Günstige Sportwagen waren Ende der Fünfzigjahre Mangelware, dies hatte die British Motor Company richtig erkannt. Um diese Lücke zu füllen, wandte man sich einmal mehr an Donald Healey. Das Ergebnis der Austin-Healey Sprite, ein bis heute ausserordentlich beliebter Roadster mit grosser Fangemeinde.
Überraschung
So richtig gerechnet hatte eigentlich niemand mit dem kleinen Kobold (Übersetzung von “Sprite”), als er im Mai 1958 fast gleichzeitig auf der halben Welt vorgestellt wurde.
In der Schweiz fand die Präsentation ab dem 19. Mai 1958 im Kursaal in Bern statt (noch einen Tag vor der offiziellen Weltpremiere in Monte Carlo) und die Berichterstattung setzte sofort und seitenweise ein, schliesslich konnte die Presse nicht jeden Tag über einen komplett neuen Sportwagen informieren.
Einfach und robust
Der Sprite entstand auf Initiative von John Lord, dem Chef der British Motor Company. Weil das Auto günstig werden sollte, war kompakte Ausmasse und eine einfache Konstruktion Pflicht. Mit einem Radstand von 232 cm, einer Länge von 337 cm und einer Breite von 135 cm, verbunden mit der Höhe von 126 cm, wurde sicherlich kein Raum verschenkt, schliesslich mussten zwei grossgewachsene Personen samt etwas Gepäck befördert werden.
Der wassergekühlte Vierzylindermotor sass unter einem komplett bis zur Windschutzscheibe hochschwenkbaren Karosserievorderteil, der Antrieb erfolgte via Vierganggetriebe und Kardanwelle über die Hinterräder. Als richtiger Roadster wurden die Seitenscheiben nur bei schlechtem Wetter montiert und das Dach bestand aus Kunststoffelementen und separat aufzuspannendem Gestänge.
Dank einer weitgehend selbstragenden Karosserie konnte das Gewicht niedrig gehalten werden und wurde mit 597 kg (trocken) angegeben.
Technik aus dem Regal
Um die Kosten tief zu halten, griffen Donald, Geoffrey und Brian Healey, wo immer es ging, ins Ersatzteilregal der British Motor Company. So stammte der 948 cm3 grosse obengesteuerte Motor mit seitlicher Nockenwelle und Ventilreib via Stossstangen und Kipphebel vom Austin A35, wurde aber mit der Montage von zwei SU-Vergasern auf 42,5 PS bei 5000 Umdrehungen gebracht. Das Vierganggetriebe wurden dem Morris Minor entlehnt, der erste Gang war unsynchronisiert und für die Kraftkopplung sorgte eine Einplattenkupplung.
Auch bei den Vorderradaufhängungen mit Dreiecksquerlenkern und Schraubenfedern konnte man auf Austin-Teile zurückgreifen, während die Hinterachse neu konstruiert wurde und eine starre Verbindung der beiden Räder in Kombination mit Viertelelliptikfedern und darüberliegenden Längslenkern aufwies. Mit einer Zahnstangenlenkung, die einen engen Wendekreis von rund 10 Meter ermöglichte, und hydraulisch angesteuerten Trommelbremsen an allen Rädern war der kleine Sprite auf der Höhe der Zeit.
Sportlichkeit zum günstigen Preis
Reinhard Seiffert konnte den kleinen Sportwagen bereits im Sommer 1958 testen. Er konnte seine Freude am britischen Roadster nicht ganz verhehlen:
“Man kann sogar ohne Übertreibung sagen, daß es zur Zeit kein anderes Fahrzeug gibt, das diese Freude am Fahren für so wenig Geld ermöglicht wie der Sprite. Man kann nämlich mit dem Sprite innerhalb seines Geschwindigkeitsbereiches nicht minder sportlich fahren als mit wesentlich größeren Wagen, und erheblich sportlicher, als es den nüchternen Beschleunigungszahlen nach aussieht, denn der Sprite ist den in der Leistung gleichwertigen Tourenwagen, die wir vorhin erwähnten, in einigen Dingen deutlich überlegen.”
Natürlich musste auch Seiffert zugeben, dass es an Komfort mangelte und dass man im Winter in einer ähnlich teuren Limousine deutlich besser untergebracht war. Zudem konnte der Sprite auch bei den Fahrleistungen keine Bäume ausreissen, für einen Einliter-Wagen gingen die 29,7 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h und die Spitze von 126 km/h aber durchaus in Ordnung. Zudem war der Austin-Healey sparsm, es reichten 9,1 Liter pro 100 km für durchaus sportliches Vorwärtskommen.
