Am frühen Morgen des 17. August 2016 war der Himmel grau und dann regnete es in Strömen, in einigen Gegenden der Schweiz fiel gar Hagel. Keine gute Voraussetzung für einen Concours d’Elégance unter freiem Himmel. Doch schon um acht Uhr begann es aufzuhellen, ein schöner Tag kündigte sich an. Ob allerdings alle Teilnehmer die Anfahrt unter die Räder nehmen würden, war zu jenem Zeitpunkt noch unklar.
Zwei Stunden später aber war klar, dass es fast alle geschafft hatten, ein unentwegter Maserati-Fahrer aus dem Tessin war sogar offen nach Zürich gefahren. Eine gute Handvoll der vorbereiteten Standplätze blieben leer, das Publikum musste auf Miura, Flaminia, Ghibli Coupé und einige weitere verzichten. Schade.
Breit gefächertes Publikum
Überhaupt, das Publikum: Kaum irgendwo ist es so vielfältig wie am Zurich Classic Car Award. Und dies liegt an der Lage des Concours beim Bürkliplatz vor den Toren der Schweizer Bankenwelt, am Ende der Bahnhofstrasse zum Zürichsee hin.
Natürlich kommen die Oldtimer-Enthusiasten zu einem derartigen Anlass, aber es gibt eben auch viele Touristen, die zufällig auf die Schönheitskonkurrenz stossen oder die Banker, die ihr Mittags-Sandwich im Kreise historischer Automobile geniessen.
Die Besitzer der Automobile hatten denn auch kaum eine ruhige Minute, werden ständig mit Fragen durchlöchert, geben Auskunft über ihr Fahrzeug. Hier wird viel Aufklärungsarbeit zugunsten des Oldtimers betrieben. Gut so!
Breit gefächertes Fahrzeug-Portfolio
Eine weitere Eigenheit des Zürcher Concours ist das grosse Spektrum an Fahrzeugen, vom fast 120-jährigen De Dion Bouton bis zum Autobianchi Bianchina oder dem Lancia Stratos. Eingeordnet wurden die 50 Autos in sieben Klassen. Es gab damit Kategorien für offene und geschlossene Vorkriegsfahrzeuge und für Autos bis 1960 und nach 1960, jeweils offen und geschlossen.
Zudem wurde eine spezielle Wertung für Wettbewerbsfahrzeuge ausgerichtet, wobei 2016 nicht mehr Formel-Autos, sondern GT- und Rennsportfahrzeuge eingeladen wurden.
Schwierige Arbeit für die Jury
Wie es sich gehört, wurden alle Autos durch eine Jury, die sich aus Oldtimer-Spezialisten und Pressevertretern zusammensetzte, bewertet, wobei sowohl Zustand als auch Originalität und Eleganz berücksichtigt wurden. Diese Arbeit war gar nicht einfach, mussten doch eigentlich vom Charakter sehr unterschiedliche Fahrzeuge - vom Brot-und-Butter-Auto bis zum Exoten - miteinander verglichen werden.
Selbständig restauriert
Dass die Zürcher Schönheitskonkurrenz anders als manche der glamourösen Hochglanz-Veranstaltungen ist, bewiesen die vielen Fahrzeuge, die von den Besitzern eigenhändig restauriert worden waren. So hatte der Käufer des aus den USA importierten Ford A Deluxe Roadsters schnell erkennen müssen, dass die amerikanische Restaurierung nicht seinen Ansprüchen genügte und der Wagen eigentlich sofort wieder veräussert werden müsste. Doch er entschied sich, die Sache selber in die Hand zu nehmen und brachte das Auto innert 10 Monaten in Bestzustand, nur gerade die Lackierung musste er in Auftrag geben, den Rest konnte er weitgehend selber erledigen. Das Ergebnis überzeugte durch Originaltreue und Qualität.
Überhaupt scheint Ford-Besitzern das Restaurieren im Blut zu liegen, denn auch der noch ältere Ford R aus dem Jahr 1907, der einst einem kanadischen Apotheker gehörte, wurde vom Schweizer Besitzer vor vielen Jahren selbständig auf Vordermann gebracht, genauso wie die nur in etwa 50 Exemplaren gebaute Alfa Romeo Giulia Super als Kombi mit grossen Fenstern rundum.
