Im niederländischen Buren (Provinz Gelderland) hat seit November 2022 das "Museum Visscher Classique" seine Pforten geöffnet. Gezeigt werden rund 80 Jahre Automobilgeschichte mit dem Schwerpunkt auf französische Marken. Dies wiederum hängt mit der Familiengeschichte des Museumsgründers Henk Visscher zusammen. Dessen Vater hatte seit 1961 eine Vertretung für Simca, zu der in der Folgezeit noch die Marken Peugeot und Citroën hinzugekommen sind. Später übernahm Henk den väterlichen Betrieb und begann, eine Autosammlung aufzubauen.
Nach jahrzehntelangem Berufsleben als Autohändler fasste er vor zwei Jahren den Entschluss, den Betrieb zu verkaufen und sich einem neuen Lebensthema zuzuwenden: einem Automobilmuseum. In drei Hallen mit einer Gesamtfläche von 3200 qm sind rund 150 Autos – überwiegend Oldtimer aus der Nachkriegszeit und Youngtimer – und etliche Zweiräder ausgestellt. Zum Museum gehören ferner eine Brasserie, eine Bibliothek, ein Archiv und ein Shop. Auch an junge Besucher wurde gedacht: so gibt es zum Beispiel einen Rennsimulator. Bereits am Eingang wird der Besucher auf die Geschichte der Mobilität eingestimmt, die anhand eines Zeitstrahls veranschaulicht wird.
Im Museum begrüsst der humorvolle Museumschef den Berichterstatter auf Deutsch mit einem kleinen Gedicht von Goethe. Zeit also für einen Museumsrundgang. Dabei kann man nicht nur automobile Delikatessen entdecken, sondern vor allem ein einzigartiges Spektrum der französischen Automobilproduktion erleben. Dies macht die Sammlung von Visscher automobilhistorisch wertvoll. Die Exponate sind sehr gepflegt; die Raumdekoration passend abgestimmt. An vielen Autos finden sich QR-Codes für weitergehende Informationen zu den Fahrzeugen.
Doppelwinkel
In der Halle 1 sind Autos von Citroën und Peugeot sowie zwei Panhards und ein Maserati untergebracht. Hier steht auch das älteste Auto der Sammlung: ein Citroën B 12 von 1927 neben einem C 4 1932. Über einen 11 CV gelangen wir zur DS, die mehrfach – auch als Cabriolet – vertreten ist. Die Reihe der grossen Modelle geht weiter über CX und XM, den C6 bis hin zum spektakulären SM aus der kurzen Liaison mit Maserati. Dieser steht folgerichtig neben einem Verwandten: einem gelben Maserati Bora. Am unteren Ende der Modellpalette gibt es natürlich einen 2 CV 6 nebst diversen Ableitungen, so einen Méhari, eine Dyane und einen Ami 6. Auch der Wellblech-Lieferwagen HY fehlt nicht. Sogar einer der wenigen Überlebenden des Citroën-Wankel-Experiments M 35 steht hier: Die Nr. 470, eines der letzten produzierten Fahrzeuge.
Löwe
Kommen wir nun zu Peugeot und zwei Autos der 1930er-Jahre, die wegen ihrer hinter dem Kühlergrill versteckten Scheinwerfer unverwechselbar sind: Zu einer geräumigen Limousine des Typs Peugeot 402 B (1936) gesellt sich ein ansehnliches schwarzes Exemplar, ein zweitüriger 402 BE von 1939. Das elegante Auto kommt ohne B-Säule aus und verkörpert den Art-Déco-Stil in Reinform. Die ersten Nachkriegsjahrzehnte von Peugeot werden umfassend abgebildet: Es gibt Limousinen, Cabriolets, Kombis, Kleinlaster oder Lieferwagen aller Baureihen. Erwähnt werden soll hier stellvertretend ein Cabriolet der Reihe 403, bekannt aus der Fernsehserie Columbo – doch dessen Gefährt lag sicher einige Zustandsnoten darunter!
Der nachfolgende Typ 404 ist gleich in mehreren Varianten vertreten, ebenso der 504 inklusive der von Pininfarina gestylten Coupés und Cabriolets. Auch die Alltagsautos späterer Jahre wie 104, 305, 106, oder 405 findet man. Den Typen 205 und 309 ist sogar eine eigene Abteilung vorbehalten. Kommen wir zur ersten "Doppelnull" von Peugeot, dem erfolglosen Typ 1007. Trotz der grossen Schiebetür und kompakter Aussenmasse wurde dieses seniorengeeignete Modell seinerzeit nicht goutiert.
Beenden wir den Ausflug in die Welt der Peugeots mit dem grossen Sechszylinder des Typs 406 aus dem Jahr 2000. Eine Abrundung sind sicher auch die beiden Panhard in Halle 1. Mit ihren luftgekühlten Zweizylindermotoren und erstaunlichen cw-Werten wirken sie aus heutiger Sicht etwas exotisch.