Für Kritik sorgten allerdings der fehlende Zugang zum Kofferraum, das Gepäck musste durch den Innenraum nach hinten geschoben werden, und die umständliche Montage des Dachs.
Dafür überzeugte das weitgehend neutrale Fahrverhalten und die stupende Handlichkeit, die sich aus zierlichen Dimensionen und niedrigem Gewicht ergaben.
Ähnlich sahen dies auch die Schweizer Probefahrer der Automobil Revue, die ein positives Fazit zogen:
“Es scheint ein gesundes und vernünftig gebautes Fahrzeug für sportliche Fahrer aller jugendlichen Jahrgänge zu sein und dabei wirklich ein Minimum an Betriebskosten zu verlangen. Sein Erfolg erscheint – wenn nicht alles trügt – sowohl in unserem Land wie auch, und zwar noch in wesentlich grösserem Ausmass, auf der ganzen Welt gesichert.”
Der Austin-Healey Sprite der ersten Stunde war für einen Sportwagen günstig, insgesamt aber trotzdem nicht billig. Bei DM 6990 begannen die Preise in Deutschland, Heizung (DM 140), Drehzahlmesser (DM 60), Scheibenwascher (DM 35) oder Persenning (DM 93) kosteten Aufpreis.
In der Schweiz verkaufte Emil Frey den Sprite als Standardversion für CHF 7850 oder als Deluxe-Variante (inklusive Heizung/Defroster, Tourenzähler und Scheibenwacher) für CHF 8170.
Zum Vergleich kostete ein VW Käfer De Luxe DM 4600 oder CHF 6425, das Käfer Cabriolet DM 5990 oder CHF 8475, das VW Karmann Ghia Coupé DM 7500 oder CHF 10’465 und ein Triumph TR3 DM 8990 oder CHF 12’650. Gerade bei letzterem zeigte sich der Preisvorsprung, schliesslich konnte man immerhin 2000 DM oder über 4000 Franken sparen, wenn man mit etwas weniger Leistung zufrieden war.
Design mit Besonderheiten
Während man damals noch davon sprach, dass die Grundform von Pinin Farina stamme, scheint man sich inzwischen sicher zu sein, dass der Brite Gerry Croker die Basisarbeit leistete, die dann von Les Ireland vollendet wurde.
Tatsächlich erinnerte das rundliche Heck ein wenig an Ferrari-Rennsportwagen der frühen Fünfzigerjahre, während die Front sich eher an anderen britischen Sportwagen zu orientieren schien.
Eine Besonderheit waren dabei die Anordnung der Scheinwerfer. Diese wollten die Austin-Stylisten ursprünglich tief in den seitlichen Koftlügeln integrieren, doch hätte der Wagen dann wegen der in den USA vorgeschriebenen Mindesthöhe der Leuchten nicht zugelassen werden können.
Also wollte man die Scheinwerfer weiter zur Mitte versetzen und schwenkbar montieren, ähnlich wie das später beim Lamborghini Miura gezeigt wurde. Doch diese Lösung fiel dem Rotstift zum Opfer, am Ende wurden die Leuchten sozusagen in der ausgefahrenen Position fest montiert.
Zusammen mit dem Kühlergrill und der Form der schwenkbaren Fronthaube erinnerte der Sportwagen nun ein wenig an den Frosch, darum wurde er auch “Frogeye” oder “Froschauge” genannt.
Hässlich?
Schon Reinhard Seiffert kritisierte die aufgesetzten Scheinwerfer und diese Kritik zog sich durch viele Presseberichte. Heute mag das unverständlich erscheinen, ist es doch gerade diese Frontpartie, die dem Sprite seinen unverwechselbaren und sympathischen Charakter gibt.
Damals aber sannen viele Leute um Abhilfe.
Der Schweizer Importeur Emil Frey etwa stellte in Safenwil eine abgewandelte Fronthaube aus Kunststoff für den Sprite her und bot sie bereits im Sommer 1959 an.
Auch Ghia Aigle gab dem Frontteil mit aussen montierten Scheinwerfern einen moderneren Look.
Und der Amerikaner Jim Geddes gestaltete eine Fronthaube mit breitem Kühlereinlass und aussenliegenden Leuchten.
Deutlich weiter ging dann noch Tom Tjaarda, der in Diensten von Ghia für Innocenti eine adrette Cabriolet-Karosserie für den Sprite zeichnete. OSI baute dann die Karosserien, die am Turiner Autosalon von 1960 erstmals der Öffentlichkeit gezeigt wurden. Im Vergleich zum originalen Sprite gab sich der Innocenti 950 deutlich komfortabler, verfügte über längere Türen und versenkbare Seitenscheiben. Immerhin 4790 Exemplare des Spiders 950 wurden gebaut.
