Der Lotus Typ 22, ein Monoposto für den Einsatz in der Formel Junior, wurde im Januar 1962 auf der "Racing Car Show" in London vorgestellt, worauf in den Jahren 1962 bis '65 insgesamt 77 Autos gebaut wurden. Im Gegensatz zum Typ 20 aus dem Vorjahr wies der 22 einen steiferen Rohrrahmen mit weiteren stabilisierenden Elementen auf. Typisch für Lotus setzte der eigentlich für eine Einsteigerklasse gedachte Rennwagen die Latte einmal mehr ein deutliches Stück höher, was die Technik und das Handling betrafen. Ausser beim Motor und dessen Hubraum galt es im Prinzip kaum Abstriche gegenüber höheren Rennklassen zu machen.
Ein Beispiel: Alle vier Räder im Lotus-typischen "Wobbly-Web-Design" hatten nun 13 Zoll Durchmesser und waren mit Girling-Scheibenbremsen bestückt. Der Ford-Cosworth-Motor mit 1100 ccm, dessen Basis der Ford Kent lieferte, war mit Trockensumpfschmierung ausgerüstet und nach rechts geneigt eingebaut, um den Schwerpunkt tief zu halten.
Ein Zeugnisträger
Die Nummer 7 dieser 77 gebauten Autos ist ein beispielloser Zeugnisträger Schweizerischer Motorsportgeschichte. Jo Siffert, meist nur "Seppi" genannt, fuhr diesen Lotus 22 1962 für das Schweizer Nationalteam "Scuderia Filipinetti", das am 13. März 1962 vom Genfer Unternehmer und Motorsportenthusiasten Georges Filipinetti gegründet wurde. Dies war eigentlich eine Win-win-Situation, weil Filipinetti auf grossen Wunsch des Journalisten und Freundes Henri-Francois Berchet, der von Sifferts Talent so begeistert war, sich überhaupt erst zu dieser Team-Gründung hatte bewegen lassen.
Nachdem Seppi bereits seine Renngene auf zwei Rädern bewiesen hatte, sattelte der aus Fribourg stammende Siffert 1960 – nach einem kurzen Zwischenspiel auf einem Stanguellini – auf einen Lotus 18 und nun vier Räder um. 1961 bewies er sein Talent mit dem Lotus 20 und gewann die europäische Formel-Junior-Meisterschaft. Siffert, der sich jeden einzelnen Rappen für den Rennsport vom Mund absparen musste, war nun endlich da angekommen, wo er sich in seinen Träumen immer sah.
Als er im Herbst das Lotus-Werk in Cheshunt besuchte, um seinen Pokal der Formel-Junior-Meisterschaft entgegenzunehmen, bestellte er den hier gezeigten Lotus 22 mit der Fahrgestellnummer 7, in der Erwartung, dass er damit seine Monoposto-Karriere weiter vorantreiben würde.
Gleichzeitig nahm er die Hilfe von Georges Filipinetti, welcher junge Schweizer Fahrer unterstützte, dankend an. Siffert unterzeichnete einen mehrjährigen Vertrag, und Filipinetti bestellte auch umgehend einen Formel-1-Rennwagen: einen Lotus 21. Obwohl die Absicht bestand, diesen neuesten Lotus an einem frühen, nicht zur Meisterschaft zählenden Strassenrennen, dem Grossen Preis von Brüssel einzusetzen, war der Wagen – Lotus war eine höchst beschäftigte Firma – nicht rechtzeitig fertig.
Stattdessen wurde Sifferts Lotus 22 mit der Fahrgestellnummer 22-J-7 eingesetzt, aber mit einem 1500-ccm-Motor ausgerüstet, der von Colin Chapman geliehen wurde. Es ist anzunehmen, dass dies der einzige Lotus 22 ist, der für einen Formel-1-Wettbewerb homologiert wurde.
Der erste Formel-1-Einsatz des jungen Teams mit Siffert war ein Erfolg. Der Schweizer Neuling forderte zeitweise Stirling Moss heraus und beendete das Wochenende mit einem sechsten Platz in der Gesamtwertung – einem tadellosen Ergebnis – und dazu einem gestärkten Ansehen unter seinen neuen Konkurrenten.
Zwei Wochen später startete Siffert mit seinem Auto, nun aber wieder mit dem ursprünglichen 1100-ccm-Motor ausgestattet, beim Großen Preis von Wien. Nach seinem äusserst brillanten Formel-1-Debüt von Brüssel konnte Jo Siffert damit auf dem Flugplatz Wien-Aspern seinen ersten Formel-Junior-Sieg feiern. Vater und Sohn Ahrens mussten sich auf den Rängen zwei und drei dem Fribourger geschlagen geben. Und mehr noch: Seppi hatte die gesamte Konkurrenz mindestens einmal überrundet. Siffert befand sich damit in einer bemerkenswerten Form, und man konnte erahnen, dass die soeben begonnene Saison ihm noch so manchen Erfolg bieten würde.
