Was der GP von Monaco für die Formel 1 und das 24-Stunden-Rennen von Le Mans für die Sportwagen, ist für die Liebhaber des historischen Rennsports das Goodwood Revival Meeting. Seit 1998, alljährlich an einem der ersten drei September-Wochenenden, verwandelt sich der Goodwood Circuit in Südengland zur einzigartigen Showbühne.
Auf der legendären Rennstrecke wird das Rad der Zeit jeweils um sechs bis acht Jahrzehnte zurückgedreht. Jeder ist Teil dieser theatralischen Veranstaltung, Fahrer wie Zuschauer und die vielen Helfer vor und hinter den Kulissen. Sehen und gesehen werden gilt hier genauso wie in Monaco und Le Mans, alles dreht sich um Rennsport, aber ohne das entsprechende Publikum käme er nie so zur Geltung. Was hier abgeht, ob auf oder neben der Rennstrecke, ist einzigartig und muss Insidern nicht mehr lange erklärt werden.
Auf keinem anderen Circuit auf diesem Planeten wird mit historischen Fahrzeugen schneller gefahren. Wobei historisch ein dehnbarer Begriff ist, reicht die Palette doch von wirklich alten und entsprechend kostbaren Wagen, GP-Motorrädern und Flugzeugen bis zu kompletten Neuaufbauten nach originalem Muster. Den pro Tag rund 40’000 anwesenden Zuschauern ist das egal, diese Fahrzeuge kommen optisch und akustisch mindestens so attraktiv daher wie zu jener Zeit, als von 1948 bis 1966 in Goodwood nationale Rennen und internationale Grossveranstaltungen über die Bühne gingen. 1998 von Lord March, dem Enkel des damaligen Circuit-Begründers Freddy March ins Leben gerufen, feierte das Revival am vergangenen Wochenende schon seine 20. Austragung.
Schwierige Verhältnisse am ersten Tag
Das kleine Jubiläum – 2018 wird 20 Jahre Goodwood Revival gefeiert – war einzig vom Wetter her kein grossartiger Jahrgang. Am ersten Tag stoppte der Regen erst im Laufe des Nachmittags, so dass die meisten Trainingsläufe auf nasser Strecke stattfanden. Und als sich die Fahrer am Freitagabend zum ersten Rennen aufstellten, goss es wieder wie aus Eimern...
Schwierige Verhältnisse also für die 27 Fahrerduos mit ihren GT-Fahrzeugen, wie sie bis 1962 in Goodwood zu sehen waren. Es trat ein, was der Schweizer Urs Müller schon im Qualifying festgestellt und fürs Rennen befürchtet hatte: „Die Jaguar E haben dank ihrer moderneren Hinterachse mit innenliegenden Bremsscheiben und Einzelradaufhängungen bei diesen Verhältnissen schlicht den besseren Grip als alle Ferraris und Aston Martins. Bei unserem DB4GT drehen die Räder auf der Geraden sogar im vierten Gang durch…“.
So setzte es dann nach einer Stunde nicht überraschend einen siebenfachen Triumph der Jaguar-Teams ab, angeführt von Jon Minshaw/Phil Keen. Le Mans-Rekordsieger Tom Kristensen übernahm den nahezu identischen E-type von 1961 seines schlecht gestarteten Partners nur an achter Stelle und brachte ihn dank seiner tollen Aufholjagd in der letzten Viertelstunde mit 11,2 Sekunden Rückstand auf den zweiten Platz.
Einzig Alain de Cadenet und Christophe Van Riet vermochten sich mit ihrem Ferrari 250 GT SWB als Achte einer Überrundung durch die Jaguar-Meute zu entziehen. Das wäre sicher auch Frank Stippler und David Franklin mit dem silbernen SWB des Schweizer Sammlers und Rennfahrers Arnold Meier gelungen, wenn ihnen – wie ein paar weiteren Konkurrenten – durch eine kuriose Safety-Car-Phase nicht eine volle Runde abhanden gekommen wäre...
Thomas Studer und Conrad Ulrich kamen mit ihrem gleichaltrigen Ferrari von 1961 mit zwei Runden Rückstand an 20. Position ins Ziel, Urs Müller mit Tochter Arlette im 1960er-Aston Martin 38 Sekunden dahinter als 22.
Sonnenschein am zweiten Renntag
Am Samstagmorgen zeigte sich das Wetter von seiner freundlichen Seite, erst im Laufe des Nachmittags setzte wieder Regen ein. Als erstes kamen die Zuschauer in den Genuss eines tollen Duells um den Sieg im Chichester Cup für Formel-Junior-Rennwagen mit Heckmotor und Trommelbremsen der Jahre 1958 bis 1962. Zeitweise wurden die Fights auch neben der Strecke ausgetragen, wobei Stuart Roach in einem Alexis-Ford Mk3 knapp vor Peter de la Roche in einem BMC Mk2 die Oberhand behielt. Mit 35 Sekunden Rückstand kam Ivo Goeckmann mit seinem Jolus-Ford auf den guten vierten Rang.
