Karmann Gdschiha, so oder so ähnlich lautet oft der wenig fachkundige Ausruf beim Auftauchen des wohl klassischsten Autos aus Osnabrück. Jeder, der bis 1975 geboren wurde, kennt das als Coupé und als Cabriolet produzierte Käferderivat und kann es mit dem Namen Karmann verbinden.
Für die Osnabrücker wurde das Auto zum Markenzeichen, ganz so wie der Käfer für Volkswagen. Auch wenn vielen der Bewunderer wohl nicht bewußt war, dass dieser Sportwagen der Wirtschaftswunderzeit aus italienischer Feder stammte. Denn der für manch einen Deutschen schier unaussprechliche Nachname des Karmann wies auf die Ghia S.p.A Carozzeria in Turin hin, die wiederum für das Design dieses formschönsten Volkswagen der Nachkriegszeit verantwortlich zeigte. Das Design des 1955 auf der IAA vorgestellten Coupé war so überzeugend, dass wenig später (1957) ein ebenso zauberhaft aussehendes Cabriolet folgte.
Solitär in Blech
Doch das niedliche Kindchenauto Typ 14 schien den Karmännern zum Ende der Fünfzigerjahre zu brav und bieder. Das Design wollte weg von den barocken Rundungen und dem wenig progressiven Kindergesicht der einfachen Rundscheinwerfer. Zudem forderte das Marketing eine Abkehr von der Käfer “Monokultur“, bestand doch die Gefahr, dass Aufsteiger bei der Marke Volkswagen mangels Angebot nicht mehr fündig wurden und den nächsten Wagen bei der Konkurrenz kauften. Die Lösung war ein geräumigeres Coupé auf Basis der neuen VW-Mittelklasse, dem Volkswagen 1500.
Auf zu neuen Ufern
Karmann experimentierte ab Ende der fünfziger Jahre bereits mit Alternativen zum kleinen Karmann, stieß jedoch beim wichtigen Partner VW, allen voran Direktor Nordhoff, auf wenig Begeisterung. Für ihn stand fest, der Käfer sei ein zukunftssicheres Konzept, das eigentlich keine weiteren Modelle zur Absatzstärkung benötigte.
Erst der mit Hilfe von Ghia entstandene Prototyp des Typ 34 fand die Gnade des VW-Vorstands. Der um 14 Zentimeter in der Länge gewachsene Zweitürer kokettiert mit deutlich sichtbaren Anleihen an die große weite Automobilwelt. Die kam aus Amerika und bot mit dem nüchternen Stil, den Chevrolet bei der Karosserie der Corvair an den Tag gelegt hatte, eine interessante Blaupause für die künftigen Autotrends in Europa. Und als dann 1961 der große Karmann zu den Händlern rollte, sah er tatsächlich so aus, als sei er ein direkter Verwandter des Chevrolet.
Vor allem das Gesicht mit den vier Doppelscheinwerfern verlieh dem Karmann Ghia Coupé Eigenständigkeit und Dynamik. Dazu kam der lange Heckabschluss, der das Auto elegant und dennoch stabil wirken ließ. Selbstverständlich war unter der gerippten Motorhaube der Vierzylinder Boxermotor untergebracht, der es zunächst auf 45, später dann auf 54 PS brachte. Damit war in Sachen Sportwagen natürlich kein Staat zu machen, was schnell eine gewisse Ernüchterung der Kunden zur Folge hatte. Hinzu kam der Preis, der über dem des kleinen Karmann lag. Und am Ende fehlte auch die Cabrioletversion.
Karmann hatte zwar einen offenen Typ 34 entwickelt, kurz vor Stapellauf machte Volkswagen dann doch einen Rückzieher und es blieb bei einer kleinen Anzahl (acht oder neun) von Prototypen.
Verschollen in der Kleinserie
Während der preiswerte Typ 14 rund 20 Jahre lang erfolgreich im Programm blieb (362'601 Exemplare), fristete der große Typ 34 ein Schattendasein. Als Neuwagen zu teuer, dann schnell gealtert und schließlich ohne wesentliche Änderungen nach acht Jahren und 42'505 Fahrzeugen aus dem Modellprogramm gestrichen, blieb er ein Außenseiter.
