Der Genfer Autosalon ist eine der wichtigsten Autoausstellungen in Europa und zieht wegen des frühen Datums, der zentralen Lage und der Charakteristiken des Schweizer Automarktes jedes Jahr eine grosse internationale Beteiligung und Besucher aus der ganzen Welt an. Immer wieder wurden am Genfer Salon Weltpremieren präsentiert, sei es der Chrysler Airflow (1934), Fiat 8V (1952), Jaguar E-Type (1961), Mercedes 230 SL (1963) oder Porsche 928 (1977).
Aus Anlass des Genfer Automobilsalons von 2013 blicken wir 30, 40, 50 und 60 Jahre zurück, untersuchen das Umfeld der einzelnen Ausstellungen und zeigen einige der schönsten Exponate nochmals in bester Bildqualität.
Sport und Vernunft am Genfer Automobilsalon von 1953
Der 23. Salon International Automobile, vom 5. bis 15. März 1953 in Genf stattfindend, stand unter keinem guten Stern. Nicht nur war die Salon-Organisation 1952 durch eine interne Krise gegangen, sondern Genf wurde auch noch von Frankfurt bedrängt, wo nur wenige Tage nach Ende der Genfer Veranstaltung ab dem 19. März 1953 die Internationale Automobilausstellung (IAA) ihre Türen öffnete. Mancher deutsche Hersteller entschied sich konsequenter Weise für ein Aufsparen von Neuheiten und Premieren oder nahm die Reise nach Genf gar nicht unter die Räder. Die Zahl der Aussteller ging denn auch von 439 (1952) auf 425 zurück.
So konnte man also kaum einen Neuheiten-Reigen oder gar Sensationen in Genf erwarten. Doch auch so lohnte sich der Besuch des Genfer Salons, denn selbst wenn manches Fahrzeug bereits vorher anderswo präsentiert wurde, gab es doch rund 50 Jahre vor Erfindung von YouTube e.a. kaum Alternativen für potentielle Käufer, diese Wagen in Farbe und 3D zu begutachten.
Dass schlussendlich mit 230’000 Besuchern ein neuer Rekord gefeiert werden konnte muss unter den gegebenen Umständen erstaunen, zeigt aber, dass das Automobil (es wurden auch Nutzfahrzeuge, Schiffe und Zweiräder gezeigt) für immer stärkeres Interesse in der Öffentlichkeit sorgte.
Die Überraschung des Salon 1953 war die unerwartete Premiere des Fiat Nuova 1100, der mit einem tiefen Verkaufspreis (6’950 Franken für die Standard-Limousine) angekündigt wurde und als attraktiv präsentiertes Schnittmodell für grosse Menschentrauben am Fiat-Stand sorgte.
Erstmals zu sehen war das Coupé Nash-Healey von Pinin Farina und der Cunningham, der als Vignale-Cabriolet manches Erzeugnis aus Europa in den Schatten stellte. Ebenfalls eine Premiere war der Standard 11 aus England.
Während die Serienfahrzeuge fast ein wenig zu einheitlich aussahen, zeigten die Sonerkarosserien, wie gross die Vielfalt an Formen und Gestaltungsmustern sein konnten.
Anbieter wie Beutler, Graber, Ghia-Aigle, Pinin Farina, Worblaufen, Touring, usw. zeigten Demonstrationsmuster ihrer Fähigkeiten und gleichzeitig Blicke in die Design-Zukunft. Ob Alfa Romeo 1900 C Superleggera Coupé, Singer SM Ghia-Aigle, Bristol 401 Coupé, Ferrari 212 Vignale oder das Faux Cabriolet in Form des Bentley-Coupés von Hermann Graber, die Ausstellungsfahrzeuge präsentierten Karosserie-Schöpfungen auf höchster Stufe, die aber wohl für die meisten Besucher unerschwinglich waren.
