Es dürfte nur wenige Leute geben, die sich für Autos interessieren und noch nie von Pininfarina gehört haben. Dabei hat die Designfirma Pininfarina nicht nur Automobile gestaltet und gebaut, sondern zeichnete auch für Lokomotiven, Inneneinrichtungen und Kugelschreiber verantwortlich, um ein paar Beispiele zu nennen.
Über 85 Jahre stand der Name Pininfarina für erstklassisches italienisches Design. Es dürfte kaum jemanden geben, der noch nie in einem von Pininfarina konzipierten oder gebauten Fahrzeug sass, denn es gehören einige der bekanntesten Autos überhaupt dazu, etwa der Peugeot 205 (und viele andere Peugeot-Fabrikate), der Alfa Romeo Spider (nebst vielen weiteren Alfas), der Lancia Aurelia, der Fiat Dino Spider, oder der Rolls-Royce Camargue. Am bekanntesten sind vermutlich die vielen Ferrari-Sportwagenmodelle, war Pininfarina doch für Jahrzehnte der Hausdesigner der Marke mit dem springenden Pferd.
Ein Buch über diese berühmte Designfirma zu schreiben, hat also viele gute Gründe. Und so schritt Günther Raupp, der bekannte Industriefotograf, dem wir u.a. die Ferrari-Kalender zu verdanken haben, mit Hilfe der beiden Co-Autoren Prof. Dr. Rolf Sachsse und Klaus Rosshuber zur Tat.
Schwergewichtig
Herausgekommen ist ein fast 3,5 kg schweres grossformatiges Buch, das mit seinen 37 Zentimetern Höhe nicht mehr ins Normregal passt. Die schöne Gestaltung erfreut, erinnert aber ein wenig an eine Firmenbroschüre, wenn auch eine sehr umfangreiche. Tatsächlich geht es im Werk “The Pininfarina Book” wohl eher um die Darstellung der heutigen Design-Fähigkeiten als um die Aufarbeitung der Geschichte.
Dies wird auch dadurch dokumentiert, dass ein erheblicher Teil des Werks Booten, Kugelschreibern, Wohnungseinrichtungen und Uhren, also klassischem Industriedesign gewidmet ist. Da sehen dann die Seiten auch einmal eher nach “Schöner Wohnen” als nach einem Autobuch aus.
Schwerpunkt Automobil
Den grössten Teil des Buchs nehmen aber trotzdem die Automobile ein und in mehreren Kapiteln wird ein Einblick in die Auto-Kreationen aus dem Hause Pininfarina geboten. Frühe Entwürfe wie ein Lancia Astura Cabriolet von 1936 oder der Alfa Romeo 6C 2300 Pescara vom selben Jahr sind im Kapitel “Classic Car Design” zu finden, aber auch das Fiat 1500 Cabriolet von 1940. Der Cisitala 202 Grand Sport von 1947, der vemutlich berühmteste Entwurf der Frühzeit, taucht im Kapitel “Elegance of Speed” auf. Die unvergesslichen Cabriolet-Entwürfe für den Alfa Romeo Duetto Spider und den Fiat 124 Spider findet man im Kapitel “Open your Mind”.
Natürlich gehen auch Pininfarinas Konzeptfahrzeuge, z.B. der Lancia Florida II von 1957, der Dino 206 Competizione von 1967 oder der Ferrari Modulo von 1970 nicht vergessen. Ihnen ist das Kapitel “Thinking the Future” gewidmet.
Fahrzeuge der Marke Peugeot, denen Pininfarina über Jahrzehnte half, schöne Autos zu bauen, sind im Kapitel “Advantage by Design” untergebracht. Und fast 40 Seiten reservierte Raupp für das Thema Ferrari, wo seine bekanntschönen Fotos so richtig brillieren können.
Interessant, besonders auch wegen der schönen Fotos, ist das Kapitel “Style never goes out of fashion”, das den noch fast frischen Entwurf des Sergio aus dem Jahr 2013 mit dem Dino Berlinetta Speciale von 1965 zusammenbringt.
Eher für Design-Enthusiasten
Wer sich vor allem für alte Autos interessiert, findet zwar im vorliegenden Werk einige Aufnahmen und Gedanken zu den grossen Entwürfen der drei Pininfarina-Generationen, komplett kann diese Übersicht aber nie sein, denn dafür wäre ein deutlich dickeres Buch nötig. Und eines, das mehr dem Werk von früher verpflichtet wäre, als den Arbeitsphilosophien und Ergebnissen von heute, die im vorliegenden Buch halt fast die Hälfte des Platzes einnehmen.
Textlich müssen die Beschreibungen einiges offen lassen, denn die verfügbare Fläche muss von vier Sprachen gemeinsam benutzt werden. Deutsch, Englisch und Italienisch hat man in Büchern schon ab und zu gemeinsam angetroffen, Raupps Werk aber enthält zudem eine chinesische Übersetzung.
Historisch interessierte Leser werden zudem ein umfassendes Werkverzeichnis vermissen, aber vor allem eine Abhandlung über die Zeit, als Pininfarina nicht nur für das Aussehen von Automobilen zuständig war sondern auch für deren Produktion in durchaus grossen Stückzahlen.
Und natürlich hätten die Hunderte von “Concept Cars” deutlich mehr Seiten verdient gehabt, als ihnen eingeräumt wurde. Pininfarina-Entwürfe waren immer wieder stilbildend und beeinflussten schliesslich die Autoindustrie über Jahrzehnte.
Blätterfreuden
So repräsentiert sich das 98 Euro teuere Werk denn halt eher als wunderschön illustriertes “Coffee Table Book”. Und man blättert gerne darin, ist der Druck doch gut geglückt und die Aufmachung appetitlich. Und damit rechtfertigt sich auch der Preis für den, der viel über Pininfarina der Gegenwart und ein wenig über deren Historie lesen wollte.
Bibliografische Angaben
- Titel: The Pininfarina Book
- Autoren: Günther Raupp, Prof. Dr. Rolf Sachsse und Klaus Rosshuber
- Sprachen: Deutsch, Englisch, Italienisch und Chinesisch
- Verlag: teNeues, erste Auflage 2015
- Format: Hardcover mit Schutzumschlag, 29 x 37 cm Umfang: 304 Seiten, ca. 250 Farb- und Schwarz-Weiß-Fotografien
- ISBN-10: 3832732349
- ISBN-13: 978-3832732349
- Preis: Euro 98.00
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