Selbst in der letzten Hausse der Oldtimer passierte mit dem Typ 34 wenig. Die Preise auf dem Papier zogen zwar an, doch wirklich gehandelt wurde der große Karmann nicht. Doch warum nicht? Was macht das Auto so befremdlich, weswegen die Kenner Abstand nehmen? Wieso kann der kleinere Karmann die Massen mobilisieren, zumal auch er inzwischen im fünfstelligen Bereich rangiert. Liegt es an den schwachen Fahrleistungen, den viel zu teuren Ersatzteilen oder sind gar alle übrig gebliebenen Typ 34 in fester Hand? Ein Selbstversuch bringt Erstaunliches an den Tag und hinterläßt Fragen.
Romantik in Blech
Läßt man persönliche Erinnerungen zu beiden Fahrzeugen ausser Betracht, drängt sich schon beim Erstkontakt ein festes Bild auf. Der kleine Karmann ist mit seinen erotischen Rundungen für die Damenwelt wie geschaffen. Klar, es haben sich auch genug männliche Romantiker hinter dem meist weißen Bakelittsteuer eingefunden, doch so ein richtiger Männerwagen kann und will der Typ 14 nicht sein.
Als optimale Besatzung steigt vor dem geistigen Auge ein Damentyp im Audrey-Hepburn-Look aus. Elegant in Tweed gekleidet und mit dem typischen 60er Jahre Style. Eine Einordnung, die man auch bei Karmann bestätigt, sind in den zeitgenössischen Werbeanzeigen doch ausschließlich weibliche Schönheiten im oder am Karmann zu bewundern. Die sanften Rundungen der Kotflügel und die weichen Pastellfarben in denen der Typ 14 so gerne geordert wurde, runden das Bild vom charmanten Objekt der weiblichen Begierde ab.
Neuzeitliche Coolness
Der Typ 34 ist da anders. Schon sein mit vielen Kanten gespicktes Äußeres läßt die Herzen der Sportfahrer höher schlagen. Der große Karmann wirkt auf den ersten Blick fahraktiver und deutlich weniger verspielt. Der erwachsene Eindruck täuscht nicht, denn wer im Typ 34 Platz nimmt, fühlt sich komfortabel und luftig untergebracht.
Die großen Glasflächen, die gute Rundumsicht und das zumindest auf den Vordersitzen ordentliche Raumangebot sowie die zwei Kofferräume machen den Typ 34 zum idealen Partner auch auf längeren Touren. Im Typ 14 ist das Thema Platz ein Reizthema. Dazu kommt wegen des sanft auslaufenden Hecks eine Unübersichtlichkeit, mit der der Alltag zur Herausforderung wird. Und auch in der Ausstattung werden die Unterschiede deutlich. Der kleine Typ 14 hat nur ein Türschloß statt deren zwei und sein optionales Schiebedach kann nicht, wie beim Typ 34, elektrisch betätigt werden. Für wahren Luxus sorgen im großen Karmann dann die drei hübschen Rundinstrumente, das dünne Lenkrad mit dem verchromten Hupring und eine Holzfolie am Armaturenbrett.
Schicke Schale, lahmer Kern
Mit nur 30 PS startet der Karmann Ghia seinen Siegeszug um die Welt. Damals war dies ausreichend, um zumindest im Verkehr mitzuschwimmen, heute eine Herausforderung, denn so richtig vom Fleck kommt man nicht. Auch nicht in der leistungsgesteigerten Version mit dem ab 1960 erhältlichen 34 PS Motor. Und selbst der in der letzten Ausbaustufe angebotene 50 PS Motor mit 1,6 Litern sorgte 1974 nicht mehr für Begeisterung bei den Sportfahrern. Vor allem dann nicht, wenn die Dreigang-Automatik montiert ist. Es dauert es fast eine halbe Minute, bis die 100 km/h Marke erreicht wird.
Ähnlich verhält es sich beim Typ 34, dessen Motor zwar vier PS mehr leistet, dessen Fahrleistungen aber ähnlich beschaulich sind. Somit sind beide Modelle eher etwas zum Autowandern auf beschaulichen Nebenstraßen als zur täglichen Nutzung im Großstadtgewühl.
Einen Unterschied in den Fahrleistungen kann man also nicht feststellen, wohl aber einen in der Art des Reisens. Fühlt man sich im Typ 14 immer wie in einem besseren Käfer untergebracht, kommt im Typ 34 eine gänzlich andere Stimmung auf. Mag sein, dass dies dem polarisierenden Äußeren mit dem geringeren Bekanntheitsgrad geschuldet ist, doch auch der anspruchsvollere Innenraum, der verbesserte Geräuschkomfort und das ruhigere Fahrverhalten tragen ihren Teil dazu bei, sich im großen Karmann irgendwie besonders zu fühlen.
