In der Oldtimer-Szene gibt es viele Veranstaltungen, die jeder kennt, von anderen hat man vielleicht am Rande einmal gehört. Und dann gibt es Anlässe, die man überhaupt nicht kennt. Einige dieser Unbekannten im Terminkalender gibt es allerdings schon seit mehreren Jahren oder gar Jahrzehnten und trotzdem wissen teilweise selbst die Fans aus der Region nicht Bescheid! Umso toller ist es, einen solchen Anlass, wie beispielsweise das 24-Stunden-Rennen für Enten (Citroën 2CV) in Spa-Francorchamps, zu entdecken und darüber zu berichten.
Das Entenrennen in Spa jeweils im Oktober
16. Oktober 2016 - Wer an diesem Wochenende mit dem Auto in der Nähe rund um Spa unterwegs war, wunderte sich gewiss über die hohe Dichte von Enten auf der Strasse, die Rede ist natürlich von den Citroën 2CV Fahrzeugen. Auch die Nummernschilder zeugten von europaweiter Präsenz: nebst Belgiern sah man viele aus England, Frankreich und Holland, hin und wieder ein Kennzeichen aus Deutschland, Luxemburg, der Schweiz und auch aus Schweden und Norwegen!
75 Teams starteten dieses Jahr in fünf Kategorien ins Rennen - ”Hybridwagen” mit BMW-Motor, ”Prototypen”, getunte und originale Enten und experimentelle Exoten wie beispielsweise die 2CV von Burton. Alle Fahrzeuge müssen zur Sicherheit mit Überrollbügel ausgerüstet sein. Jedes Team steht mit drei bis vier Fahrern und einem gut eingespielten Boxenteam, das dafür sorgt, dass alle technischen Abläufe reibungslos über die Bühne gehen, bereit. Die Fahrer wechseln sich während dem Rennen alle drei bis vier Stunden ab.
Das Rattern von 75 Enten-Motoren liegt in der Luft, das Rennen ist im vollen Gange und das Rahmenprogramm läuft ebenfalls. Trotz diesem vollen und abwechslungsreichen Ablaufs bleiben die Zuschauertribünen fast leer. Die Zuschauer scheinen alle einen der Fahrer oder der Helfer zu kennen und so auf den Anlass gestossen zu sein. Und wenn das nicht der Fall ist, sind sie richtige “deux chevaux”-Fans und höchstwahrscheinlich mit der eigenen Ente angereist.
Rollt ein Fahrzeug in die Boxengasse, entsteht geschäftiges Treiben. Sämtliche Abläufe wirken eingespielt. Tanken, Reifenwechsel, die Schnellreparatur an der Polyesterkarosserie: Alles scheint hundertfach einstudiert, so wie man es bei modernen Langstreckenrennen auch sieht. Wer kein eingespieltes Team hinter sich weiss, verliert wertvolle Zeit und riskiert Strafpunkte, denn in der Boxengasse wird jeder Schritt beaufsichtigt, von einem Amateurrennen kann hier also nicht die Rede sein!
Bei Wind und bei Regen, bei Sonnenschein und der Nacht fahren die Enten mit einem Schnitt von 100 km/h ihre Runden. Es wird auch nachts repariert, getankt und Fahrer gewechselt.
Die vielen Boxenstopps und die Genauigkeit der Boxenteams widerspiegelte sich dann auch im Resultat: 73 von 75 Teams erreichten nach 24 Stunden erfolgreich das Ziel und die beiden Bestplatzierten trafen mit unglaublich knappem Abstand von lediglich zwölf Sekunden im Ziel ein!
Auf das Podest kletterten die Teams CGS Racing Team, La Botte und GT Racing BNLL.
Und nur 23 Sekunden nach dem Zeiten rollte auch der Drittplatzierte nach 24 Stunden im Ziel ein. Die schnellste Runde fuhr das Team 2CV Passion Trapanelle in 3 Minuten und 19.597 Sekunden.
Zum Vergleich: bei den Spa Six Hours 2016 benötigte die schnellste AC Cobra Daytona Coupe 3:10.929, also nicht viel schneller als die schnellste Ente, der schnellste Ford Mustang 3:00.697, ein GT40 benötigte dann noch 2:45.704 und der schnellste historische Formel-1 Wagen (Williams FW07C) gerade mal noch 2:15.402. Im Vergleich zu andern Veranstaltungen geht es also zwar etwas langsamer zur Sache, aber das schmälerte die Spannung beim Enten-Rennen überhaupt nicht.
