In den frühen Sechzigerjahren übertrafen sich vor allem die amerikanischen Autohersteller mit immer ungewöhnlicher geformten Konzeptfahrzeugen, die sie oft bei italienischen Karosseriebauern erstellen liessen. Einer der kreativen Köpfe hinter einigen dieser Showcars war Virgil Exner, der für Chrysler arbeitete. Einer dieser Wagen war der Plymouth XNR , der mit seiner Bezeichnung den Schöpfer (E)XN(e)R direkt referenzierte.
Bei ihm handelte es sich um eine sicherlich aufregend, aber nicht unbedingt ästhetisch geglückte Studie, die bewusst asymmetrisch daherkam, technisch mit seinem Reihensechszylindermotor und der Chrysler-/Plymouth-Valiant-Basis aber eigentlich ziemlich brav blieb.
Bei Ghia erhoffte man sich den Auftrag für eine grössere Serie, schliesslich hatte die Chrysler-Konkurrenz ja den Thunderbird oder die Corvette auch in grösseren Mengen hergestellt. Doch so mutig waren die Chrysler-Manager nicht.
Anstatt aber zu verzagen, schoben die Ghia-Leute gleich eine weitere Studie hinterher, die man sozusagen als gezähmten XNR interpretieren konnte.
Vom XNR zum Asimmetrica
In Turin zeigte Ghia erstmals den “Asimmetrica” und zwar auf blankem Metall und schwarzen Teppichen, was den ausgestellten Traumwagen besonders gut zur Geltung brachte.
Trotzdem waren die Kommentare in der Presse nicht sehr positiv. Die Automobil Revue formulierte dies noch relativ zurückhaltend:
“Wie schon früher, so bringt auch dieses Jahr Ghia eine absonderliche Schöpfung. Der Sportwagen «Asimmetrica» ist eine Karosseriestudie für einen zweisitzigen Sportwagen auf der Basis des Chrysler Valiant. Die Asymmetrie besteht darin, dass eine von der linken Seite der Motorhaube ausgehende Wölbung den Passagiersitz mit einbezieht, während der Mitfahrersitz frei bleibt.”
Offenbar waren die AR-Redakteure nicht begeistert, denn in der Bildunterschrift schrieben sie: “… eine Studie ohne ersichtliche Bedeutung”.
Die Zeitschrift Auto Motor und Sport beschrieb den Wagen als “eine nicht ganz einleuchtende Studie einer Roadster-Karosserie für einen Chrysler Valiant, bei der die Motorhaube von vorn nach hinten asymmetrisch aufgebaucht ist”.
Wenn sich Ghia tatsächlich ausgemalt hatte, dass man mit der 1961 in Turin gezeigten Studie der Serienfertigung einen Schritt näher war, dann hatte man wohl falsch gerechnet.
Vom Asimmetrica zum St.-Régis
Also baute man bei Ghia weiter. In Genf konnte man dann im März 1962 neben dem erneut auf dem Ghia-Stand präsentierten Asimmetrica auf dem Chrysler-Stand das Coupé St. Régis zeigen.
Dieses Coupé erhielt dann auch eine deutlich positivere Bewertung in der Automobil Revue:
“Die diesjährige Neuheit von Ghia befindet sich auf dem Stand der Marke Chrysler, mit welcher dieser Turiner Karossier schon seit vielen Jahren eine enge Zusammenarbeit pflegt. Es ist dies das in unserer zweiten Salonnummer bereits gezeigte Coupé St-Régis, das in seinem Stil als gezähmte Ausführung des etwas verrückten Spider Asimmetrica angesehen werden kann, der übrigens auch in Genf zu sehen ist. Dieses neue Coupé soll in der kleinen Serie in den Rotterdamer Montagewerken von Chrysler hergestellt werden. In seiner schlichten, scharf akzentuierten und von übermässigem Zierat freier Form könnte dieser Wagen sicher einen gewissen Publikumserfolg erzielen, sofern seine zum Teil noch allzu messerscharfen Kanten etwas abgeschliffen werden.”
Weniger positiv beurteilte Auto Motor und Sport den neuen Entwurf:
“Bei Ghia findet der „Asimmetrica" auf einem Chrysler-Valiant-Chassis Auferstehung — man ist versucht, hier die philosophische Definition der Asymmetrie als ungelöste seelische Spannungsverhältnisse anzuerkennen. Auch Ghias St. Régis-Coupé auf Dodge-Lancer-Chasis, eine offenkundige ‘Was soll’s’-Schöpfung, lässt bei einfachen Gemütern den Wunsch wach werden, die Karosseriekünstler mögen die Unordnung in der Welt nicht noch vergrößern”.
Aus der Serienfertigung wurde dann allerdings doch nichts.
Von Salon zu Salon
Der Asimmetrica wurde u.a. in Turin 1961 und in Genf 1962 gezeigt.
Die Technik hatte er von einem Valiant V100 Viertürer, ursprünglich im Jahr 1960 in Hamtramck gebaut, erhalten. Dies bedeutete knapp über hundert PS, die der um 30 Grad geneigte Motor aus 2,8 Litern Hubraum bei 4400 Umdrehungen entwickelte. Die Kraft wurde über eine Dreiganghandschaltung auf die Hinterachse übertragen, die wie üblich als Starrachse ausgebildet war, während die Vorderräder von oberen Dreieckslenker und unteren Querlenkern einzel geführt wurden.
Interessanterweise weist der Wagen heute eine in Deutsch formulierte Chassisplakette für die Schweiz auf und dies hat gute Gründe.
Vom Salon zum Romanschriftsteller
Verkauft wurde der Ghia Asimmetrica, der auch Plymouth Asimmetrica genannt wird, nämlich in die Schweiz und zwar an einen gewissen Georges Simenon, dessen Roman-Kommissar Jules Maigret es nicht nur zu Ruhm in der Literatur brachte, sondern auch mehrfach die Hauptrolle in Kriminalfilmen und Fernsehserien spielte. Die Tantiemen verschafften dem gebürtigen Belgier Simenon einigen Reichtum, den er gerne wieder unter die Leute brachte. So bewohnte er noble Häuser und auch das Schloss Echandens in der Schweiz, die er ab 1957 als seine Heimat ansah. In seiner Einfahrt parkten immer wieder aussergewöhnliche Autos und da passte der Ghia Asimmetrica natürlich bestens dazu.
Unter dem Hammer
Nach einer umfangreichen Restaurierung steht der nun rote Wagen nun anlässlich der Versteigerung von RM/Sotheby’s in Monterey am 24. und 25. August 2018 zum Verkauf. Zwar entspricht er nicht mehr in jedem Detail der 1961 gezeigten Ausführung, der Charakter des Entwurfs kommt aber gut durch und die Farbe steht dem vor allem im Profil eleganten Wagen gut.
Angeblich soll er ohne Mindestpreis verkauft werden und eigentlich wäre es schön, wenn das Auto wieder nach Europa zurückgelangte, wäre es doch sicherlich eine interessante Ergänzung manches hiesigen Concours d’Elégance.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 47 / 1961 vom 02.Nov.1961 - Seite 3: Turiner Autosalon 1961
- auto motor und sport / Nr. 24 / 1961 - Seite 18: Turiner Autosalon 1961
- AR-Zeitung Nr. 14 / 1962 vom 21.Mrz.1962 - Seite 19: Genfer Autosalon 1962
- auto motor und sport / Nr. 8 / 1962 - Seite 23: Genfer Autosalon 1962
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aber es taucht die Frage auf: muss ein Auto zwingendermassen
symmetrisch sein? - und wenn ja, weshalb?
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