Regensburg, Porsche Zentrum anfangs November. Hierhin hatte Christian Geistdörfer, zweifacher Rallyeweltmeister und vierfacher Rallye-Monte Carlo-Sieger als Co-Pilot von Walter Röhrl zur Vorstellung seines Buches geladen. Das Wetter huldigt dem Stadtnamen, es schüttet bei der Anfahrt wie aus Kübeln.
Angesichts des prominenten Gastgebers, der es nicht versäumt hatte, seinen Chef Röhrl in die Buchpräsentation einzubinden, gestaltete sich bereits die Parkplatzsuche zu einer kleinen RAC-Rallye, allerdings fehlte das Roadbook.
Die Nummer 2
"Walter und ich"! Bereits im Titel greift Christian Geistdörfer nicht nur aus Respekt auf die Höflichkeitsfloskel zurück und nennt sich zuletzt. Diese Rangordnung wird sich durch das ganze Buch ziehen und charakterisiert das Setting des erfolgreichen Rallye-Duos, das von 1977 bis 1987 in verschiedenen Werks-Teams für zahllose Glanzstunden der Rallye-Geschichte sorgte. Geistdörfer weiss, wem er seine Titel verdankt, er nutzt allerdings die Gunst des Buches, um seinen Beitrag ins rechte Licht zu setzen.
Zu Recht, wie man schon nach wenigen Seiten als Laie eher erstaunt feststellt. Schon zur aktiven Zeit, stand der eher medienscheue Röhrl bei den Interviews im Mittelpunkt. Die Fragen zielten nach der Konkurrenz, nach der eigenen Wettbewerbsfähigkeit und im besten Fall noch nach der Technik des Autos. Wen interessiert da die Meinung des Beifahrers.
Im Schatten des Weltmeisters
Welchen Wert der Beifahrer und seine Meinung hat, wird einem nach dem Durchlesen des Buches klar. Auf über 220 Seiten lässt Geistdörfer seine Karriere Revue passieren. Saison für Saison wird der Weg seiner sportlichen Karriere nachvollziehbar und absolut unterhaltsam und lesenswert erzählt. Und wie der Titel schon suggeriert, es geht um die Zeit an der Seite von Walter Röhrl, die dabei mit Abstand den grössten Teil der Erzählung einnimmt.
Es ist eine Erzählung, die aus spannenden Aneinanderreihungen von Geschichten einen spannenden Einblick hinter die Kulissen der Rallye-Welt zulässt und zugleich das Verhältnis von Röhrl-Geistdörfer in ein neues Licht rückt.
Was macht eigentlich ein Beifahrer?
Unglaublich ist die Fülle der Aufgaben und Verantwortung des Beifahrers, wie sie Geistdörfer verstanden hat, bereits vor, nach und zwischen den Rennen. Diese Details lassen sich in einer Rezension nicht wiedergeben, die muss man gelesen haben und darf sie als Erkenntnisgewinn verbuchen.
Stellvertretend mag hier nur die Weiterentwicklung des Aufschriebs, wie Christian Geistdörfer sie voran getrieben hat, genannt sein. Dass die Verantwortung dann am Teamchef scheitern kann, musste auch der Autor erleben, der für so manche Etappe trotz defekter Bremsleitung eine Alternative zur Weiterfahrt ausgeheckt hatte, die dann vom Chef verworfen wurde.
Als Vermittler zwischen Auto, Servicecrew, Teamchef und der restlichen Szene und dem Fahrer war Geistdörfer so etwas wie der Diplomat des Teams Geistdörfer/Röhrl. Nicht unbedingt karriereabträglich für einen begnadeten Fahrer wie Röhrl, der ansonsten aber nie ein Blatt vor den Mund nahm und sich nie untreu wurde.
Offen und ehrlich
"Ich hab das Buch zunächst mit einem Journalisten geschrieben”, erzählt Geistdörfer, “dann aber gemerkt, dass alles nicht so rüberkommt wie ich das erlebt habe. Da habe ich mich dann selber hingesetzt und alles in ein paar Nächten so aufgeschrieben, dass es passt.”
Und es passt, keine Frage. “In jeder Saison habe ich eine ausführliche Geschichte eingebunden, mehr war leider aus Platzgründen nicht drin”, erklärt Geistdörfer.
Sein Buch schliesst konsequent mit dem Ende an der Seite von Röhrl. Über das Ende seiner Karriere, die ja bekanntlich bei Madza mit Hannu Mikkola fortgesetzt wurde, verliert er nur noch einige Sätze. Wir nutzten die Buchvorstellung, um Geistdörfer nach den Umständen bei Mazda zu fragen: “Ich hab damals die Mentalität der Japaner nicht verstanden. Ich kannte das Team von Toyota, aber das stand unter der Leitung von Achim Warmbold und war in Köln zu Hause. Bei Mazda haben die Japaner erst den Motor standfest gemacht, dann das Getriebe, dann das Fahrwerk. So kann man nicht gewinnen. Das habe ich auch dem Teamchef gesagt, aber so wollte der das nicht hören. Aber wissen wollte er es auch nicht.”
Am Ziel
Christian Geistdörfer gelingt es in seiner spannenden und lesenswerten Rückblende auf die Zeit an der Seite von Walter Röhrl viele neue Facetten des Duos aufzudecken. Respektvoll, aber offen und ehrlich beschreibt er diese Jahre und vergisst auch nicht abzurechnen. Die Jahre bei Lancia, aber insbesondere jene bei Audi erhalten durch Geistdörfers Ausführungen einen neuen Akzent. Die Entscheide bei Audi scheinen nämlich nicht immer so gradlinig und wohl überlegt getroffen worden zu sein, wie die Unternehmensgeschichte das verständlicherweise gerne deuten würde. Auch das komplexe, respektvolle Verhältnis zu Walter Röhrl bekommt dank dieses Buches eine neue Perspektive.
Glücklicherweise war Geistdörfer ein bekennender Hobby-Fotograf, der wo immer es möglich war, selber auf den Auslöser drückte. So erhält das Buch durch die persönlichen Bilder einen authentischen Blick des Autors auf die Geschehnisse.
Am Ende war es im Porsche Zentrum nicht anders als im Buch. Als Walter Röhrl den Show-Room betritt, eilen die Fans mit Modellautos, T-Shirts und Automobilia zum Regensburger und wollen eine Unterschrift. Ruhig und gelassen verfolgt der Gastgeber die Szene als Beobachter. Er war und ist sich dies gewohnt.
Bibliografische Angaben
- Titel: Walter und ich
- Autor: Christian Geistdörfer
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Delius Klasing, 1. Auflage 2016
- Format: Gebunden mit Umschlag, 239 x 274 mm
- Umfang: 228 Seiten, 108 Farb- und 18 s/w-Bilder
- ISBN: 978-3-667-10696-4
- Preis: € 39,90,
- Kaufen/bestellen: Online beim Delius Klasing Verlag , auf amazon.de , im McKlein Online-Shop oder im gut assortieren Buchhandel
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