Die Vorzeichen waren sicherlich nicht gut gewesen! Nachfrage-Rückgang, sinkende Preise bei klassischen Automobilen, die Rückkehr des Winters und dann noch die mediale Corona-Hysterie liessen manchen Beteiligten vor Beginn der Retro Classics in Stuttgart die Stirn sorgenvoll runzeln. Doch als die Tore am 27. Februar 2020 geöffnet wurden, da wich die Skepsis entspanntem Enthusiasmus.
Dass schlussendlich rund ein Drittel weniger Besucher als im Vorjahr an die vom 27. Februar bis 1. März 2020 dauernde Oldtimermesse kamen, wirkte sich weniger negativ aus, als man hätte vermuten können. Viele Aussteller waren sogar froh, dass sie nicht ständig überrannt wurden und sie vermeldeten gute Gespräche. Natürlich fehlte da und dort ein Aussteller, vor allem die italienischen Anbieter waren arg ausgedünnt worden, doch die Herrmanns organisierten ihre Messe gut, so dass kaum Leerflächen zu sehen waren. Es profitierten die gewerblichen und privaten Autoverkäufer, die mehr und bessere Flächen zur Verfügung gestellt erhielten.
Und die geschätzten 60’000 bis 65’000 Besucher konnten sich sowieso nicht beklagen, denn was sie an der 20. Retro Classics an Sonderschauen und Attraktionen geboten erhielten, war sicherlich aussergewöhnlich und ein Augenschmaus.
Die Sonderschau der Superlative
Jeder, der sich ein bisschen für Rennsport interessiert, kennt die Erdölmarke Gulf, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren manchem Rennwagen seine hellblau-orange Lackierung gab. Besonders im Langstrecken-Prototypensport waren Autos mit Gulf-Bemalung über Jahre an vorderster Front zu beobachten. Da erstaunt es nicht, dass jemand auf die Idee kam, diese Autos zu sammeln. Dieser Mann hiess Roald Goethe, ein Deutscher, der seit vielen Jahren in Grossbritannien lebt.
Wer die Sammlung mit rund 40 Fahrzeugen heute anschaut, kann sich kaum vorstellen, dass nur rund zehn Jahre für den Aufbau dieser einmaligen Zusammenstellung besonderer Rennwagen verging. Dass dazu auch eine bedeutende Menge Geld und viel Enthusiasmus, aber auch ein gutes Netzwerk und viel Fachwissen nötig war, versteht sich von selbst. Und dies führte Goethe mit Duncan Hamilton zusammen.
Einige der wertvollsten und legendärsten Wagen der Sammlung tragen das Porsche-Logo und so kam es nicht von ungefähr, dass Stuttgart für eine Präsentation der ROFGO Collection geradezu prädestiniert war. So jedenfalls stellte es Goethe an der Pressekonferenz dar, in der er erklärte, dass er anfänglich wohl etwas blauäugig an die Sache herangegangen war: “I created a monster”, meinte er in Anspielung auf die Dimensionen, welche die Sammlung in wenigen Jahren annahm. Aber es sei ein sympathisches Monstrum, fügte er schnell hinzu.
Und so standen sie dann im Atrium beim Eingang Ost, 21 Rennwagen unten und weitere fünf beim Eingang. Den besten Platz erhielt der Porsche 917 K von 1970, der zwar in Le Mans nicht gewinnen konnte, mit Herbert Müller und Richard Attwood aber mit nur zwei Runden Rückstand hinter Van Lennep/Marko Zweiter wurde. Chassis 026 wurde auch von Jo Siffert und Derek Bell pilotiert und landete auf Platz 5 in Sebring.
Gleich neben dem Porsche 917 K stand ein Ford GT40, kaum weniger Ikone als der Porsche. Chassis 1084 gewann zwar ebenfalls nicht in Le Mans, errang aber in Spa und Watkins Glen gute Platzierungen.
Rechts neben dem Porsche 917 K stand ein weiterer Rennwagen, den man eng mit der Gulf-Lackierung in Verbindung bringt, der Porsche 908/3. Gebaut für kürzere und schnelle Langstreckenrennen gehörte der 908/3 die den stetigen Siegeskandidaten auf den Nürburgring oder an der Targa Florio. Chassis 12 wurde nur einmal in Gulf-Farben gefahren, Jo Siffert und Derek Bell hätten mindestens Zweite bei den 1000 km auf dem Nürburgring werden können, doch ein Riss im Rohrrahmen vereitelte eine gute Positionierung.