Mehr Freude dank Frisur?
Sprite-Käufer modifizierten allerdings nicht nur die Form ihres Sportwagens. Beliebt waren auch Leistungssteigerungen, die aus dem 42,5 PS starken Basis-Sportwagen mit vom Werk angebotenen Tuning-Teilen ein 55 PS schnelles Geschoss werden liessen. Noch weiter ging Tuner Alexander, der mit neuen Kolben, einem anderen Zylinderkopf, verstärkten Ventilen und Federn, einer modifizierten Auspuffanlage und Verfeinern vieler Motorkomponenten auf 64 PS erzeugte.
Mit modifizierter Frontpartie und Coupédach war ein Alexander Sprite schon einmal für 185 km/h gut. Und damit war das Ende er Fahnenstange noch nicht erreicht.
Eingebaut werden konnte auch ein Kompressor des Typs C/75/Bvon Shorrock und dann lagen 68 PS bei 5700 Umdrehungen an, genug für 10,8 Sekunden für den Spurt von 0 bis 60 Meilen pro Stunde und eine Spitze von gegen 170 km/h. Bei Rekordversuchen mit optimierter Karosserie waren sogar 236 km/h möglich.
Dass ein Sprite auch im Rennsport eine gute Figur machen konnte, bewies das Werk gleich selber. Klassensiege (z.B. in Sebring) und viele beachtliche Erfolge zeigten den kleinen Sportwagen als ernsthaften Motorsport-Konkurrenten.
Spätere Besitzer eines Sprite hatten es bezüglich Tuning dann noch etwas einfacher, sie konnten einfach auf die später im Sprite eingebauten grösseren Vierzylinder zurückgreifen und mit 1275 cm3 schon einmal von 65 PS profitieren.
Nur drei Jahre in der ursprünglichen Form
Bereits drei Jahre nach Einführung des Austin-Healey Sprite wurde im Mai 1961 eine neue, technisch eng verwandte Version vorgestellt. Die Kritiken waren erhört worden und die Karosserie orientierte sich am damaligen Zeitgeschmack.
Das Heck nahm das Hinterteil des noch nicht vorgestellten MGB vorweg, die Front erhielt aussenliegende Scheinwerfer und einen breiten Kühlergrill. Zudem überzeugte der Mark II nun mit einem Kofferraumdeckel. Als Schwestermodell erhielt er zudem den MG Midget , der weitgehend mit dem Austin-Healey identisch war. Ab dann wurden Sprite und Midget parallel geführt, bis der Bau der Healey-Variante 1971 komplett aufgegeben wurde.
Vom rückwirkend Mark I genannten Ur-Sprite waren 48’987 Exemplare und sie sind heute die mit Abstand gesuchtesten Versionen, deren Bewertung schon gerne einmal doppelt so hoch liegen wie jene der Mark II bis IV. Mochten die Froschaugen die Käufer damals nur begrenzt begeistern, so sind sie heute Kult.
Minimalismus mit Mehrwert
Passt man als 1,83 Meter langer Mensch überhaupt in ein Auto, das nur rund 3,3 Meter lang und 1,35 Meter breite ist? Kein Problem, der Einstieg gelingt problemlos und innen sind die Platzverhältnisse besser als man es aufgrund der zierlichen Dimensionen vermuten würde.
Mit der rechten Hand dreht man den Zündschlüssel und lässt den Motor dann mit einem Startzug seine Arbeit aufnehmen. Natürlich ist der Vierzylinder kein Leisetreter, aber zum kleinen Sportwagen passt sein brummendes Naturell perfekt.
Die Viergang-H-Schaltung gibt keine Rätsel auf, der erste Gang sollte nur im Stand oder mit Zwischengas eingelegt werden und ganz geräuschlos verrichtet das Getriebe seine Arbeit nicht immer. In Fahrt gibt es aber kaum Probleme und die sehr direkte Lenkung macht den kleinen Roadster unglaublich handlich. Der Blick über die Haube ist ein echtes Erlebnis, die Rundumsicht bei offenem Wagen komplett barrierefrei.
Noch selten hatten wir mehr Spass mit so wenig Auto und das lag zum Teil auch an den Passanten, denen der herannahende Sprite mit seinem fröhlichen Froschgesicht fast immer ein Lächeln entlockt.
Billig sind gut erhaltene Austin-Healey Sprite der ersten Generation allerdings schon lange nicht mehr, selbst das fünffache des damaligen Neupreises können, je nach Währung, heute nur noch knapp für den Kauf ausreichen.
Wir danken der Oldtimer Galerie Toffen , die den Sprite von 1959 am 27. März 2021 versteigern wird, für die Gelegenheit zur Fotofahrt.
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