Er ist eben nicht „nur“ ein schönerer Volkswagen Käfer, den jeder kennt, sondern ein eigenständiger Sonderling, mit dem man garantiert bei jedem Tankstopp angesprochen wird. Die Höherpositionierung mag auch damit zusammenhängen, dass der Run der Hippies an dem Typ 34 komplett vorbeiging. Ein großer Karmann mit Flower Power Bemalung? Unvorstellbar. Da war der Typ 14 schon eher geeignet, genauso, wie zahlreiche Vertreter dieses Modells ihre letzten Runden auf Universitätsparkplätzen drehten.
Dass der Typ 34 etwas Besseres ist, wird aber auch bei der Restauration deutlich. Der im Vergleich zum Typ 14 deutlich komplexere Aufbau der Karosserie macht Blecharbeiten teuer. Hinzu kommen die horrenden Preise für die oft nur noch schwer aufzutreibenden Ersatzteile. Der Typ 34 stößt da in Bereiche vor, die bislang Modellen aus Zuffenhausen zugeordnet waren. Ein Niveau, das sich zunehmend auch in den Preisen für gut erhaltene Modelle der Baureihe wiederspiegelt. Gute Typ 34 sind selten und teuer, doch wer einmal die Fahrt in einem Modell wie unserem Fotofahrzeug genossen hat, wird gerne auf die große Alternative aus Osnabrück setzen.
Und welcher ist jetzt besser?
Ist der große Karmann eine Sünde, die es sich lohnt zu verkosten? Ja, meine ich, denn erst mit dem Kleid des Typ 34 tritt die ansonsten reizlose Großserientechnik des VW Käfer auf die große Bühne der Autowelt. So schön ein Typ 14 auch sein mag, besonders wird es eben erst, wenn die Verpackung stimmt. Das diese im Falle eines gut erhaltenen Typ 34 sündhaft teuer sein kann, sollte man nach Möglichkeit einfach ausblenden.
Typ 14 | Typ. 34 | |
---|---|---|
Hersteller | Volkswagen AG | Volkswagen AG |
Modell / Ausführung |
VW Karmann Ghia Coupé (Typ 14) |
VW Karmann Ghia 1600 L (Typ 34) |
Karosserie | Coupé, Stahl, 2 Plätze | Coupé, Stahl, 2 Plätze |
Motor (Benzin/Diesel) | 4 (Boxer-Vierzylinder) Heck, zentrale Nockenwelle, OHV, Einbaulage längs | 4 (Boxer-Vierzylinder) Heck, OHV, Einbaulage längs |
Hubraum (ccm) | 1584 | 1584 |
Leistung (PS) | 50 bei 4000/min | 54 bei 4000/min |
Drehmoment (Nm) | 106 Nm bei 2800 /min | 110 Nm bei 2200 /min |
Getriebe | Dreigang-Halb-Automatik | Dreigang-Automatik |
Antrieb | Hinterrad | Hinterrad |
Fahrwerk vorn | Kurbellenkerachse mit Kugelgelenken, 2 Federstäbe | Kurbellenkerachse mit Kugelgelenken, Federstäbe |
Fahrwerk hinten | Doppelgelenkwellen-Hinterachse, ein Querfederstab, Pendelachse | Doppelgelenkwellen-Hinterachse, ein Querfederstab, Längslenker |
Reinfen / Felgen | 5,6 S 15 ab 08/72 6,00 S 15 | 165 R15 4,5x15 |
Bremsen v/h | Scheiben (ab 1965) / Trommel | Scheiben (ab 1965) / Trommel |
0-100 km/h (sek.) | 24 | 25 |
Vmax (km/h) | 134 | 140 |
LxBxH (mm) | 4.140 x 1.634 x 1.330 | 4.280 x 1.620 x 1.335 |
Gewicht leer (kg) | 835 | 940 |
Verbrauch (l/100 km) | 12,5 | 8,0 |
Bauzeit (Baureihe oder Modell) | 1955-1974 | 1961-1969 |
Stückzahl (Baureihe oder Modell) | 362'601 | 42'505 |
Neupreis (DM) | 7512 (1969) |
9145 (1969) |
Neupreis (CHF) | 10'465 (1969) |
12'475 (1969) |
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