Weltpremieren unter einem guten Stern am Genfer Salon von 1963
Im Jahr 1963 blickten Autohersteller, Verkäufer aber auch Autointeressenten hoffnungsvoll nach Genf. Das Jahr 1962 hatte eine starke Zunahme an Zulassungen gebracht, Volkswagen stand in der Schweiz mit über 20% der verkauften Autos an der Spitze, gefolgt von General Motors mit der Speerspitze Opel, Ford, Fiat, British Motor Company BMC, Peugeot, Simca, Daimler-Benz (inkl. Auto Union), Citroën/Panhard und Renault.
Nach einem langen und strengen Winter, der es tatsächlich fertiggebracht hatte, die grossen Seen von Genf und Zürich zufrieren zu lassen, schauten die Menschen frohgemut in die Zukunft. Der Benzinpreis stand bei rund 60 Rappen (also etwa 1/3 von heute), auch die Lebensmittel kosteten etwa 35% vom heutigen Preis.
So kamen denn auch die Zuschauer zwischen dem 14. und 24. März 1963 in Scharen. 379’103 zahlende Besucher, also 6,4% mehr als im Vorjahr, wurden gezählt, 400 Pressevertreter (im Jahr 2013 sind es über 12’000!) waren eingeschrieben. Die Berichterstattung in den in- und ausländischen Medien (Print, Radio, Fernsehen) schlug alle bisherigen Rekorde.
Die wohl strahlendste Weltneuheit präsentierte Mercedes Benz gleich beim Eingang mit dem “Tourensportwagen” 230 SL, der die zunehmende Nachfrage nach komfortabler Sportlichkeit stillen sollte und der mit dem eingespritzten Sechszylindermotor (150 PS) technisch auf der Höhe der Zeit lag. Das Cabriolet war in Genf auch mit dem charakteristischen Hardtop zu sehen, dem das Fahrzeug den Namen “Pagode” zu verdanken hat.
Eine weitere Publikumsattraktion war der Sportwagen ATS 2500 GT mit Allemano-Karosserie. Abarth brachte zur Überraschung aller einen neuen GT-Sportwagen mit 2 Liter Hubraum nach Genf.
Erstmals in der Schweiz zu sehen waren das Bauprogramm von Alpine (drei Fahrzeuge), der Aston Martin DB 4 Vantage mit GT-Motor, der Alfa Romeo Tubolare Zagato, das Peugeot 404 Coupé von Pininfarina, der Sabra Sportwagen aus Israel und der Hino Contessa Sport, der von Giovanni Michelotti ausnehmend hübsch eingekleidet worden war.
Eine Europapremiere feierte der Ford Mustang mit V4-Mittelmotor, der rennsport-orientierte Vorläufer des späteren konventionell angetriebenen Mustangs, der bis heute gebaut wird.
Ein wahres Neuheiten-Portpourri gab es in der Mittelklasse: Simca 1300/1500, Lancia Fulvia und Opel Rekord wurden erstmals vorgestellt.
Eine geradezu atemberaubende Karosserie enthüllte Bertone am Genfer Salon, den Chevrolet Corvair Testudo, aufgebaut auf einem gekürzten Chassis des Corvair Monza. Mit 81 PS aus fast 2,4 Litern Hubraum waren die Fahrleistungen wohl kaum berauschend, aber der Wagen schaffte es auf eigener Achse von Turin nach Genf. Das Besondere am Testudo war die extravagante Karosserie-Form, die Giorgetto Giugiaro zeichnete. Um den Wagen zu besteigen, wurde die ganze Dachkuppel angehoben.
Ja, auch das gab es 1963 am Genfer Salon, nämlich die Möglichkeit, als Beifahrer einen von 423 Wagen zu erkunden. 3’375 Probefahrten wurden durchgeführt am Südufer des Genfersees bei Cologny-La Capite, was vor allem den Anwohnern wohl nicht nur Freude bereitete, wenn man sich das ganze als ein zehntägiges Bergrennen mit entsprechenden Startprozeduren vorstellt, wie die Automobil Revue damals kommentierte.