Lange Tradition seit 1985
Das Rennen der 2CVs in Spa gibt es bereits seit 31 Jahren. Aus einer verrückten Idee heraus organisierte der Santa Fe-Motorclub 1985 das erste Entenrennen und wurde dabei werkseitig von Citroën unterstützt. Die Veranstaltung kam damals beim Publikum und auch bei den Fahrern sehr gut an und so wurde diese Jahr für Jahr wiederholt.
Die Fahrzeuge wurden über die Jahre immer mehr modifiziert und bald zeichneten sich Nachteile für jene Teilnehmer aus, welche Ihre Enten möglichst originalgetreu hielten. Der Anlass verlor dabei ein bisschen seinen Reiz.
Im Jahr 2007 übernahm die Organisation namens ”2CV Racing Teams” die Verantwortung und führte vier Kategorien ein, eine davon (”Classic”) war für die 2CV in originaler Konfiguration reserviert. Der Anlass ist heute professionell verankert und erfüllt die offiziellen FIA Regeln des internationalen Sportgesetzes, im Rücken des lokalen Organisationsteams steht deshalb auch der RACB (Royal Automobile Club Belgium).
Der 2CV Racing Cup
Während dem ganzen Jahr werden 2CV-Rennen ausgetragen, welche alle zum 2CV Racing Cup gehören. Austragungsorte sind vor allem in Frankreich (Croix en Ternois, Chambley) und Belgien (Spa), ein Rennen findet traditionell auch in England (Anglesey in Wales) statt. Teilnehmer dieses Cups können zwischen zwei Meisterschaften wählen, die sich nur durch die Anzahl Rennen pro Saison unterscheiden. Innerhalb der 2CV-Racingteam-Meisterschaft ist das 24-Stunden-Rennen in Spa bereits das Saison-Finale. Teilnehmer der RACB-Meisterschaft treffen sich Ende Jahr dann nochmals beim 6-Stunden-Rennen auf der Rundstrecke von Chambley.
In Spa gibt es immer ein umfangreiches Rahmenprogramm, ein grosses 2CV-Treffen sowie ein Markt für 2CV-Ersatzteile. Wer bereits am Freitag anreist, hat vor Beginn des Rennens sogar die Gelegenheit, im eigenen 2CV über die Rennstrecke zu fahren!
Klares Reglement für beteiligte Klassen
Der Grossteil des Startfeldes besteht aus der klassischen Ente. Diese, mit unveränderter Karosserie, dürfen entweder ein 2CV oder eine Dyane mit dem Chassis Typ A sein und starten in der Kategorie “Classic”. Auch Federung, Bremsanlage und elektrische Ausrüstung müssen dem Original entsprechen. Das Reglement verlangt zudem auch ein absolut unverändertes Getriebe und lässt nur die originalen Motoren zu.
In den weiteren Kategorien darf verändert und auch mal gebastelt werden - zumindest solange es im Rahmen des 30-seitigen Reglements bleibt und unter der Haube ein Chassis Typ A vorhanden ist (2CV, Dyane, Ami 8).
So heisst es beispielsweise in der Kategorie «Ameliorée» (übersetzt ”verbessert”), dass man Nockenwelle, Zündung und Kühlung frei abändern darf, am Motorblock und an den Zylindern aber keine Änderungen vorgenommen werden dürfen.
Bei den «Prototypen» gibt es viel mehr Freiheitsgrade, hier dürfen Nockenwelle, Kurbelwelle, Kolben, Ringe, Zündung, Schmierung und Kühlung frei verändert werden, solange originale Bauteile von Citroën verwendet werden, die damals verbaut wurden.
In der Kategorie “Hybrid” starten Prototyp-Fahrzeuge mit einem BMW-Motor (R850 GS, R850 RT oder R850 C) und deutlich sichtbar modifizierter Karosserie.
Fast keine Grenzen existieren in der Klasse «Experimental», da darf es dann auch einmal ein überdimensionaler Diffusor sein.
Für alle Enten-Fans oder solche, die ein solches Rennen einmal live erleben wollen, besuchen am besten die offizielle Seite des Veranstalters oder folgen den Neuigkeiten auf Facebook . Das 24-Stunden-Rennen findet jeweils in der zweiten Hälfte des Oktobers statt. Der Termin für 2017 ist noch nicht festgelegt.
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Klaus D. Lehmann-Gräve