ölleitung) ausgefallen bin. Solche Erinnerungen bleiben natürlich haften“, äusser sich Ellen Lohr.
Heute noch aktiv
Bis 1996 blieb Ellen eine stete Grösse in der DTM, aber ganz oben auf dem Podest stand sie nach ihrem Erfolg in Hockenheim nicht mehr. Beim Gedanken an Ihre Zeit bei der DTM meint Ellen: „Der Anfang, als junge Nachwuchsfahrerin mit Erfolg war natürlich super. Die letzten drei Jahre
mit relativ viel Teamorder und Vorjahresmaterial waren dagegen sehr hart.“ So liess sie dann 1995 / 1996 ihre Tourenwagenkarriere in der ITC ausklingen.
Dem Rennsport blieb Ellen allerdings weiterhin treu. Sowohl auf dem Asphalt als auch in der Wüste ist sie heute unterwegs. Als wiederkehrender Gast wird sie bei der Dakar-Rallye in Südamerika stets mit offenen Armen empfangen und auch an einigen Oldtimer-Events trifft man sie an.
Die meiste Zeit widmet sie aber zur Zeit der ETRC (European Truck Racing Championship), wo sie in der Saison 2016 den 9. Platz der Fahrer Gesamtwertung erreichte. „Ich bin Ende der Neunziger bereits einmal zwei Jahre in der Serie aktiv gewesen, ebenfalls als MB-Werksfahrerin. 2012, nachdem ich acht Jahre nicht mehr Rundstrecke gefahren bin, sondern nur Rallye und Offroad Rallye, bin ich dann nochmal schwach geworden“, so Ellen Lohr.
„Weder im Truck noch im Tourenwagen macht das Fahrer-Geschlecht einen Unterschied“, verrät uns Ellen, „die ganzen F1-Fahrer sind ja schliesslich auch besser klein und leicht, da kommt es nicht auf die Muskelmasse an, sondern eher aufs Training.“
Auch für alle Nachwuchs-Rennfahrer hat sie ein Empfehlung: „Das ist heute zwar schwieriger als zu meiner Zeit, da der Motorsport deutlich mehr vom Budget regiert wird. Was alle machen können, ist Englisch sprechen lernen und am besten noch eine weitere Fremdsprache dazu. Lernen sich selbst zu vermarkten und immer die Augen offen halten, um Kontakte zu knüpfen und sich ein Netzwerk aufzubauen, ist sehr wichtig. Wohlgemerkt: Gas geben und Leidenschaft setze ich eh voraus.“
Bereut Ellen Lohr etwas? Nein. Würde sie heute, wenn sie nochmals anfangen könnte, etwas anders machen? : „Ich würde nach Amerika gehen und Tonnen von Geld verdienen…“
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