Heisse Preise und unvernünftige Premieren am Genfer Salon 1973
Die Siebzigerjahre waren für Automobil-Hersteller keine einfache Zeit. Neben der Energiekrise galt es auch noch immer neu aufschwappenden Anti-Auto-Wellen zu begegnen.
Grosse Automobil-Ausstellungen wurden in Frage gestellt, deren messbaren und direkten Effekt bezweifelt. Man stellte zunehmend auch die Periodizität in Frage und so gingen Turin und Paris zum Zweijahres-Rhythmus über. Die IAA 1971 fiel in Frankfurt sogar aus.
Tatsächlich wies denn auch der 43. Genfer Automobilsalon einen Rückgang der Besucher aus, wenn auch nicht von dramatischem Ausmass. 462’393 Eintritte wurden gezählt, während im Vorjahr 465’896 gekommen waren. Die Anzahl der Aussteller/Marken war allerdings von 974 auf 1’091 gestiegen, während die genutzte Fläche mit 32’600 m2 ungefähr konstant geblieben war. Dass sich Fläche innert vierzig Jahre genauso wie die Anzahl Besucher mehr als verdoppeln könnte, wagte 1973 niemand zu prophezeien.
Grosse Premieren fehlten im Krisenjahr 1973. Bestenfalls Detailmodifikationen und Motorvarianten wurden gezeigt.
In Abwesenheit der grossen Premieren wogen kleine Modifikationen schwerer. Alpine hatte den A110 1600 S modifiziert und den A310 mit Einspritzung ausgerüstet. Mercedes-Benz zeigte erstmals neue 4,5-Liter-Modelle der S-Klasse und in der Sportwagen-Linie SL/SLC. 225 DIN-PS lieferte der stolze V8, die günstigste Variante diese Leistung zu nutzen bot der 450 SE für 48’200 Franken.
Opel zeigte neue Ausstattungsvarianten, Ford den Consul und Granada als zweitürige Limousine.
In Zeiten, in denen mancher Autokäufer den Gürtel etwas enger schnallen musste, waren natürlich die Preise der gezeigten Autos von besonderem Interesse. Während der Fiat 126 für 6’550 Franken angeboten wurde, ein Citroën Ami Super 8’400 Franken kostete, wurde der Preis für den Lamborghini Countach LP 500 auf rund 100’000 Franken geschätzt. Und während ein Audi 80 mit vier Zylindern ab 10’920 Franken zu haben war, kosteten sechs Zylinder bei Ford im Granada mindestens 16’790 Franken. Ein schnittiger Sportwagenzweisitzer war bei Puma (auf VW-Basis) für 18’50 Franken zu bekommen, während eine Alpine A110 als 1,3-Liter 19’800 und als 1600 S 30’200 Franken kostete.
Im Jahr 1973 begann der Buggy erst zögerlich in unseren Breitengraden Fuss zu fassen, obschon nach den USA auch in Europa eine Reihe von kleineren und grösseren Buggy-Fabriken (z.B. in Belgien, Italien, Frankreich, Holland und England) entstanden waren. Mit dem im Kanton Aargau industriell gefertigten Swiss Buggy Froggy präsentierte sich 1973 auch ein einheimischer Hersteller.
Es gab dann doch noch zwei Weltpremieren und zwar von der kleinen Schweizer Firma Sbarro aus Grandson. Vorgestellt wurde der Sbarro Tiger mit eindeutigem Sportwagencharakter und das SV Coupé, das dreiplätzig ausgelegt war und von zwei querliegenden NSU-Ro80-Motoren angetrieben wurde.
Elektronik-Hausse am Genfer Salon 1983
Im Jahr 1983 durchlief das Automobil in der Schweiz eine schwierige Zeit. Zwar waren im Jahr 1982 immerhin 290’000 Autos zugelassen worden, aber der Schweizerische Alleingang bei Abgas- und Lärmvorschriften hatte das Angebot doch etwas ausgedünnt. Von der leicht pessimistischen Stimmung merkte man am Salon allerdings nichts, denn mit elf Weltpremieren, darunter der Audi 100 Avant, der Fiat Uno, der Peugeot 205, der Renault R11, der Daihatsu Charade und der Austin Maestro - bot der Salon 1983 mehr Neuigkeiten als die meisten Austragungen zuvor.