Die Fahrer von der Insel gaben auch im Madgwick Cup für kleinere Sportwagen von 1955 bis 1960 den Ton an. Auch hier wurden Grasnarben und Asphaltflächen neben der eigentlichen Piste rege benutzt, um Positionen zu gewinnen oder zu verteidigen. Den Sieg errang Miles Griffith in einem grandios bewegten Lotus-Climax Eleven vor den Kanadier Dion Kremer und dem zweitbesten Briten Ian Dalglish auf gleich motorisierten Lotus 17. Ralf Emmerling beendete die 14 Runden mit seinem Elva-Climax MkV an guter zehnter Stelle.
Drei kreischende MV Agustas
Ein beeindruckendes Intermezzo zwischen den Autorennen und automobilen Demonstrationen boten die wagemutigen Motorradpiloten mit ihren Maschinen bis 1966. Der kreischende Sound der MV Augustas, von denen gleich drei am Start standen, war ein akustischer Leckerbissen. Die schnellste MV schied im ersten Rennen bald in Führung liegend mit einem Defekt aus, worauf Ex-GP-Start Mick Grant als Zweiter zusammen mit Gary Johnson die italienische Fahne hochhielt.
Der Sieg im ersten Lauf ging an eine Matchless G50, im zweiten vom Sonntag an das britische Duo McWilliams/Fitchett, die mit ihrer Norton Manx 500 auch in der Addition (33 Runden) mit 13 Sekunden Vorsprung auf Johnson/Grant gewannen. Das beste der vier BMW-Duos bildeten die Siebtklassierten Klaus Ottlinger/Lothar Singer mit einer BMW Kaczor R50S von 1963.
Zwei packende Rennen mit Fünfzigerjahre-Tourenwagen
In zwei Läufen wird auch der Sieger der traditionellen St Mary’s Trophy für Tourenwagen ermittelt, die heuer den Autos aus den Fünfzigerjahren vorbehalten war. Im nassen Qualifying lagen die kleinen 1300er-Austin A40 gleich zu Viert voraus, wobei die britischen Tourenwagenstars Andrew Jordan, Rob Huff und Matt Neal geschlossen die vorderste Startreihe für das knapp halbstündige Rennen vom Samstag eroberten.
Auf trockener Unterlage dauerte es jedoch nicht allzu lange, bis Frank Stippler im mächtigeren und genauso spektakulär bewegten Jaguar MK1 alle “aufgeschnupft" hatte. So feierte der in Goodwood seit Jahren stets stark auftretende Deutsche einen weiteren Einzeltriumph, den das faire britische Publikum mit Applaus bedachte. Mit Jason Plato fuhr ein weiterer Tourenwagenstar im Austin A95 Westminster auf den zweiten Rang vor den beiden kleineren A40 von Michael Caine und Rob Huff, die sich ein begeisterndes Türfallenduell um Platz 3 lieferten.
Applaus erhielt auch Tom Kristensen, der nach einem Kupplungsdefekt ohne eine Trainingsrunde mit einem Ford Thunderbird aus der Boxengasse startete. Ein herabhängender Auspuff beendete die Aufholjagd des Dänen drei Runden vor Schluss, als er bereits im Rückspiegel der beiden um Platz 3 kämpfenden Austin A40 erschien.
Im zweiten Rennen vom Sonntag unter stark bewölktem Himmel klemmten sich die Besitzer selbst ans Steuer ihrer 50er-Tourenwagen und legten punkto Spektakel an der Spitze noch einen drauf. Mehrmals wechselte die Führung zwischen Mike Jordan im Austin A40 und Richard Meaden in dem am Vortag von Steve Soper auf Platz 6 gelenkten Alfa Romeo Giulietta Ti. Meaden behielt mit dem roten Italiener das bessere Ende für sich.
Der fünfte Platz hinter zwei Jaguar Mk1 reichte Nick Naissmith, um dank der guten Vorarbeit von Jason Plato am Samstag den Gesamtsieg vor Soper/Meaden einzufahren. Wegen eines nach der Zieldurchfahrt am Samstag aufgetretenen Defekt am Benzinsystem, den das Team offenbar nicht beheben konnte, trat Stipplers britischer Partner John Young am Sonntag nicht an.