Natürlich gelang es Goethe und Hamilton, Le-Mans-Sieger zu kaufen, so etwa den Mirage G8 von 1975. Auch andere erfolgreiche Langstrecken-Rennwagen ergänzten die Atrium-Aufstellung, so etwa eine Reihe von Mirage-Rennwagen.
Hinten stand in Stuttgart aber eine rein orange-farbene Reihe, unterbrochen von einem weissen Formel-Wagen. Dies waren Fahrzeuge der Marke McLaren, die ursprünglich nicht auf die eigene Markenfarbe verzichten wollte, später aber mit den immer mächtigeren Sponsoren auf weiss (Yardley) wechselte.
Im Eingangbereich stand dann noch der LKW, der die Porsche 917 1971 in die Sarthe transportierte. Dazu gesellten sich ein Porsche 911 Carrera RS 2.7, ein Brabham BT26, ein Sauber-Mercedes C11, den man nicht so ganz in Verbindung mit Gulf bringen konnte, sowie ein Howmet TX, bei dem es sich um ein besonders interessantes Rennfahrzeug handelte, denn er wurde von einer Gasturbine angetrieben. Und er konnte sich in den Sechzigerjahre mehrmals gegen herkömmlich angetriebene Konkurrenten durchsetzen.
27 der 40 Fahrzeuge der ROFGO Collection wurden in Stuttgart gezeigt, zuhause blieben mussten etwa ein Audi R8 oder der Tyrrell 007, der in seiner zweiten Saison vom Privatier Alessandro Pesenti-Rossi eingesetzt worden war, als das Werksteam schon längst mit dem P34 und sechs Rädern unterwegs war.
Eine Vorkriegs-Sonderschau als Gegenpol
Am anderen Ende der Messe Stuttgart, nämlich in der Halle 10 beim Eingang West fand sich dann die andere grosse Sonderschau, die nicht weniger spektakulär war, auch wenn sie nach komplett anderen Massstäben beurteilt werden musste. Avions Voisin baute in den Zwanziger- und Dreissigerjahren rund dreissig verschiedene Automodelle und produzierte etwa 10’000 Exemplare davon.
Die Autos zeichneten sich durch niedriges Gewicht, gute Aerodynamik hohe Laufruhe, viel Praxisnutzen und gute Ergonomie aus, Eigenschaften die man eben auch im Flugzeugbau schätzen gelernt hatte. Mitverantwortlich war André Lefèbvre, der später bei Citroën so legendäre Modelle wie den Traction Avant, den 2CV oder den DS mitgestaltete.
Mit dem zweiten Weltkrieg kam das Ende der Luxuswagenproduktion, aber nach dem Krieg konstruierte Gabriel Voisin noch den Kleinstwagen Biscuter, der in Spanien in grosser Stückzahl hergestellt wurde.
Etwa 260 Voisin-Automobile sollen die Jahrzehnte überlebt haben, deren 16 Stück konnten in Stuttgart in einem leider etwas kleinen Ausstellungsbereich gezeigt werden, darunter die Modelle C1, C4, C26 und ein Biscuter.
Es dürfte sich vermutlich um eine der grössten Voisin-Ausstellung der letzten Jahre gehandelt haben und dazu mussten die Wagen vor allem aus Frankreich, aber z.B. auch aus der Schweiz nach Stuttgart gebracht werden.
«911 Profi's -»
8370 Sirnach TG / Ostschweiz, Schweiz
- Fahrzeughandel
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- und weitere ...
Porsche, RUF
Viele weitere grössere und kleinere Sonderausstellungen
Mit der Gulf- und der Voisin-Sonderausstellung war es aber in Stuttgart nicht getan. Viele Aussteller organisierten weitere Spezialausstellungen, die bei mancher anderen Messe sicherlich als Höhepunkt gehandelt worden wären.
So war in Halle 4 eine Aufstellung interessanter BMW-Motorräder zu bewundern, in Halle 8 gab es beim AMSC Leonberg eine Reise durch die Schweizer Motorradherstellerlandschaft anzutreten.
In Halle 7 wurden schöne Alfa-Romeo-Modelle präsentiert und mancher Händlerstand sah ebenfalls wie eine Sonderschau aus, so etwa die BMW-Aufstellung von Eberhart Classic.
Und nicht vergessen sollte man auch die Spezialitäten, die zum Beispiel in Form von Glühkopflegenden bei den Schleppern oder mit besonderen Nutzfahrzeugen und Omnibussen gezeigt wurden.
Ein eindrücklicher Marktplatz
Mit rund 140’000 Quadratmetern ist die Retro Classics die grösste der grossen Oldtimermessen und der Fahrzeughandel steht im Zentrum. Entsprechend boten nicht nur viele Premium-Händler ihre hochpreisigen Autos an, sondern auch viele gewerbliche Händler und Private.
