Zwischengas war anlässlich der neuen "Grand-Prix-Ikonen"-Sonderausstellung zu Besuch im Nationalen Automuseum bei Professor Friedhelm Loh, der mitten im hessischen Siegerland eine weltweit beachtete und sicher zu den globalen "Top 10" zählende Sammlung historischer Automobile und Rennfahrzeuge aufgebaut hat.
Dies hat er über viele Jahre quasi "nebenbei" vollbracht; also neben der Rolle als aktiver Unternehmer und Chef von 13'000 Mitarbeitern oder neben seiner Funktion als Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.
Im Zwischengas-Interview erzählt er, wie alles begann, warum er es tat und warum er es wieder tun würde. Das Gespräch führte Marcel Pelletier.
Zwischengas (ZG)
Guten Morgen Herr Prof. Loh und ganz herzlichen Dank für die Gelegenheit, mit Ihnen über Ihr Herzensprojekt reden zu können, die "Loh Collection" im Nationalen Automuseum.
Herr Loh, was war Ihr erstes Sammelobjekt oder das erste Fahrzeug, bei dem Sie sich gesagt haben: "Jetzt fange ich an zu sammeln"?
Prof. Friedhelm Loh
Ich habe als Zehnjähriger einen Freund meines Vaters beobachtet, der mit einem ganz neuen Mercedes-Benz 190 SL bei uns vorfuhr. Und dieses Auto hat sich einfach von der Silhouette bei mir eingebrannt. Da habe ich mir gesagt: "Wenn du einmal kannst, kaufst du dir so ein Auto." Das habe ich später auch gemacht.
Das war so gesehen das erste Auto. Dann kam das Nächste. Ich war zu der Zeit sehr stark Mercedes-Sammler – dazu ein bisschen Porsche. Doch irgendwann kam der Punkt, wo ich gesagt habe: "Ich habe euch alle gesehen." Dann habe ich alles wieder verkauft und von vorne angefangen, aber mit einem anderen Ziel!
ZG
Ein 190 SL ist aber heute wieder Teil Ihrer Sammlung…
Loh
Ja, korrekt. Ich habe wieder einen erworben; nun aber einen besseren. Er gehört einfach zu meiner Geschichte.
ZG
Mit welchem Ziel haben Sie danach neu losgelegt, und was war Ihre persönliche Triebfeder, historische Fahrzeuge zu sammeln?
Loh
Mich hat die technische Geschichte fasziniert – nicht nur einzelner Marken, sondern auch international. Was ist passiert in den USA? Was passiert in Italien? Was ist in England passiert? Also ich wollte ganz bewusst eine internationale Sammlung aufbauen, um den Menschen die Entwicklung des Designs in der Weltgeschichte und die Technik zu zeigen. Das Echo – dafür bin ich sehr dankbar – ist: Die Sammlung wird sehr gut angenommen.
ZG
Wenn man sich in Ihrer Sammlung umschaut, entdeckt man viele, meist in ihrer historischen Relevanz ganz besondere Fahrzeuge. Es ist nicht nur ein Modell, sondern oft "das" ganz besondere Fahrzeug einer Baureihe, was man hier zu sehen bekommt. Man könnte den Eindruck gewinnen, es ging und geht Ihnen auch darum, eine im weltweiten Vergleich besonders wichtige Sammlung aufzubauen?
Loh
Das war nie mein Ziel. Ich habe Autos mehr oder weniger aus der Faszination heraus gekauft, weil ich ja nie die Idee hatte, ein Museum daraus zu machen. Ich hätte auch kein anderes Auto gekauft, wenn ich früher gewusst hätte, dass es einmal für ein Museum sein würde. Es war immer wieder diese besondere Geschichte eines Autos oder der Menschen dahinter, wer mit den Autos alles umgegangen ist und so weiter – das ist es, was mich fasziniert hat, und dadurch bin ich eben auch zu einem größeren Sammler mit einigen besonderen Fahrzeugen geworden.
Und die Idee für dieses Museum ist erst sieben oder acht Jahre alt; vorher war sie nicht da. Doch irgendwann habe ich mich einfach gefragt: Ist es gut und sinnvoll, wenn ich nur einmal die Woche oder alle 14 Tage eine Stunde Zeit habe für meine Sammlung? Und warum soll nur ich daran Freude haben? Ich bin ja noch in vielen Ehrenämtern und Unternehmen unterwegs und habe recht wenig Zeit – das ist für eine solche Sammlung einfach viel zu schade, wenn sie irgendwo nur verstaubt.
ZG
Also gibt es auch eine starke Motivation, die eigene Leidenschaft für historische Fahrzeuge zu teilen oder die Faszination für die technologische Entwicklung weiterzugeben?
Loh
Genau das. Wo wir hier sitzen, stand eine Industrieruine, aber mit ihr auch eine tolle Möglichkeit sie zu verwandeln. Und die Menschen in dieser Region sind mir ohnehin sehr ans Herz gewachsen. Ich möchte dieser Region und übrigens auch den jungen Menschen Danke sagen für das, was ich mit ihnen zusammen leisten und erleben durfte, und ich wünsche mir, dass ich vielleicht einigen von ihnen die Augen öffnen kann für die Details der automobilen Technologie- oder Rennsportgeschichte.