Seit vielen Jahrzehnten im selben Besitz
Auffallend in Zürich war auch, dass viele der gemeldeten Fahrzeuge schon seit Jahrzehnten in derselben Hand sind. Der Porsche 356 C von 1964 etwa, der den Sonderpreis “Best Unrestored” erhielt, gehört schon seit 1972 derselben Dame, die den blauen Sportwagen ursprünglich als Alltagsauto einsetzte, später aber nur noch für besondere Gelegenheiten aus der Garage holte. Rund ein Drittel der gezeigten Autos befinden sich seit vielen Jahrzehnten im gleichen Besitz, Spekulanten sind diese Enthusiasten eindeutig nicht.
Da hätten sie wohl auch auf das falsche Pferd gesetzt, wie etwa der Eigner des Hanomag 4/20, der 1930 als eines von rund 1300 gebauten Exemplaren in die Schweiz kam, bis 1951 genutzt wurde und dann ein Dutzend Jahre in einer Ecke einer Garage Staub ansetzte. 1964 kaufte der heutige Besitzer den Wagen, stellte ihn dann eigenhändig in Stand und gönnte ihm eine Neulackierung. Danach benutzte er ihn regelmässig, bis der Motor seinen Geist aufgab. Doch nun wurde auch der Vierzylinder überholt und der Wagen glänzt mit seiner 50-jährigen Restaurierung wie im Neuzustand. Dass sich dann auch noch ein Treffen mit der Schwiegertochter des Erstbesitzers auf dem Bürkliplatz ergab, war natürlich für alle Beteiligten ein besonderes Fest.
Supersportwagen der Superlative
Für manchen Besucher waren es sicher die Supersportwagen, deren erster Vertreter je nach Sichtweise der Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürer war, eine der Hauptattraktionen.
Neben dem 300 SL, der auch als Roadster vor Ort war, gab es auch zwei offene Maserati Sportwagen, einen 3500 GT Vignale Spider und einen nur 125 Mal gebauten Ghibli Spyder zu bewundern. Zudem erheischte ein ehemaliger Pebble-Beach-Sieger viel Aufmerksamkeit, der Lamborghini Countach LP400 sah in seiner grauen Lackierung mit dem braunroten Interieur geradezu hinreissend aus.
Wer mit italienischen Spitzensportlern nichts anfangen konnte, der durfte sich dafür an einem Porsche 911 Carrera RS 2.7 von 1973 oder seinem zivilisierteren Pendant 911 S 2.4 aus demselben Jahr sattsehen.
Umfangreiche Vorkriegsauswahl
Auch die Gattung der Vorkriegsautos konnte sich sehen lassen. Im überhitzten Klassikermarkt mögen sie nicht mehr so gefragt sein, das Publikum liebt sie trotzdem. Sie offerieren schliesslich auch besondere Einblicke in die Automobilgeschichte.
Ob es nun um einen Rolls-Royce 20/25 HP mit lederüberzogener Cabriolet-Karosserie handelt oder einen der raren Zwölfzylinder-Vorkriegs-Phantom III, imposant und interessant sind sie auf jeden Fall.
Dies traf auch für den gezeigten Pierce Arrow Model 42 aus dem Jahr 1931 zu, der als Vertreter der “Great Gatsby”-Ära vielleicht einst von Monarchen gefahren wurde.
Noch aus dem vorletzten Jahrhundert
Der älteste Wagen auf dem Platz war der De Dion Bouton Vis-à-Vis Type D von 1899. Die Firma De Dion Bouton baute damals parallel Dampf-, Elektro- und Benzinfahrzeuge. Der Type D wurde von einem Einzylinder-Motor mit 402 ccm angetrieben, die 3,5 PS reichen für rund 40 km/h. 2014 und 2015 fuhr der Wagen London-Brighton ohne Probleme und ohne, dass man den Wagen die Steigungen hochschieben musste.
Anlässlich einer Mitfahrt konnte hautnah beobachtet werden, wie ungewohnt und doch einfach sich der Wagen steuern lässt. Für den Fuss gibt es nur eine Kardanbremse, den Rest erledigen die Hände, die an der Steuersäule die Zündung einstellen, den 1. oder 2. Gang des halbautomatischen Getriebes einlegen und Gas geben. Rückwärtsgang? Fehlanzeige, da muss dann halt geschoben werden. Spass? Jede Menge.
