Normalerweise findet die RM/Sotheby’s-Versteigerung von Paris ja im Umfeld der Oldtimermesse Rétromobile statt. Während die Messe aber wegen der immer noch grassierenden Pandemie in den März verschoben wurde, entschieden die RM-Leute, den Februar-Termin (wie auch Bonhams) zu halten und wie in vergangenen Jahren 57 Automobile im Wert von EUR 24,5 Millionen im Zelt am Place Vendôme zu versteigern.
Vor (maskentragendem) Publikum, vor allem aber auch unter Anwesenheit spendierfreudiger Internet- und Telefonbieter wurden 88 % der Fahrzeuge für insgesamt EUR 23,6 Millionen (CHF 24,5 Millionen) verkauft. Im Schnitt wurden also EUR 471’763 (CHF 490’634) pro Wagen realisiert, etwas mehr als vorausgesehen. Tatsächlich stiegen die Gebote im Schnitt auf 105 Prozent des mittleren Estimates, eher unüblich für Auktionen in Europa.
Die Hälfte der im Schnitt gut 45 Jahre alten Autos wurden ohne Mindestpreis versteigert, weshalb es auch einige wenige negative Überraschungen gab.
Der massiv unterschätzte Ferrari Meera S
Im Vorfeld war über dieses Ferrari-Einzelstück viel Unwahres berichtet worden. Tatsächlich stammte das Design von Giovanni Michelottis Sohn Edgardo. Zudem war es im Rahmen einer nicht ganz überzeugenden Restaurierung bei Ferrari seines einmaligen Interieurs beraubt worden. Doch dies hielt die Bieter nicht davon ab, den besonderen Status dieses Einzelstücks auf 400i-Basis zu erkennen.
Anstatt der erwarteten EUR 90’000 bis 110’000 wurden schliesslich EUR 380’000 geboten, also locker einmal das 3,8-fache des mittleren Schätzwerts. Somit fand der sicherlich aussergewöhnliche Wagen für EUR 432’500 (EUR 449’800) zu einem neuen Enthusiasten, der hoffentlich das Interieur (vielleicht mit Hilfe des noch lebenden Edgardo Michelotti) wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt?
Ein Bugatti, der immer wertvoller wird
Selbst auf dem Höhepunkt der Klassikerwelle, also in den Jahren 2015 bis 2017, wurden “normale” Bugatti EB 110 GT jeweils für höchstens sechsstellige Beträge gehandelt. Mit einem Schätzwert von EUR 1 bis 1,2 Millionen hatte RM/Sotheby’s den Supersportwagen bereits eher optimistisch eingeschätzt. Allerdings handelte es sich um ein Exemplar mit rund 25’000 km auf dem Tacho und der Wagen hatte nur wenige Besitzer und präsentierte sich in sehr gutem Zustand.
Die Bieter vor Ort und zugeschaltet über Internet/Telefonapparat verwickelten sich schliesslich in einen erbitterten Kampf, der erst nach über 10 Minuten bei EUR 1,6 Millionen endete, womit der silberfarbene Bugatti für EUR 1,805 Millionen (CHF 1,877 Millionen) verkauft wurde.
Die Ferrari-Sportwagen von Petitjean
Nicht weniger als 37 der 57 angebotenen Autos trugen das Ferrari-Pferdchen, 29 davon stammten aus der Sammlung Petitjean, von der ein erster Teil bereits im Jahr 2020 durch RM in Essen versteigert wurde.
Petitjean hatte bereits vor rund 50 Jahren damit begonnen, schnelle und schöne Autos zu sammeln, viele davon mit Ferrari-Markenemblem. Allerdings wurden die meisten, wenn nicht alle Wagen, in den letzten Jahren kaum je bewegt und standen über längere Zeit, einige schon zu Jahrzehnten. So präsentierten sie sich zwar in grundsätzlich gutem Zustand, aber einfach losfahren sollte man mit den Autos nicht. Die RM-Spezialisten empfahlen denn auch ein “Recommissioning” und bei einigen Wagen war die Zulassung in Frankreich erst im Gange, also noch nicht abgeschlossen (“papers in transit”).
Die Schätzwerte zeigten sich denn auch vergleichsweise tief und teilweise sicherlich deutlich unter Marktniveau für sehr gut erhaltene/fahrbereite Exemplare. Die Bieter allerdings gaben den Autos deutlich mehr Kredit, wiesen doch viele relativ übersichtliche Besitzerhistorien und tiefe Laufleistungen auf. Da alle Wagen ohne Mindestpreis angeboten waren, wurden natürlich auch alle verkauft.
Insbesondere die zahlreichen Achtzylinder-Exemplare wurden fast alle über den Erwartungen verkauft. Für einen 308 GTS von 1979 etwa zahlte der Käufer EUR 115’000 (CHF 119’600) statt der geschätzten EUR 60’000 bis 80’000.
Der “Vetroresina”, ein 308 GTB von 1977 mit Kunststoffkarosserie endete sogar bei EUR 158’700 (CHF 165’048).
Nur ein 208 GT4 von 1975 und ein 330 GT 2+2 Series 2 unterschritten beim Höchstgebot den mittleren Estimate, alle anderen 27 Wagen ausser dem deutlich überschätzten ex-Baillon 308 GTSi lagen darüber.
