Man nannte die Region rund um den Bachtel, den markanten Berg im Zürcher Oberland, einst «Manchester der Schweiz». Der Grund waren die zahlreichen Textilfabriken in der Gegend. Flüsse und Bäche, in Wald ZH etwa die Jona, versorgten die Fabriken, Spinnereien und Webereien, mit der nötigen Energie.
Die Fabrikanten waren die Treiber des technischen Fortschritts, sie bezahlten die Eisenbahnen in der Region, brachten erstmals die Elektrizität in ihre Fabriken, bald darauf auch in die Arbeiterstuben. Und manch einer, der für die Textilindustrie die nötigen Maschinen baute, tüftelte mit Fahrrädern und später auch mit Automobilen herum. Und überhaupt: Mobilität war wichtig, wenn man mit der ganzen Welt in Verbindung steht. So auch in Wald.
Ein Merkmal des Ortes ist die Waldner Bahnhofstrasse. Im Zuge des Bahnbaus 1876 wurde der ganze Ort quasi neu gedacht, die Häuser wurden hin zum Bahnhof der ehemaligen Wald-Rüti-Bahn mit Anschluss an die Vereinigten Schweizerbahnen in Rüti und der Tössthalbahn in Richtung Bauma ausgerichtet. Finanziert wurde der Anschluss von den Industriellen der Region, genauso wie sie ein «repräsentatives» Ortsbild förderten. Wald war Ende des 19. Jahrhunderts definitiv kein Bauerndorf mehr, sondern ein Industrieort.
Brennpunkt Bahnhofstrasse Wald
Die Veranstaltung Wald Rollt wäre ohne diesen Bezug kaum je zustande gekommen. Einer der Erben der Otto Johann Honegger AG, Andreas Honegger, hat den Umbau der alten, denkmalgeschützten Industrieanlage der Bleiche in ein Gewerbe-, Wohn-, Gastronomie- und Kulturzentrum massgeblich gelenkt und vorangetrieben.
Wie er sagt, arbeiten heute mehr Menschen auf dem Areal, als dies zu den Zeiten des Werberei- und Spinnereibetriebs in den 30er bis 50er-Jahren der Fall gewesen sei. Selber ein grosser Autoenthusiast, veranstaltet er vor etwas mehr als 10 Jahren eine Rallye für seine Freunde und Gäste der Bleiche, die Bleiche Motor Trophy. Dabei sollen die Wagen über eine Rampe fahren, die allerdings so teuer zu stehen gekommen wäre, dass Honegger nach einer Alternative sucht und sie findet: Die Bahnhofsrampe am Ende derselben Strasse. Hier fahren die Teilnehmer der ersten Trophy vor und werden kommentiert, dazu organisiert man auf die Schnelle ein Dorffest. Der Anlass ist ein Erfolg. Und er ist anders.
Von Anbeginn spielt die Ortsgeschichte eine Rolle, man feiert die Bahnhofstrasse, die textile Vergangenheit. Dies mag mit ein Grund sein, dass auch auf die Kleidung von Früher sehr viel Wert gelegt wurde.
Spätere Ausgaben verzichteten auf die Rampe, sie würde abgerissen, hiess es seitens der SBB. Stehen tut sie allerdings bis heute. Doch durch den ständig wachsenden Zulauf an Besucherfahrzeugen ist längst nicht mehr daran zu denken, jedes einzelne Fahrzeug, vom Velo bis zum Saurer Lastwagen, vorzustellen. Aus diesem Grund hat man die Präsentation d'Excellence kreiert, einen kleinen, feinen Concours mit jeweils etwa 30 Autos. Dieser fand zunächst etwas abseits der Hauptstrasse, eben der Bahnhofstrasse statt, heuer nun haben sich die Organisatoren dazu entschieden, den Kern von Wald Rollt direkt an das Rückgrat von Wald zu verlegen.
Kapazitätsgrenzen
Auch für die siebte Auflage der seit 2014 stattfindenden Veranstaltung galt es, sich früh auf den Weg zu machen. Bereits am späteren Morgen war die Bahnhofstrasse, die den Fahrzeugen als Parkplatz dient, sowie die Stellplätze vor der SBB-Rampe pumpenvoll. Die Mischung war indessen höchst beeindruckend.