Opulente Formen
Der Liebling des Publikums aber war ein Buick Roadmaster Skylark 76X Convertible von 1953, der mit seinen verspielten Formen aus der Hand Harvey Earls für Begeisterung sorgte. Jedenfalls erhielt er den Publikumspreis.
Ähnlich eindrücklich geriet auch der Chrysler Royal von 1941, der als Business Coupé mit Fliessheck ein echter Hingucker war.
Der siebtgebaute Sport-Ferrari
Zum “Best of Show” wurde der Ferrari 166 Spyder Corsa von 1948 erkoren. Dieser Wagen mit Chassisnummer 014I hat eine ganz besondere Geschichte, wurde er doch als Rennwagen eingesetzt und unter anderem von Giuseppe Farina gefahren. Nach sechs Jahren erhielt er bei Scaglietti eine neue Karosserie, die den kommenden Ferrari 500 Testarossa vorwegnahm.
Der Wagen überzeugt heute nicht nur durch Bestzustand, sondern auch durch seine besondere Geschichte und die Tatsache, dass es sich um den sieben je gebauten Sport-Ferrari handelt.
Angetreten war die Barchetta in der Kategorie “Competition”, die sie natürlich gewann, obschon mit dem komplett restaurierten Lancia Stratos von 1974, aus dem Besitz des Museums “Autobau”, ein harter Konkurrent bereitstand. Schliesslich handelt es sich dabei um eine der 27 Competizione-Versionen, welche u.a. von Sandro Munari und J.C. Andruet als Werkswagen gefahren wurde. Mehrere Rallye-Siege und die attraktive Optik machen das Rallyeauto zu einem Prunkstück der Autobau-Sammlung.
Aber auch der dritte Preis in der Competition-Wertung ging an eine historische Rarität, nämlich an einen der wenigen Jaguar XK 120 mit Aluminiumkarosserie, der 1950 den dritten Rang beim Grand Prix Bern errang.
50 Autos, 50 Geschichten
Jedes der gezeigten Autos hatte seine eigene Geschichte, jede wäre erzählenswert. Der Platz hier reicht nur für die "Spitze des Eisbergs". Die Besucher vor Ort erfuhren mehr, denn die Besitzer gaben gerne Auskunft. Und alle schätzten die lockere Stimmung und das friedliche Beisammensein, dem dazu auch noch das Wetterglück bis zur Abreise hold war.
Die Preisgekrönten
- Best of Show
Ferrari 166 Spyder Corsa 1948 - Publikumspreis
Buick Roadmaster Skylark 76X Convertible von 1953 - Best Unrestored
Porsche 356 C von 1964 - Prewar Open
- 1 DeDion Bouton Vis-à-Vis Type D von 1899
2 Ford R von 1907
3 Ford A Deluxe Roadster von 1930 - Prewar Closed
1 Rolls-Royce Phantom III Hooper Sport Saloon von 1937
2 Hanomag 4/20 von 1930
3 Rolls-Royce 20/25 HP Hooper Sport Saloon von 1953 - Postwar Open bis 1960
1 Mercedes-Benz 300 D Cabriolet von 1952
2 Lancia Appia Vignale Convertible von 1960
3 Buick Roadmaster Skylark 76X Convertible von 1953 - Postwar Closed bis 1960
1 Mercedes-Benz 300 SL von 1957
2 Alvis TD21 von 1960
3 Chrysler Royal von 1941 - Postwar Open ab 1960
1 Maserati 3500 GT Vignale von 1960
2 Maserati Ghibli Spyder von 1969
3 Citroën DS Chapron von 1970 - Postwar Closed ab 1960
1 Porsche 911 Carrera RS 2.7 1973
2 Alfa Romeo Giulia Super Kombi von 1970
3 Mercedes-Benz 250 SE Coupé von 1966 - Competition 2 Seaters
1 Ferrari 166 Spyder Corsa 1948
2 Lancia Stratos HF von 1974
3 Jaguar XK 120 von 1949