Wer in den Neunzigerjahren im Rallye-Sport auf den vorderen Plätzen mitfahren wollte, brauchte ein kompaktes Allradfahrzeug mit rennsportlich ausgerichteten Eigenschaften. Davon mussten 2500 Exemplare gebaut (und verkauft) werden. Mazda stellte sich ab 1991 mit dem 323 GT-R der Konkurrenz von Ford, Lancia und Toyota.
Dritte Generation
Bereits 1977 kam Mazda mit der ersten Generation des 323 auf den Markt. Ausgerüstet mit Vierzylinder, Heckantrieb und Heckklappe überzeugte mit günstigen Preisen und einer robusten Natur.
Im November 1980 kam eine komplett überarbeitete zweite Generation in den Handel. Der Heckantrieb war angetriebenen Vorderrädern gewichen, der Motor nun quer eingebaut, das Design deutlich modernisiert worden. Dies verschaffte dem Mazda in den Zulassungsstatistiken einen Sprung nach vorne.
Im Jahr 1985 dann erschien bereits die zweite Frontantriebsgeneration, die unter der Zielsetzung Evolution anstatt Revolution entstanden war. Mehr Innenraum und modernisierte Formen, sowie stärkere Motoren mit Turbolader und 16 Ventilen sollten den kompakten Wagen für die Zukunft rüsten.
Im November 1985 wurde dann in Tokio der “Fulltime 4WD” gezeigt, ein Mazda 323 mit permanentem Allradantrieb. Anders als bei der Konkurrenz, wo der Hinterradantrieb manuell zugeschaltet werden konnte, sorgte beim Mazda ein zentrales Planetengetriebe für die Lastverteilung und den Ausgleich der Drehzahlen bei Kurvenfahrt.
Und auch ein stärker Vierzylinder mit 140 Turbo-PS und Ladeluftkühlung wurde an der japanischen Autoshow gezeigt.
Als Mazda 323 4WD Turbo 16V konnte man den allradgetriebenen Heckklappen-Kompaktwagen dann etwa ein Jahr später auch kaufen, die 136 PS liessen den 1170 kg schweren Dreitürer in 8,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen und bis 198 km/h schnell werden. Es gab den Wagen in zwei Ausführungen (GT und GTX) mit Preisen um die 30’000 Franken oder DM.
Gegen Ende der Achtzigerjahren erstarkte der 323 GTX Formula 4 zu 166 PS, was nun für 210 km/h Spitze reichte. Ein Facelift und ein auffälliger Heckspoiler demonstrierten auch äusserlich die technische Potenz deutlich.
Mazda trat mit dem allradgetriebenen 323 auch bei Rallyes an, musste aber anfangs der Neunzigerjahre erkennen, dass man gegen die stetig weiterentwickelten und optimieren Evolutionsmodelle der Konkurrenz kaum eine Chance hatte. Um hier entgegenzuwirken entstand der GT-R.
Rennsportorientierte Optimierung
Der GT-R wurde auf der IAA im September 1991 dem Publikum präsentiert. Und er zeigte auch äusserlich, dass hier die Basis für Sporterfolge geschaffen werden sollte. Grosse Nebelscheinwerfer in der Frontschütze und zusätzliche Lufteinlässe auf der Motorhaube zeigten seine Bestimmung. Der Vierzylinder mit 1840 cm3, 16 Ventilen, zwei obenliegenden Nockenwellen, Turbolader und Ladeluftkühler leistete nun rund 185 PS bei 6000 Umdrehungen. Dies sorgte trotz auf 1258 kg angewachsener Masse für viel Dynamik, aber auch für einen nicht zu vernachlässigbaren Durst.
Im Innern wirkte der GT-R deutlich ziviler, die Unterschiede zu den günstigeren Varianten hielten sich in Grenzen.
Für DM 39’770 erhielt man die Basisversion, wer mehr Luxus (ABS, elektrische Fensterheber, Schiebedach) wollte, zahlte DM 3790 auf. In der Schweiz kostete der GT-R CHF 37’900.
“Big Turbo”
Mit 52 Millimetern Durchmesser verfügte der 1,8 Liter grosse Motor über einen relativ grossen Turbolader, der zwar eine hohe Leistungsbeute ermöglichte, aber auch ein zögerliches Ansprechverhalten verursachte.
Die Testfahrer waren sich untereinander diesbezüglich zwar nicht ganz einige, Thomas Voigt sprach in der Rallye Racing 11/1992 aber von einem deutlichen “Turboloch”:
“Nach dem Tritt auf das Gaspedal dauert es eine Weile, bis das grüne Symbol auf der Anzeigentafel maximalen ‘Boost’ signalisiert. Wer den 323 GT-R zügig vorantreiben will, muss sich stets im oberen Drehzahlbereich bewegen. Unterhalb von 4000 Touren schlafen die 185 Pferde, die dann aber umso schneller erwachen und sich wie wilde Hengste ins zeug legen – begleitet von einem Zischen des Turboladers und einer mächtig ansteigenden Geräuschkulisse.”
Je nach Markt schwankten die Leistungsabgaben des Vierzylinders zwischen 180 und 210 PS, das Drehmoment wurde mit 235 bis 250 Nm angegeben.
Mit 408 cm Länge und 169 cm Breite war der GT-R übrigens etwas voluminöser als seine schwächeren Brüder, mit 139 cm aber gleich hoch.