Der erste Sieg für den Wahlschweizer Michael Ganz
In der Goodwood Trophy für Vorkriegsrennwagen waren die britischen ERA-Piloten im nassen Qualifying vom Freitag wie im (trockenen) Rennen vom Samstag eine Klasse für sich. Die zwei Schnellsten schieden kurz nach dem Start auf ölverschmierter Piste aus, da sie ihre English Racing Automobiles (ERA) nicht mehr in Gang brachten. So übernahm der erstaunliche Alta mit Gareth Burnett am Lenkrad das Kommando, das ihm bald Michael Gans in seinem ERA R1B entriss und es bei einsetzendem Nieselregen zu seiner eigenen Überraschung nicht mehr abgab.
„Ich hatte auf der verölten Strecke eine andere Linie gewählt und konnte so einige Konkurrenten überholen. Als es zu regnen begann, dachte ich, es sei alles vorüber, denn das ständig übersteuernde Auto war diffizil zu fahren. Ich habe mich dann zurückgehalten, ohne langsam zu fahren“, erklärte der gebürtige New Yorker mit Wohnsitz im schweizerischen Wollerau in einwandfreiem Deutsch, wie es zu seinem ersten langersehnten Sieg in Goodwood kam.
Mit einem besonderen Fahrzeug wartete Urs Müller in diesem Feld auf. Mehr als zehn Jahre dauerte die Restaurierung seines Maserati 6CM von 1938, den der Basler in Goodwood erstmals so zum Laufen brachte, dass er damit auch zu einem Rennen starten konnte. Diesen Rennwagen mit 1500er-Kompressormotor setzte einst die Scuderia Ambrosiana mit den legendären Piloten Luigi Villoresi und Franco Cortese ein. Als der ursprünglich rote Bolide in den Besitz des Brasilianers Graf Manuel de Teffé kam, nahm in dieser in seine Heimat mit, verlieh ihm die gelb-grünen Nationalfarben und gewann damit unter anderem den GP von Brasilia.
„Es ist ein Auto mit einer wirklich tollen Historie“, schwärmt der heutige stolze Besitzer.
Kein Wunder, ging er weder im nassen Training, noch bei einsetzendem Niederschlag im Rennen das geringste Risiko ein, machte aber als Zehnter in diesem 29 Wagen starken Feld trotzdem eine recht gute Figur. „Es war enorm rutschig. Der Maserati läuft hervorragend, aber ich habe noch nicht das richtige Vertrauen, weder ins Auto, noch in mich oder die Strecke bei diesen Verhältnissen. Es macht trotzdem enorm viel Spass.“
Vier Sekunden vor dem Schweizer fuhr Josef Otto Rettenmaier mit seinem Maserati 8CM als Achter über die Ziellinie, Klaus Lehr im Talbot-Lago Type 26C rund eine Minute später als 14.
Dominante Ford GT40 im Regen
Noch schwieriger waren die Bedingungen nach dem Gewitterregen für die Fahrer mit ihren PS-starken Sportwaren in der Whitsun Trophy. Acht (!) Ford GT40 und ein an zweiter sowie an zehnter Position stehender Lola T70 Spyder besetzten die ersten vier Startreihen.
Nach einem Unfall in der Startrunde gab zunächst das Safety Car das Tempo vor. Nach der Freigabe eilte der oft und überall siegreiche Silverstone-Renninstruktor Chris Ward zum ersten Platz mit knapp fünf Sekunden Vorsprung auf Nicholas Padmore. Als Dritter vermochte Mike Whitaker im offenen Lola wie im Training weitere vier Ford auf der nassen Strecke klar hinter sich zu lassen.
Kaum aus dem GT40 ausgestiegen, schwang sich Ward ins Cockpit eines Cooper-Jaguar T33, um das folgende Rennen der Sportwagen aus den Jahren 1952 bis 1955 (wie sie einst bei den Goodwood Nine Hours zu sehen waren) zu bestreiten. Auf der abtrocknenden Piste fand er diesmal in Landsmann Rob Hall auf einem Aston Martin DB3 seinen Bezwinger. Den Lorbeerkranz für den dritten Platz liess sich Richard Woolmer (HWM-Cadillac) umhängen.
Zwei Deutschsprachige auf dem Brooklands-Podest
Der erste Lauf des zweiten Renntags, der bis 16 Uhr nahezu trocken blieb, schien eine klare Angelegenheit für Patrick Blakeney-Edwards zu werden. Im Regentraining hatte der Brite mit seinem kleinen Frazer Nash Saloon „The Owlett“ den Zweitschnellsten im Feld der an die legendäre Zeit der Langstreckenrennen in Brooklands erinnernden Vorkriegswagen um glatte sieben Sekunden abgehängt. Nach wenigen Rennrunden musste er jedoch kurz die Boxencrew aufsuchen, die den 1500er-Motor mit einem kurzen Eingriff in den Vergaser wieder sauber zum Laufen brachte.