Am ersten Mai-Wochenende drehte sich in Frankreich eigentlich alles um die Präsidentenwahlen. Alles? Nicht ganz. In einem Vorort von Paris hiessen die Hauptakteure nicht Macron oder Le Pen, sondern Bugatti, Delage oder Amilcar. Aber auch Nichtfranzosen wie Frazer-Nash, Maserati oder Morgan waren ein Thema.
Auf der historischen Rennstrecke von Linas-Montlhéry, südlich von Paris, interessierten sich Teilnehmer und Zuschauer am 4. Vintage Revival ausschliesslich für Vorkriegsfahrzeuge. Wer durch die Unterführung in das Innengelände fuhr, drehte das Rad der Zeit zurück und tauchte in die Welt des Vorkriegmotorsports ein.
Das Autodrome von Linas-Montlhéry bildete die ideale Kulisse für diese einzigartige Veranstaltung. Seit 2011 wir die Veranstaltung im Zweijahres-Rhythmus durchgeführt. Während die ersten Ausgaben noch im fast intimen Rahmen über die Strecke gingen war am 6. und 7. Mai 2017 das Zuschauerinteresse schon sehr gross.
Auch die Startliste war kräftig gewachsen. So drehten auf der epochalen Rennstrecke mit den beiden gewaltigen Steilwandkurven über 450 Autos, Three Wheeler oder Motorräder aus den Jahren 1903-1939 ihre Runden.
Rekordfahrten in Montlhéry
Die im Jahre 1924 gebaut Anlage setzte damals Massstäbe. Zwei riesige Steilwandkurven mit 500 Metern (!) Durchmesser werden durch zwei Geraden mit 180 Metern Länge verbunden was eine Streckenlänge von 2548 Meter ergibt. Die Anlage liess damals eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 220 km/h zu, sofern die Fahrer am obersten Rand der Bahn blieben. Entsprechend prädestiniert war die Strecke für Langstrecken- oder Geschwindigkeitsrekorde, was sowohl von der aufstrebenden Autoindustrie in Frankreich als auch den Fahrzeugherstellern aus dem nahen England gerne genutzt wurde.
So stellte beispielsweise 1929 ein aerodynamisch gestalteter Hotchkiss AM 80, gefahren von einem Amateurteam, in 16 Tagen 33 neue Klassenrekorde in Montlhéry auf. Dabei wurden 65’000 km ohne grössere Defekte zurückgelegt. Hotchkiss leitete daraus die Werbung «in 16 Tagen um die Welt» ab.
Einige Jahre später, 1933 schickte Citroën die «Petite Rosalie» auf die Strecke. Der Wagen basierte auf dem Serienmodell Rosalie 8CV und stellte den Weltrekord für die grösste Distanz und längste Laufzeit auf. In einem Zeitraum von 134 Tagen legte «Petite Rosalie» 300’000 km auf der Montlhéry-Bahn zurück. Dies ergibt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 93 km/h. Beide Fahrzeuge, Citroën «Petite Rosalie» und der Hotchkiss AM80 Record Car waren 2017 in Montlhéry zu sehen.
Viele vergessene Marken
2017 ging es natürlich gemütlicher und ohne Rekordversuche zu und her. Ein Grossteil der Fahrer traf schon am Freitagnachmittag ein, richtete sich auf dem Gelände ein und absolvierte die obligatorische Fahrzeugabnahme. Neben der technischen Kontrolle fand sich auch immer Zeit für eine Plauderei zwischen Fahrer und Funktionär. Alles wirkte locker und familiär. Die Szene kennt sich.
Wohl nirgends sonst ist die Dichte an Bugatti, Amilcar oder Frazer-Nash grösser als am Vintage Revival Montlhéry. Selbst Kenner der Szene bringt die Vielfalt an Fahrzeugen und Marken zum staunen. Wer erinnert sich noch an Hersteller wie Oméga, Alcyon oder Ratier?
Zwischen 1919 und 1930 soll es allein in Frankreich 360 Hersteller von Personenwagen gegeben haben. Viele dieser Hersteller sind in der Versenkung verschwunden. Die meisten waren kleine Unternehmen oder Werkstätten, welche in ihrer Geschichte nur wenige Fahrzeuge bauten.
Nieselregen
Am Samstagmorgen wehte ein kühler Wind und schon bald setzte Nieselregen ein. Die Autos und Three Wheeler waren in acht Felder von jeweils 30 bis 40 Fahrzeugen aufgeteilt. Um 09.00 Uhr wurde das erste Feld (Plateau) auf die Strecke gelassen. Gefahren wurde im Uhrzeigersinn. Dies im Gegensatz zu früher, als der Kurs mit beiden Steilwandkurven im Gegenuhrzeigersinn gefahrenen wurde.
Beim Vintage Revival 2017 war nur eine Steilwandkurve im Streckenlayout integeriert. Die zweite Kurve wurde aussen umfahren, so konnte die Strecke verlängert werden, was bei den grossen Startfeldern sicherlich ein Vorteil bedeutete.
Viel Betrieb und rutschige Fahrbahn
Während das eine Feld jeweils seinen 15-minütigen Lauf absolvierte, reihte sich das nächste Plateau bereits schon in der Boxenstrasse auf. So wurde fast Nonstop ein Feld nach dem anderen auf die Piste geschickt. Altersbedingt verlor das eine oder andere Fahrzeug natürlich dann und wann auch etwas an Öl, was zusammen mit dem Regen zu einer sehr rutschigen Fahrbahn führte. Vor allem für die 200 Motorradfahrer wurden so die Streckenbedingungen sehr heikel.
Aber auch die Vierradpiloten hatten teilweise grosse Mühe die Kraft der Motoren auf die Strasse zu bringen. Denn trotz ihrem Alter haben einige dieser Wagen doch sehr leistungsfähige Triebwerke. Ausgangs der Schikane Nord, bei der Beschleunigung zur Steilwandkurve, liess es sich gut beobachten, wie die Piloten mit ausbrechenden Fahrzeugen und durchdrehenden Rädern kämpften.
Pausen und Aufhellungen
Mittags war jeweils eine kurze Pause angesagt. Das war dann auch die Gelegenheit, etwas zu essen oder einen Blick unter die eine oder andere Motorhaube zu werfen. An vielen Fahrzeugen sind die vergangenen Jahrzehnte nicht spurlos vorbeigegangen. Es ist augenfällig, wie die Patina mit Würde gezeigt wird. Am Sonntagmittag hörte der Regen endlich auf und so konnte der letzte von vier Läufen auf trockener Strecke absolviert werden.
Ein würdiger Abschluss für eine fantastische Veranstaltung welche eigentlich nur einen Fehler aufweist – sie findet leider nur alle zwei Jahre statt. Den Termin im Jahr 2019 (11. und 12. Mai) sollten sich Fans jedenfalls schon jetzt in der Agenda eintragen, Alfa-Romeo- und Morgan-Fahrer sowieso, denn diese werden dann besonders geehrt werden.