Insgesamt 1800 Autos wurden in Stuttgart in der Verkaufsbörse angeboten, eine eindrückliche Zahl.
Erfahrungsgemäss hatten Porsche und Mercedes-Benz die grössten Anteile und von manchem Modell konnte man sich schon fast die Farbe und Ausstattung auswählen, aber wer durch den über mehrere Hallen verteilten Marktplatz spazierte konnte auch Raritäten und Spezialitäten aufstöbern, so etwa mehrere Veritas, einen Porsche 917, einen Mercedes-Benz-Leichenwagen oder seltene Bugattis.
Der Trend zum Youngtimer und jüngeren Oldtimer setzte sich auch 2020 in Stuttgart fort, aber inzwischen gehört bekanntlich ja selber ein R129 zu den Oldtimern, ist also über 30 Jahre alt geworden.
Gleiches gilt auch für fast die ganze Porsche-Vier-/Achtzylinder-Palette der Siebziger- und Achtzigerjahre und selbst eine BMW M3 oder Z1 kann schon ein H-Kennzeichen erhalten. Ähnliches gilt z.B. auch schon bald für den Audi RS2, der als einer der wenigen Kombis höchstes Sammlerinteresse erreicht.
Nahtloser Übergang zum Neuwagen?
Seit Jahren schon setzen sich Andreas und Karl-Ulrich Herrmann für die NeoClassics, die Klassiker der Zukunft ein. Auch an der Messe Stuttgart gab es unter diesem “Label” viele Autos zu sehen und zu kaufen.
Und während sich ein moderner Ford GT noch einigermassen in diese Kategorie einstufen lässt, stehen dann aber bei manchem Klassikerfan ein Fragezeichen auf der Stirn, wenn er an einem Peugeot 208 oder an einem modernen Ford Fiesta vorbeiläuft. Da hatte die Emil Frey Schwabengarage, die ihr 100-jähriges Bestehen mit einem grossen Stand feierte, vielleicht doch ein wenig auf die falschen Autos gesetzt, denn statt der Neuwagen hätte sicherlich mancher Besucher mehr Freude an den früheren Modellen, die die hundertjährige Geschichte ja sicher hergegeben hätte, gezeigt.
Nicht nur Fahrzeughandel
Es wäre allerdings falsch, die Retro Classics auf eine reine Fahrzeughandelsmesse zu reduzieren. Tatsächlich zeigten auch viele Dienstleister, angefangen beim ADAC und bis zur Württembergischen, ihre Angebote und Produkte. Bei Classic Data konnte man sich über Fahrzeugbewertungen informieren, beim TÜV seinen vielleicht erstandenen Wagen gleich zulassen.
Restaurierer demonstrierten ihre handwerklichen Fähigkeiten und Vertreter der Fahrzeugakademie Schweinfurt zeigten gleich vor dem Publikum, was es bedeutet einen Oldtimer instandzusetzen.
Neben den Dienstleistungen wurden natürlich auch Teile (Halle 9), Literatur und mannigfaltiges Zubehör angeboten in Stuttgart.
Clubs mit interessanten Spezialitäten
Einmal mehr eine essentielle Rolle übernahmen die Clubs, denn sie sprangen in jene Lücke, die Hersteller wie Porsche oder Mercedes-Benz, welche beide mit einem offiziellen Herstellerstand vertreten waren, offen liessen.
Besonders der “British Corner” liess die Besucher wieder einmal an die goldenen Fünfziger- und Sechzigerjahre erinnern, als die Briten die Könige der europäischen Autoindustrie waren.
Hochgehalten wurde von den Clubs aber auch die Fahne für längst vergangene Fahrzeugmarken und Baureihen aus Deutschland. So zeigte etwa der BMW V8-Club gleich mehrere Modelle mit dem berühmten V8-Motor.
Auch Kleinstautomobile waren gleich mehrfach vertreten und wer sich für den Capri von Ford interessierte, fand ebenfalls viel Anschauungsmaterial.
Auch Marken wie NSU oder Glas wurden vor allem dank der Clubs wieder lebendig und die vereinigten Opel-Clubs zeigten einige der wichtigsten Volumenmodelle der Rüsselsheimer.
Ja, man könnte noch lange weitererzählen, aber ein Blick in die über 300 Fotos umfassende Bildergalerie sagt eigentlich mehr als tausend (weitere) Worte.


































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































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