Vom einfachen Alltagsklassiker wie einem leicht ramponierten Opel Olympia Rekord oder ein historischer, umgenutzter Amerikaner als Pick-Up. Dasselbe lässt sich auch von einem Meili-Autotraktor sagen, der 1946 aus einem Chrysler Royal Achtzylinder von 1933 mit einer Meili-Patent-Hinterachse und stark gekürztem Radstand aufgebaut worden ist – eines der Highlights von Wald Rollt 2025.
Dazwischen war alles zu sehen: Dicke Amerikaner, verschiedene Citroën AZU und AK Fourgonettes, Autos aller Art und Gattungen und dazu auch Velos und Motorräder und ganz viele historischen Landmaschinen.
Um 11.00h dann schoss die Walder Compagnie 1861 in historischen Uniformen ihre Vorderlader ab. Mit lautem Knallen wurde Wald Rollt 2025 so richtig angeschoben.
Dass die Organisatoren dem Textilen Teil ihres Treffens wieder mehr Bedeutung geben wollten, machten sie mit der Vintage-Modeschau um 13.00 Uhr klar, just an dem Ort, wo später auch der Concours – pardon! – die Präsentation d'Elegance stattfinden würde. Erstaunlich ist, wie man zwar als Laie irgendwie erkennt, dass diese Kleider nicht mehr ganz dem aktuellen Zeitgeschmack entsprechen, die Frage ist nur: warum und woran lässt sich das erkennen?
Man kann es in etwa so umschreiben: Eine Expertin wie die Organisatorin Geraldine Granget aus Suhr (AG), die viele der gezeigten Kleider mit alten Schnittmustern genäht oder originale Exemplare aufgearbeitet hat, lacht genauso über unser Unwissen in diesen Belangen, wie wir es tun, wenn jemand unbedarftes einen VW Käfer mit einem Citroën 2CV verwechselt. Nun, nach der Modeschau wussten die meisten, wo die Unterschiede zwischen einem 1920er-Abendkleid und einem Petticoat der 1950er liegt.
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Show-Gewinner
Immer wieder interessant ist in Wald zu beobachten, was die vielen ganz normalen Festbesucher zu ihrem Liebling wählen. In vergangenen Jahren haben die Organisatoren mehrfach festgestellt, dass die Wahrnehmung eines Highlights bei Laien an völlig anderen Kriterien festgemacht wird, als von Insidern und vermeintlichen und wirklichen Experten.
Heuer kürte das Walder Publikum etwa das älteste Auto in der Konkurrenz zum Sieger: Den 1912er Ford-T Speedster von Patrick A. Bischoff bei den Vorkriegswagen. Fredy Durrers Lotus Europa Special konnte für sich die geschlossene Nachkriegswagen-Kategorie verbuchen und der 1956er Ford Thunderbird von Rita Sulzer – das Geschenk ihres damals zukünftigen Mannes – holte die Trophäe für den schönsten offenen Nachkriegswagen für sich, selbst wenn aufgrund der Wetterlage die Besitzerin sich dafür entschieden hatte, das Hardtop inklusive Bullauge aufzusetzen.
Zum Best of Show kürte die Wald Rollt-eigene Jury den De Tomaso Vallelunga von 1965. Das Auto von Thomas Entzeroth ist der allererste Produktions-Vallelunga überhaupt mit Chassis-Nummer 807 DT 101.
Doch auch der Austin-Healey 100 S von Peter Kruse oder der Cisitalia 202 von Rolf Brechbühl wäre würdige Sieger gewesen – oder der Nash Healey, womöglich aber auch der AC 428 Frua...
Als der grosse Regen gegen 16.30 Uhr einsetzte waren schon viele Besucher nach Hause gefahren. Wie die Organisatoren bestätigten, war dies wohl das bislang bestbesuchte «Wald Rollt». Gemäss OK wird es nächstes Jahr eine etwas kleinere Version geben, die Bahnhofstrasse wird saniert und steht nicht zur Verfügung, und auch die Struktur der Organisation wird anders. Dass hingegen die Art und Weise dieses eher ungewöhnlichen Meetings stimmt, hat es am 15. Juni einmal mehr sehr eindrücklich bewiesen.


































































































































































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