In der Tat: Es folgten weitere Siege auf dem Circuito di Cesenatico in Italien und auf der Avus in Deutschland. Der grosse Preis der Nationen für Junior-Rennwagen auf der Avus war in zwei Läufe – einmal über zehn und einmal 15 Runden – eingeteilt, wobei das Schlussklassement aus dem Ergebnis beider Läufe erstellt wurde. In beiden Läufen war niemand Jo Siffert in seinem Lotus gewachsen.
Dem Schweizer gelang sein dritter Saisonsieg vor dem Österreicher Bardi-Barry auf Cooper und dem Deutschen Kurt Ahrens jun. auf Cooper. Siffert fuhr zusätzlich auch die schnellste Runde des Rennens mit 2:36,9 Minuten, was einem Schnitt von 190,4 km/h entspricht.
Im August 1962 startete Seppi mit dem Lotus 22 in seiner Heimat, um beim berühmten Bergrennen Ollon-Villars ebenfalls seine Klasse zu gewinnen. Dabei war gar nicht geplant gewesen, den Formel-Junior einzusetzen. Mit einer Zeit von 4:37,7 Minuten war Siffert damit allerdings schneller als beispielsweise Charles Vögele auf dem Lotus 19 Monte Carlo mit 2,5-Liter-Motor, Jim Clark auf Lotus 21 (von der Scuderia Filipinetti!), Heini Walter auf dem Porsche RS 60 usw. Aus diesem Grund hat die Leistung des Freiburgers besonderes Gewicht. Siffert musste mit dem Junior-Wagen des Filipinetti-Teams an den Start, da der ursprünglich für Jim Clark vorgesehene F1-Lotus mit Achtzylinder-BRM-Motor in Enna zerstört worden war, weshalb der Engländer den für Siffert bestimmten Lotus 21 von der Scuderia Filipinetti zur Verfügung gestellt bekam.
Für Jo Siffert und den Lotus 22 war Ollon-Villars aber der letzte gemeinsame Auftritt, denn Siffert stand der Sinn nach mehr: nach der Formel 1 – verständlich nach seinem Erfolg in der Formel-Junior.
Vom Lotus 22 zum Lotus 24
Jo Siffert erhielt kurz vor dem Rennen in Pau (nun für die Formel 1) nur einen halbfertigen Lotus 24 von Colin Chapman. Dazu kam, dass die meisten Bestandteile hinten und vorne nicht zusammenpassten. Einzelne Teile waren sogar bereits defekt, wie etwa die Ölpumpe, welche gleich ausgetauscht werden musste. Auch beim Triebwerk handelte es sich nicht um den vorgesehenen Motor, sondern um ein Aggregat, das wahrscheinlich früher als Testaggregat gedient hatte. Nach einem Tag und einer Nacht harter Arbeit von Seppi und seinen Mechanikern Piller, Oberson und "Bisule" (sein Spitzname) war der Lotus 24 kurz vor Abschluss des Trainings doch noch so weit, dass sich Siffert in den letzten Minuten mit nur vier Trainingsrunden für das Rennen qualifizieren konnte.
Im Rennen selbst überraschte Seppi wiederum mit seinem gekonnten Stil, doch behinderte ihn ein Bruch am Schaltgestänge, und er musste das Rennen im vierten Gang zu Ende fahren. Sein sechster Rang ist deshalb mehr als ehrenvoll. Siffert hätte sich jedoch mit einwandfreiem Getriebe um mindestens ein bis zwei Ränge besser klassieren können. Immerhin rettete er Chapmans Ehre und wurde nach dem Doppel-Ausfall der Werks-Fahrer Clark und Taylor bester Lotus-Pilot.
Vom GP Belgien konnte man in der Automobil Revue folgendes lesen: "Mit besonderer Spannung sahen die Schweizer dem Rennen von Jo Siffert entgegen. Dieser fuhr neben Lucien Bianchi (Lotus) eines der beiden einzigen englischen Fahrzeuge mit 4-Zylinder-Coventy-Climax-Motor. Siffert holte das Höchstmögliche aus seinem Wagen und wurde mit einem Gesamtdurchschnitt von 198,154 km/h Zehnter. Der Schweizer hielt ständig Trintignant im Auge, auf dessen Fahrt er auch sein ganzes Rennen basierte. Leider musste er noch kurz vor Schluss an die Boxen um Kraftstoff nachzutanken, weil man sich bei der Berechnung des Verbrauchs getäuscht hatte. Dadurch verlor er eine Runde und zugleich den neunten Rang, der dann an Bianchi ging."
