Kleinstwagen haben nicht nur auf der britischen Insel eine lange Tradition. Der Peel P50 wurde von 1962 bis 1965 auf der Isle of Man in kleiner Stückzahl produziert. Das Dreirad mit nur einer Tür erlangte Weltruhm, als Jeremy Clarkson, der Moderator der Auto-Show Top Gear, damit ins Büro beim Fernsehsender BBC fuhr – mit dem Lift!
Von der Eisenbahn zum Dreirad
Bereits 1957 startete der Lokomotiven-Hersteller Hunslet Engine Company mit einem ähnlichen Ansatz eines Microcars. Wenn man den überlieferten Geschichten zum Kleinstwagen "Scootacar" glauben darf, dann war die Ehefrau einer der Direktoren "schuld" an der Konstruktion. Sie beschwerte sich darüber, dass ihr Jaguar kaum in eine Parklücke passte und wünschte sich ein Fahrzeug, das einfacher zu parkieren war.

Eigenwillige Design-Methode
Das Design soll von von Henry Brown stammen. Er setzte sich auf ein Villiers-Moped und wies einen Assistenten an, den Grundriss einer Karosserie um ihn herum zu zeichnen. Die Kunststoffkarosserie war mit 1.52 Meter Höhe und knapp über zwei Meter Länge ein wahrer Strassenfloh und bekam aufgrund ihrer Form den Spitznamen "Telefonzelle".
Optimistische Fahrleistungen
Den Vortrieb übernahm ein luftgekühlter, 197 Kubikzentimeter kleiner Zweitakt-Einzylinder-Motörchen des Motorradherstellers Villiers mit immerhin knapp über 8 SAE-PS, welches den 228 Kilogramm leichten Scootacar bewegen musst. Die Kraftübertragung übernahm ein Viergang-Getriebe, das wie bei einem Motorrad, allerdings mit einem Hebel von Hand anstatt mit dem Fuss, geschaltet wurde.
Der Antrieb erfolgte auf das einzelne Hinterrad, gelenkt wurde mittels einer Lenkstange wie bei einem Motorrad. Als Höchstgeschwindigkeit gab der Hersteller 80 km/h an, was aber vermutlich nur die mutigsten und verwegensten Piloten ausprobiert haben dürften. Der Innenraum war für zwei Personen ausgelegt, wobei die Passagiere auf einer Sitzbank hintereinander sassen.
Überzeugte Fachpresse
Die Zeitschrift "The Motor" berichtete in der Ausgabe vom 24. September 1958 über den Scootacar: "Bezüglich der Leistung des Scootacar sprechen die Zahlen für sich. Die Beschleunigung von null auf 30 Meilen pro Stunde (48 km/h) haben wir mit beachtlichen 11.1 Sekunden gemessen. Wer sich nicht scheut, häufig zu schalten, ist problemlos mit 40-45 Meilen pro Stunde (64-72 km/h) unterwegs und ist dabei keinewswegs ein Verkehrshinderniss für andere. Als Höchstgeschwindigkeit konnten wir fast exakt 50 mph (80 km/h) erreichen.". Bemängelt wurde einzig der Verbrauch von 3.5-4.0 Liter, die sich der Villiers-Motor pro 100 Kilometer gönnte. Der Redaktor war aber dennoch sichtlich begeistert vom Dreirad-Scooter mit der "wetterfesten Karosserie" und berichtete von Wegstrecken über 150 Meilen (241 Kilometer), die er an einem einzigen Tag zurückgelegt hat. Auch das Fahrwerk wurde gelobt: "Entgegen erster Befürchtungen kann man den Scootacar recht flott um Kurven bewegen, die Strassenlage ist trotz nur drei Räder ausgezeichnet."
Der Plattformrahmen mit Einzelradaufhängung, senkrechten Führungsrohren und Schraubenfedern vorne und hinten mit einem Schwingarm und Armstrong-Federstossdämpfereinheit verrichtete seine Arbeit offenbar gut. Verzögert wurde mit einer hydraulischen Bremse auf die Vorderräder, während die Handbremse auf das einzelne Hinterrad wirkte.
Marathon nach Istanbul
Die Zuverlässigkeit und Stabilität testeten Nel und Peter Motte im Jahr 1960, als sie mit einem Scootacar über die damals schlechten Strassen des Balkans bis nach Istanbul reisten. Auf ihrem Abenteuer nahmen sie ein Zelt, zwei Luftmatratzen und Schlafsäcke, eine Schreibmaschine, eine Fotoausrüstung, ein Tonbandgerät, Küchenutensilien und einen Gaskocher mit. Ebenfalls an Bord waren einige Ersatzteile, persönliche Ausrüstung für drei Monate und vier Liter Motorenöl. Ihre Erlebnisse publizierten sie im Buch "Balkan Roads to Istanbul", das 1960 erschien.
Eine luxuriösere zweite Version
Die Erfahrungen der Reise flossen im selben Jahr in die Weiterentwicklung des Mark 2 De Luxe genannte Version ein, die Platz für drei Personen bieten sollte. Die Karosserie bekam eine Form, die eher an ein Automobil erinnerte als der Vorgänger und ein Jahr später gab es einen grösseren Zweizylinder-Motor mit 324 ccm, der eine Höchstgeschwindigkeit von schwindelerregenden 109 km/h versprach. Die Zeit der Microcars neigte sich aber dem Ende zu, und bereits 1964 endete die Produktion nach nur etwa 1000 gebauten Fahrzeugen.

Geteilte Meinungen
Wer nun findet, der kleine Strassenfloh würde seltsam aussehen, der ist sicher nicht alleine. Die Zeitschrift "auto, motor und sport" befand, der Kleinstwagen sehe aus "wie eine von beiden Seiten zusammengedrückte Isetta". Auch die Redakteure von "The Motor" waren in zwei Lager gespalten. Wer den Scootacar in der Testwoche nicht fahren konnte, bezeichnete ihn stets als "das Ding", alle anderen waren schlicht begeistert von dem kleinen Ei auf Rädern.
Kein billiges Vergnügen
Der Scootacar war mit einem Preisschild von GBP 287.- kein günstiger Spass. Der Kaufpreis würde teuerungsbereinigt aktuell rund CHF/EUR 8000.- entsprechen.
Heute werden diese Kleinstwagen an Auktionen bis zu CHF/EUR 40'000 bis 50'000 gehandelt, die meisten überlebenden Exemplare dürften in Museen anzutreffen sein. Die beiden gezeigten Scootacar MKI und MKII De Luxe wurden von RM/Sotheby’s anlässlich der Bruce Weimer Versteigerung im Jahr 2013 versteigert.
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