Auf Augenhöhe mit der Konkurrenz?
Michl Koch liess für “auto motor und sport” gleich drei Rallye-Evolutionsmodelle zum Vergleich antreten, der Mazda 323 GT-R musste sich dem Ford Escort Cosworth RS und dem Lancia Delta Integrale stellen und preislich hatte er seine Nase schon einmal deutlich vorn. Während nämlich der Ford satte DM 61’360 (CHF 52’900) und der Lancia DM 59’013 (CHF 49’800) kostete, blieb der Mazda selbst in der bereits erwähnten Luxusversion mit DM 43’880 (CHF 37’900) bescheiden.
Im Gegensatz zum Ford mit 1993 cm3 und 220 PS bei 1376 kg Leergewicht oder dem Lancia mit 1995 cm3 und 177 PS bei 1347 kg Leergwicht, überzeugte der Japaner trotz kleinerem Hubraum mit 185 PS bei 1258 kg. Damit schaffte er bei den Fahrleistungen den Mittelplatz (0 bis 100 km/h in 6,9 Sekunden, Spitze 218 km/h). Auch beim Testverbrauch musste sich der Mazda mit 15,2 Litern pro 100 km vom Ford mit 14,3 Litern schlagen lassen, während der Delta mit 15,7 Litern noch etwas mehr verbrauchte.
Innen war der Mazda der lauteste Wagen der drei, beim Bremsen musste er sich vom Ford nur knapp geschlagen geben.
Nur bei den Handlingsdisziplinen fuhr der Mazda hinterher, Ford und Lancia liessen sich mit weniger Aufwand doch noch etwas schneller durch die Pylonen bewegen.
Am Schluss schaute der zweite Platz hinter dem Ford heraus, kein schlechtes Ergebnis.
Den Mazda-Motor mochte Michl dabei durchaus loben:
“Im Fahrbetrieb zeigt dagegen der nur 1800 cm3 große Mazda-Motor die angenehmsten Umgangsformen. Seine Leistungsentfaltung kommt dem Grundsatz, daß sich auch ein guter Turbomotor möglichst so fahren sollte wie ein Saugmotor, noch am nächsten. Das typische Turboloch nach Lastwechseln ist zwar spürbar, aber die Leistungsentfaltung erfolgt mit steigender Drehzahl stetig und kalkulierbar, und das unterscheidet den Mazda auf angenehme Art von seinen Konkurrenten. “
Das Fahrwerk aber kritisierte der Testfahrer mit deutlichen Worten:
“Bei Mazda waren offen sichtlich an Vorder- und Hinterachse unterschiedliche Entwicklungsmannschaften beschäftigt, die sich auf keinen tragbaren Kompromiß einigen konnten. Während die Vorderachse noch straff gefedert mit sportlichem Einschlag über Unebenheiten kommt, wirkt die Hinterachse so hart und stößig, daß sie auf unebener Fahrbahn das Heck laufend auf und ab wippen läßt. Die Abstimmungsprobleme machen den Mazda nicht nur unkomfortabel, sondern auch tückisch, speziell wenn er Wechselkurven meistern soll. Schon die erreichten Geschwindigkeiten bei den Wedel- und Slalomversuchen deklassieren den Mazda, sie schildern aber nur einen Teil des erlebten Fahreindrucks. Der Mazda er reichte die gemessenen Werte nur unter hohem fahrerischem Einsatz. Jeden abrupten Richtungswechsel beantwortet der Wagen mit einem Ausbruchs versuch. Und nach Lastwechseln will das Heck sehr behutsam am Ausbrechen gehindert werden, damit sich kein heftiger Konter aufbaut.”
Ob diese kritischen Worte wohl die Schweizer Mazda-Werber dazu motivierten, folgenden Worte auf eine ganzseitige Anzeige zu schreiben?
“Sehr wahrscheinlich nichts für Bündner, Walliser und Jurassier: Aus welchem Kanton Sie auch immer kommen, wenn Sie einen nervösen rechten Fuss haben, ist der neue Mazda 323 GT-R, pardon, nicht ganz das richtige für Sie. Haben Sie Ihren Fuss aber bestens im Griff, sollten Sie mit ihm ein paar Proberunden drehen.”
Überschaubarer Erfolg
In der höchsten Rallye-Liga spielte der Mazda 323 GT-R keine grosse Rolle, da war die Konkurrenz zu gut aufgestellt. Auch im Verkauf – die Hälfte der Autos war für den deutschen Markt gedacht – liessen sich die 2500 geplanten Exemplare offenbar nicht absetzen. Man spricht heute von etwa 2200 bis 1994 gebauten Fahrzeugen, nur wenige davon dürften im originalen Zustand überlebt haben.
Umso überraschender ist es dann, wenn ein Exemplar mit keinen 10’000 km auf der Uhr auftaucht, wie jenes, das RM/Sotheby’s in der Open Roads Online Only Versteigerung zwischen dem 17. und 25. März 2021 versteigert.
Der Wagen mit Chassisnummer JMZBG83J200638983 soll auf EUR 35’000 bis 40’000 kommen, auch damit läge er deutlich unter den Preisen, die für gut erhaltene Lancia Delta HF Integrale Evo-Versionen oder den Ford Escort RS Cosworth bezahlt werden.
Ob er diesen Konkurrenten, die auch rallye-sportlich deutlich besser abschnitten, optisch das Wasser reichen kann, soll jeder für sich selber entscheiden.