Pentastar und Schwalbe
Sieht man von den Exponaten des Burener Abschleppunternehmens "van der Zand" ab, ist Halle 2 den Marken Matra, Simca, Chrysler sowie Talbot gewidmet. Es ist ein grosser Verdienst von Henk Visscher, derart viele Autos dieser Marken überhaupt zu präsentieren. Bemerkenswert ist, dass er auch "Allerweltsautos" bewahrt hat, die üblicherweise verbraucht wurden und daher heutzutage fast ausgestorben sind. Die Zeitreise beginnt mit einem Simca 6, einem Lizenzbau des italienischen Fiat 500 C.
Amerikanische Wurzeln hat die noch von Ford France entwickelte und mit einem 1,3-Liter-Motor untermotorisierte Ariane 4. Das Museum zeigt ein schönes, zweifarbiges Exemplar. Auch die Aronde mit ihren italienisch anmutenden Formen fehlt nicht. Attraktiv ist auch ein hellblaues Exemplar des Simca 1000, der seinerzeit in der Ära der kleinen viertürigen Heckmotorautos recht erfolgreich war. Formschöne Ergänzung dazu sind die von Giugiaro im Dienst von Bertone gezeichneten Coupés Simca 1000 (1965) sowie 1200 S (1967), letzterer ein richtiger Sportwagen. Recht flott unterwegs war man Mitte der 1970er-Jahre auch mit den optisch auffälligen Simca 1000 Rallye 1 und Rallye 2, die ebenfalls gezeigt werden. Mittelklassemodelle der 1500/1501er-Reihe sind ebenso zu sehen. Seinerzeit wegweisend, wenn auch heute fast vergessen, war der fünftürige Simca 1100 mit Schrägheck und Heckklappe.
Die spätere Ära der Marken Talbot und Chrysler-Simca brachte eher weniger erfolgreiche Modelle hervor. Bei Visscher allerdings sind der Talbot Samba, der 1308 oder der Simca-Chrysler 2 Litres noch zu finden. Sehr sportlich allerdings ist auch der Talbot Sunbeam Lotus von 1982. Auch die Marke Matra ist hier vertreten. In Buren sind der Matra-Bonnet Djet ZS (1965) und der eigenwillig geformte 530 LX (1970) ebenso zu sehen wie die selten gewordenen Dreisitzer Matra-Simca Bagheera und Murena. Doch Matra ist auch im Zusammenhang mit Renault von Bedeutung. Folglich zeigt das Museum einen Renault Espace der ersten Serie sowie das wirtschaftlich desaströse, aber höchst originelle "Van-Coupé" Avantime.
Rhombus
Apropos Renault: Hier kommt die Halle 3 und Museumsgründers Bruder Chris ins Spiel. Dieser hat einen Teil seiner Kollektion von Boliden der Marke Renault und Renault-Alpine ausgestellt, was ein Thema für sich wäre. Nur soviel: Gezeigt werden die klassische Alpine A 110 nebst ihrer Neuinterpretation, eine stark verbreiterte A 310 sowie diverse Renault 5 Turbo und ein Renault-Formel-1-Rennwagen, allerdings ohne Motor. Ein weiterer Teil dieser Halle ist ausschliesslich für die Peugeot-Modelle 205 und 309 reserviert, besonders das Modell 205 wird in verschiedensten Spielarten gezeigt. Noch im Drehgestell eingespannt ist die Rohkarosserie der Nummer 113 von 200 gebauten Peugeot 205 Turbo 16 für die Homologation der Gruppe B. Sie soll demnächst wieder zu einem Rallye-Wagen aufgebaut werden. Weiterhin sind im Museum zwei einzigartige Kombis zusehen: nämlich der vom Belgier Benoît Contreau entworfene Prototyp des 205 "Nepala" (1988) und der Prototyp Peugeot 309 Break von Heuliez aus demselben Jahr.
Blitz
Das Museum präsentiert aber nicht nur französische Marken, sondern auch Autos von Opel. Passt schon, denn heutzutage sind Peugeot, Citroën und Opel ja unter dem Dach von PSA vereint. Die kleine Opelsammlung ermöglicht einen guten Überblick über die Nachkriegsproduktion bis in die 1980er-Jahre. Die Bandbreite reicht von einem Olympia Rekord von 1953 über einen Rekord Ascona (1958), Kadetten verschiedener Formen und Baureihen und einen goldenen GT bis hin zu einem Monza GS/E. Ansprechend ist auch ein Rekord L 1900 Coupé von 1972 in bronzemetallic.
Beenden wir den Rundgang mit einem Ausblick. Die Sammlung ist im steten Wandel: Wenn Exemplare mehrfach vorhanden sind, werden die Dubletten auch schon mal verkauft. "So habe ich zum Beispiel vier Peugeots des Typs 404. Das sind zu viele. Und auch von einem der beiden Citroën C6 will ich mich trennen. Dafür kommt aber bald ein Talbot-Matra Rancho ins Museum", merkt Henk Visscher an. "Und in Halle 3 wird noch ein Zwischengeschoss errichtet. Dort werden ab Juni die Datsun-Sportwagen der Baureihe 240/260 aus der Kollektion meines Bruders zu sehen sein." Es gäbe also gute Gründe für einen weiteren Besuch, vielleicht um eines der Museumsfahrzeuge zu mieten. Vielleicht sogar den SM oder das Columbo-Cabrio? Möglich wäre es zumindest.
Öffnungszeiten, Eintrittspreise sowie weitere Informationen finden Sie auf visscherclassique.nl
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