Mit im Vergleich zum Verkaufsvolumen grossen Standfläche traten die Amerikaner, insbesondere General Motors an. Man hatte aber auch etwas zu bieten, nämlich die neue Corvette, die 30 Jahre nach der Lancierung des ersten Modelles nun in die vierte Generation mit deutlich veränderten Aussehen und einer Gewichtsreduktion von 113 kg gegenüber dem Vorgänger aufwarten konnte. Sogar eine spezielle Exportversion wurde vorgestellt, ausgerüstet mit einem 5,7 Liter grossen V8-Motor mit 203 PS, was gemäss Hersteller für eine Höchstgeschwindigkeit von 225 km/h reichen sollte. Eine weitere Neuheit war der Camaro Z28-E.
Die Amerikaner, im eigenen Land dank Abgaskatalysatoren und bleifreiem Benzin mit gesäuberten Autos gesegnet, hatten in der Schweiz ein ganz besonderes Problem. Sie mussten 1983 die Katalysatoren für Europa entfernen, denn diese wurden durch das ausschliesslich erhältliche Bleibenzin zerstört. Ohne Katalysatoren erreichten aber die US-Fahrzeuge die schweizerischen Abgas-Grenzwerte nicht, so dass zum Zeitpunkt des Automobilsalons 1983 keiner der in Genf ausgestellten Amerikaner für den Verkauf in der Schweiz zugelassen war ...
Einen Blick in die Zukunft zeigte Ford mit der Studie Probe IV, die mit einem sensationellen cw-Wert von 0,15 voll auf Aerodynamik getrimmt war. Die viersitzige Reiselimousine mit voll verschalten Rädern wies einige technische Leckerbissen auf, so etwa computergesteuerte pneumatische Radaufhängungen.
Während der Einzug der Elektronik in das Automobil bis in die Achtzigerjahre fast ausschliesslich unter dem Blech stattgefunden hatte, wurde sie jetzt auch im Wageninneren immer stärker sichtbar. Das digitale Armaturenbrett setzte den Trend, dem viele Automobilhersteller folgten. Renault zeigte ein riesiges digitales Armaturenbrett, um die Kunden an die neuen Technologien heranzuführen.
Tuning und Sonnendächer waren im Trend im Jahr 1983, dies zeigten die vielen veredelten Normalautomobile genauso wie die reichhaltigen Stände der schnell wachsenden Zubehörindustrie.
Für eine besondere Attraktion ausserhalb des Salongebäudes sorgte 1983 British Leyland gesorgt. Auf einer Schienenkuppe wurde die Steigfähigkeit des neuen Land-Rover 110 demonstriert. Jeweils mit vier Passagieren wurde vorwärts über die Kuppe und rückwärts wieder zurückgefahren, wobei bis 85 % Steigung erreicht wurden. Besonders das fast senkrecht scheinende Herunterfahren beeindruckte die Passagiere! Die Gratisdemonstration wurde an 13 Tagen von rund 28’000 Personen genutzt
In diesem Übersichtsartikel können die einzelnen Jahre nur kurz angesprochen werden. Detaillierte Berichte zu den vier Austragungsjahren und insgesamt rund 500 Bilder der Jahre 1953/63/73/83 finden sich - zusammen mit den Hallenplänen - im Zwischengas-Archiv (siehe "empfohlene Artikel").
Eine ausführliche Berichterstattung über die Genfer Automobilsalons der Jahre 1951/61/71/81 wurde bereits vor zwei Jahren auf Zwischengas veröffentlicht, die Austragungen der Jahre 1952/62/72/82 wurden im letzten Jahr detailliert betrachtet.
Dann melden Sie sich an (Login).