Und zum GP Deutschland auf dem Nürburgring wurde geschrieben: "Besonders hervorzuheben ist die Leistung Sifferts (12. Rang), der bloss über einen 4-Zylinder-Motor verfügte. Er wurde im Schlussklassement zweitbester Privatfahrer. Von den Fahrern mit Vierzylinderwagen lag bloss der Südafrikaner Tony Maggs vor dem Schweizer, der mit einem letztjährigen Cooper einen erstaunlichen 9. Platz herausfuhr."
Leider zerbrach in Monte-Carlo 1963 nach diversen Pannen, Nicht-Qualifikationen und keinen zählbaren Ergebnissen die Freundschaft zwischen Siffert und der "Ecurie Filipinetti". Seppi kaufte sich aus dem Vertrag frei und machte ab sofort wieder auf eigene Faust weiter.
Dazu gibt es folgende Anmerkung seitens des Autors: "Dies war genau der Moment, wo die Freundschaft mit meinem Vater Josef Reinhard begann. Das erneute Scheitern in der Qualifikation (18. Platz bei nur 16 zum Rennen zugelassenen Startern) verwehrte ihm das dringend benötigte Startgeld, um die Heimreise zu finanzieren. Mein Vater gab ihm daraufhin das Geld, um wieder nach Hause zu kommen – eine Geste, die ihm Seppi nie vergessen hat."
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Die weitere Geschichte von 22-J-7
Dokumente im umfangreichen Begleitdossier des Lotus 22 zeigen, dass der Wagen, bevor er vom jetzigen Besitzer Christian Traber erworben wurde, zur Fahrzeugflotte des Rennfahrers Martin Hugi gehört hatte. Seit 1989 gehört Fahrgestellnummer 22-J-7 dem aktuellen Eigentümer. Artikel über den Wagen in der Automobile Revue enthüllen, dass der Wagen zu dieser Zeit mit einem Twin-Cam-Motor von Lotus ausgestattet war, der später wieder durch ein korrektes 1,1-Liter-Cosworth-Aggregat ersetzt wurde. Unter dem jetzigen Besitzer war der Wagen allerdings kein reines Museumsstück, obwohl er an vielen Orten ausgestellt wurde, so am OTM in Fribourg 2014 – auf dem Stand der Automobil Revue – und bei Veranstaltungen, bei denen Seppis Sohn Philippe Siffert – selbst ein bekannter Rennfahrer – am Lenkrad sass.
Eine gründliche, fotografisch dokumentierte Restaurierung durch Urban Fässler Racing aus Hinwil belegt, wie Sifferts Lotus bis auf den Rahmen zerlegt und gründlich restauriert wurde. Das Endergebnis ist eindrucksvoll, ebenso wie es die Ergebnisse auf der Rennstrecke waren! Der Lotus hat seine Palmares in der jüngeren Geschichte auf dem Autodromo Internazionale del Mugello, der Rennstrecke in Pau, im Donington Park und auf dem Nürburgring mit weiteren Auszeichnungen und Trophäen ergänzt und erweitert.
Rechnungen und Dokumentationen hinsichtlich der regelmässigen Wartung durch Fässler und die Graber-Sportgarage sind zur ununterbrochenen, belegbaren Historie des Autos vorhanden. Für einen Rennwagen ist dies nicht immer eine Selbstverständlichkeit.
Heute befindet sich der Lotus 22 in seinem vielleicht besten Zustand seit der Rennsaison 1962, als er in Formel-1- und Formel-Junior-Wettbewerben an den Start ging.
Zudem ist der Lotus ein idealer Einstieg in die höchsten Ebenen des internationalen historischen Wettbewerbs. Er kommt mit einem FIA-HTP daher, das bis Ende 2025 gültig ist. Vom "Chichester Cup" in Goodwood bis hin zu Veranstaltungen auf lokaler Ebene wird Jo Sifferts Lotus 22-J-7 überall ein gern gesehener Gast sein und jede Startliste nobilitieren – eine einmalige Chance! Denn das Auto wird anlässlich der ersten Auktion von Broad Arrow Auctions am 1. November 2025 im Hotel Dolder Grand in Zürich zur Auktion angeboten und wartet somit auf einen neuen Custodian, einen neuen Hüter dieses wichtigen Stücks Schweizer Motorsportgeschichte.




























































































































































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