Unter den Petitjean-Fundstücken gab es auch ganz besondere Raritäten, so etwa der Ferrari 275 GTB/4 von 1966, der einst auf dem Pariser Autosalon stand, später für Fahrtests von Sport Auto diente und dann in die Hände des Erstbesitzers Charles Jourdan gelangte, von dem Petitjean den Wagen im Jahr 1969 bereits übernahm. EUR 1,7 bis 2,0 Millionen wurden erwartet, EUR 2,368 Millionen (CHF 2,462) bezahlt.
Zu den wertvollen Exemplaren gehörten auch ein Ferrari 288 GTO von 1985 (Verkaufspreis EUR 3,46 Millionen, CHF 3,603 Millionen) und ein 250 GT/L Berlinetta Lusso von 1964 aus Schweizer Erstbesitz (Verkaufspreis EUR 1,186 Millionen, CHF 1,234 Millionen) sowie der 250 GT Series II als Cabriolet von 1959 (Verkaufspreis EUR 1,141 Millionen, CHF 1,187 Millionen).
Zu den deutlich über Schätzwert verkauften Sportwagen aus Modena gehörte auch ein Testarossa “Monospecchio” von 1986, der für EUR 178’250 (CHF 185’380) einen neuen Besitzer fand.
Später in der Versteigerung kam auch noch ein Ferrari F50 aus dem Jahr 1996 unter den Hammer, der knapp über den Erwartungen für EUR 3,436 Millionen (CHF 3,574 Millionen) veräussert werden konnte, während ein Ferrari 550 GTC 2003 knapp unter dem Mindestpreis stehen blieb.
Einiges an Superklassikern ohne Pferdchen
Neben der Ferrari-“Schwemme” fehlte anderen Exoten fast ein wenig die Aufmerksamkeit, obwohl es interessante Autos darunter hatte.
So wurde einer der seltenen Dino 206 GT von 1969 für “nur” EUR 365’000 (CHF 379’600) verkauft und ein Aston Martin DB4 Convertible von 1963 fand gar keinen neuen Besitzer, obwohl immerhin EUR 1,050 Millionen geboten worden war.
Auch der Lamborghini 400 GT 2+2 von 1966 erzielte nur EUR 286’250 (EUR 297’700), währen der LM002 von 1988 auf EUR 269’375 (CHF 280’150) kam.
Für einen Mercedes-Benz 300 SL von 1958 wurden EUR 916’250 (CHF 952’900) bezahlt, für ein 300 Cabriolet D von 1952 EUR 184’000 (CHF 191’360).
Der Maserati Ghibli 4,7 Spyder von 1970 blieb bei EUR 520’000 stehen, ein De Tomaso Pantera GTS von 1972 bei EUR 130’000.
Insgesamt schnitten die Superklassiker also eher durchschnittlich ab. Nicht besser erging es den Exoten im Angebot. So konnte der Fiat 8V von 1954 zwar für EUR 905’000 (CHF 941’200) verkauft werden, dafür blieb aber der Alfa Romeo 155 V6 TI DTM/ITC von 1995 bei EUR 520’000 stehen.
Und von den drei angebotenen Rolls-Royce konnte nur gerade einer vermittelt werden.
Insgesamt kann die RM-Versteigerung von Paris sicherlich als Erfolg gewertet werden und sie zeigte auch, dass die Experten der Auktionshäuser mit ihren Schätzungen nicht immer auf Augenhöhe mit der Bieterschaft liegen.
Angebotene und verkaufte Fahrzeuge
Die folgende Tabelle listet alle angebotenen und verkauften Fahrzeuge mit Schätzpreisen, Höchstgeboten und Verkaufspreisen. Die Preis-Umrechnung erfolgte zum am Auktionstag gültigen Tageskurs. Alle Angaben ohne Gewähr.
Lot | Fahrzeug | Jahr | EUR Est von | EUR Est bis | EUR HG | EUR VP | CHF VP | % Est | S |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
108 | Ferrari F310 Show Car | 1996 | 60'000 | 100'000 | 180'000 | 216'000 | 224'640 | +170%
|
V |
109 | Ferrari 328 GTS | 1987 | 50'000 | 60'000 | 75'000 | 86'250 | 89'700 | +56.82%
|
V |
110 | Ferrari 400i | 1984 | 35'000 | 50'000 | 45'000 | 51'750 | 53'820 | +21.76%
|
V |
111 | Ferrari Dino 208 GT4 | 1975 | 35'000 | 50'000 | 33'000 | 37'950 | 39'468 | -10.71%
|
V |
112 | Ferrari 365 GT4 BB | 1975 | 200'000 | 300'000 | 246'000 | 281'750 | 293'020 | +12.7%
|
V |
113 | Ferrari 330 GT 2+2 Series II | 1966 | 190'000 | 230'000 | 170'000 | 195'500 | 203'320 | -6.9%
|
V |
114 | Ferrari 308 GTS | 1979 | 60'000 | 80'000 | 100'000 | 115'000 | 119'600 | +64.29%
|
V |
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2. Ein Bieter war im Kaufrausch. Er allein kaufte weit über 12 Ferrari-Fahrzeuge zu fast jedem Preis.....
3. Lambos waren nicht vor Ort sondern in Kuweit. (Einfuhr EU ? Transport EU?)
4. 275 GTB und Lusso waren absolute Zeitkapseln . auch wenn hier viel Arbeit und Fingerspitzengefühl bei der Aufarbeitung benötigt wird, kann man den Käufern gratulieren