Gutbrod? Vielen wird dieser Marken- und Familienname kaum mehr präsent sein, aber bei einigen es trotzdem noch klingeln.
War da nicht etwas? Walter Gutbrod wurde oft mit Borgward verglichen. Und er war es, der im Jahr 1949 innert einiger Monate Deutschlands modernsten Kleinwagen entwickelte und als Gutbrod Superior auf den Markt brachte. Und da gab es auch noch die Motorräder und Autos der Marke Standard aus der Vorkriegszeit, aus gleichem Hause? Interessiert? Dann sollten Sie sich vielleicht das 272-seitige Buch mit dem Titel “Alles mit Motor – die Standard/Gutbrod-Story” genauer anschauen.
Eine Familiengeschichte
Die Autoren Jaus, Schwietzer und Schilperoord erzählen in ihrem gemeinsamen Buch vor allem einmal die Geschichte einer deutschen Unternehmerfamilie über zwei Generationen Gutbrod. Alleine schon dieser Teil ist spannend und zeigt, dass zu unternehmerischem Erfolg viele Komponenten nötig sind.
Wilhelm Gutbrod und sein Sohn Walter sind es hauptsächlich, welche die Geschicke vieler verschiedener Firmen, die sich mit den unterschiedlichsten Gerätschaften beschäftigten, deren gemeinsamer Nenner ein Motor war, was bis zu Rüstungsgüter und der Produktion von Teilen zum Messerschmitt Düsenjet ME 262.
Eine Motorradgeschichte
Den Gutbrods zu verdanken sind die Standard Motorräder, deren Technik zwar teilweise aus dem Ausland importiert wurde (z.B. Motosacoche), die aber doch einen guten Ruf hatten und auch den Weg in Richtung Automobil ebneten.
Vor allem aber sorgten sie auch für Motorsportruhm.
Eine Nutzfahrzeug- und Landwirtschaftsmaschinengeschichte
Die Motorisierung der Landwirtschaft lag den Gutbrods auch am Herzen, auch hier konnte mit geschickten Allianzen (u.a. Rapid aus der Schweiz) neue Technik nach Deutschland gebracht werden.
Und das Nutzfahrzeug war sowieso eine natürliche Ergänzung zu den Automobilen, die man in den Gutbrod-Fabriken baute, ob sie nun Standard Merkur oder Gutbrod Atlas 1000 hiessen.
Eine Autogeschichte
Aus Sicht zwischengas am interessantesten sind natürlich die Automobile, die Wilhelm und Walter Gutbrod in die Welt setzten. Da war einmal der mit Josef Ganz auf Basis des Maikäfers entwickelte Standard Superior, ein Kleinwagen mit Heck-/Mittelmotor und rundlicher Formgebung in den Vorkriegsjahren.
Und dann war da eben der Nachkriegsknüller Gutbrod Superior, der auf Basis einer Idee, dem Vorbild Fiat Topolino und viel kreativer Ingenieurleistung zwischen Mai und Dezember 1949 entwickelt wurde, angetrieben durch einen wassergekühlten Zweizylinder-Zweitaktmotor, der in seiner letzten Ausführung sogar mit einer Einspritzung versehen war.
Gutbrod hatte damit (praktisch parallel mit Goliath) das erste Serienautomobil Deutschlands mit einem eingespritzten Benzinmotor auf die Beine gestellt. Dass der Gutbrod Superior dazu noch Frontantrieb aufwies, sei nur am Rande erwähnt, spielt in den Ausführungen von Otfried Jaus, der sich diesem Kapitel angenommen hat im Buch, natürlich eine wichtige Rolle.
Drei Autoren, ein Buch
Dass drei Autoren an einem Buch arbeiten, ist nicht alltäglich, macht in diesem Zusammenhang aber viel Sinn, denn Jaus ist führender Experte bezüglich der Automarken Standard und Gutbrod, während Andy Schwietzer sich vor allem mit den Motorrädern der Marke Standard auskennt. Paul Schilperoord wiederum ist Journalist, Historiker und ein Kenner der Geschichte von Josef Ganz. Er restaurierte eines der frühesten heute bekannten Standard Superior Autos.
Die 10 Kapitel wurden unter den drei Autoren aufgeteilt, wobei das neutrale Technik-Kapitel 9 eine Ausnahme bildet.
Viel Text, wenig Bilder
Dass das 272-seitige Werk nun doch etwas textlastig daherkommt, liegt in der Natur der Sache. Die Verfasser wollten der Geschichte der Familie Gutbrod und der Beschreibung der Produkte ihres Schaffens genug Platz geben, da blieb für Bilder nicht allzu viel Raum übrig. Manch ein Detail hätte sich der bildorientierte Leser da vielleicht schon noch gewünscht, aber Archivfotos zu Standard/Gutbrod findet sich natürlich auch nicht gerade an jeder Ecke.
Immerhin sind aber alle Fahrzeugmodelle ausreichend bildlich dokumentiert und als kleines Zückerchen wurde als 10. Kapitel noch eine Bildersammlung mit überlebenden restaurierten und unrestaurierten Zeitzeugen angehängt.
Für Technik- und Industriegeschichte-Interessierte
Man braucht kein Gutbrod- oder Standard-Fan zu sein, um von der rund 64-jährigen Geschichte der Unternehmerfamilie Gutbrod, ihren Unternehmen und Produkten fasziniert zu sein. Man wird viel Neues erfahren und manches, woran man sich vielleicht aus anderem Kontext erinnert, frisch einordnen können. Und man erfährt eine Unternehmensgeschichte, die leider, genauso wie bei Borgward und Glas, nicht zum Erfolg führte, mit jenen aber immer wieder Ähnlichkeiten aufweist.
Ob einem dies EUR 48.90 wert ist, muss jeder selber entscheiden. Wirkliche Alternativen aber existieren nicht, und langweilen wird man sich im Laufe der 272 Seiten kaum, wenn einem das Thema nicht komplett fremd ist und man auf Hochglanz und Coffee Table Look verzichten kann.
Bibliografische Angaben
- Titel: Alles mit Motor - Die Standard/Gutbrod Story
- Autoren: Otfried Jaus, Andy Schwietzer und Paul Schilperoord
- Sprache: Deutsch
- Verlag: ceauto
- Auflage: 1. Auflage April 2022
- Format: Gebunden,
- Umfang: 272 Seiten, rund 200 mehrheitlich schwarzweisse Abbildungen
- ISBN: 978-3-200-08284-7
- Preis: EUR 48.90
- Kaufen/bestellen: Online beim Verlag “Rare & Unique Vehicles" oder im einschlägigen Buchhandel
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