ZG
Wie wählen Sie die Autos aus? Haben Sie ein Team oder einen Kurator, der Sie unterstützt oder mit dem Sie sich beraten, weil Sie aus Gründen der Passion sicherlich auch selber auswählen wollen? Wie funktioniert das bei Ihnen?
Loh
Erstmal bin ich relativ spontan; ein wenig so wie bei anderen Sammlern. Es gibt ja Leute, die sammeln Gemälde, und entweder springt man drauf und sagt "Das ist es" oder auch nicht.
Jedes Auto hatte auch in meinem Leben irgendeine Geschichte, derentwegen ich gerade dieses Auto gekauft habe. Aber es ist schon so: Wenn man versuchen will, die Geschichte einigermaßen zu beschreiben, dann ist die Geschichte ja nicht mit einer Marke abgetan, mit einer Art Autos zu bauen. Sondern dann haben Sie eben das normale Strassenauto; sie haben das repräsentierende Auto; sie haben den Rennwagen; sie haben die DTMs; sie haben alles Mögliche!
Mir ging es immer darum, alles auch in einer Sammlung zu entwickeln – erstmal nur für mich, aber später dann auch für das Museum. Und damit hat diese Sammlung eine zusätzliche Sinnhaftigkeit erhalten – auch über das hinaus, was nur meine Begeisterung anbetrifft –, und dafür bin ich auch dankbar.
ZG
Ist eine gewisse Vollständigkeit an "sehr relevanten Autos" ein Ziel Ihrer Sammlung?
Loh
Nun ja, Vollständigkeit geht nicht. Denn was Sie hier sehen, sind ja oft Raritäten. Hiervon gibt es noch ein paar Stück (Anm. der Red.: die Exponate in der neuen Grand-Prix-Ausstellung). Es gibt natürlich noch viel mehr Autos, von denen es nur wenige Stück gibt. Und es gibt noch viel mehr Autos, die irgendwo eine besondere Geschichte geschrieben haben.
Irgendwie versucht man in der Geschichte der eigenen Sammlung einen roten Faden zu finden mit den gewählten Fahrzeugen. Und das sehen Sie auch bei der Formel-1-Ausstellung jetzt. Womit hat alles angefangen? Wie hat es sich fortgesetzt? Wer waren die Menschen, die dieses oder jenes Auto entwickelt haben? Wer waren die Fahrer, ohne die die Autos auch keine Siegerautos geworden wären?
Diese Kombination ist ja eigentlich extrem begeisternd, weil Menschen – und das ist mir ein wichtiger Punkt – Menschen haben die Gaben und die Begabungen. Wenn sie diese wirklich einsetzen, mit viel Willen verbunden – wie ein Benz, der eben einen Motor entwickeln wollte, oder der Herr Diesel oder was weiß ich –, dann kann man auf dieser Welt viel bewegen! Und das wird für uns in Deutschland in der Zukunft entscheidend sein: Wie viel Begeisterungsfähigkeit, wie viel Enthusiasmus, wie viel Risikobereitschaft haben wir, um in unserem Land in diesem internationalen Wettbewerb zu bestehen und Gewinner zu sein?
ZG
Gab es ein Fahrzeug, mit dem Sie beim Erwerb eine besondere Geschichte verbinden? Und gibt es Strategien, um an Fahrzeuge mit besonderer Historie "heranzukommen"?
Loh
Es gibt Strategien, aber es gibt zum Glück auch Zufälle. Nehmen wir den Bugatti 35, der hier immer wieder erwähnt wird, der Monaco-Sieger: Er hat vorher im Monaco-Museum des Fürsten gestanden. Ich hätte nie gedacht, dieses Auto erwerben zu können. Aber wie das eben bei vielen Autos so ist, gibt es irgendwo ein Beziehungsgeflecht, das man gar nicht unbedingt immer selber kennen muss und in dem man auch gar nicht alle Personenkreise kennen kann.
Es gibt da viele Menschen, von denen man weiss, dass sie wissen, was wo und wie läuft im Markt. Und deswegen ist das, was Sie hier sehen, keine Leistung von mir. Natürlich habe ich die letzten Entscheidungen getroffen. Aber es ist eine Leistung von vielen Menschen, die guten Willens waren daran mitzuarbeiten, dass so eine Sammlung überhaupt über die Jahre entstehen konnte.
ZG
Kennen Sie oder sind Sie auch im Austausch mit anderen Sammlern? Haben Sie beispielsweise schon einmal Jay Leno besucht oder kennen Sie vielleicht Sammler in der Schweiz?
Loh
Ja, ich kenne eine Reihe – Louwman und so weiter. Wir kennen uns, aber ich glaube jeder Sammler – und das zeigt sich in jeder Sammlung – hat irgendwo sein Ding, seine Spezialität. Das ist sicher so.
ZG
Und was ist ihr Ding – wenn Sie es in einem Satz erklären würden?
Loh
Ja, das wäre sicher Internationalität, Technologie, Design und gerne auch Bildung!
ZG
Der Bildungsaspekt, den Sie verfolgen, ist durchaus ehrenwert. Es soll ja Sammler geben, die eher still und heimlich in der Tiefgarage oder "fürs Ego" sammeln, also für die Bedeutung der eigenen Person innerhalb einer – auf diesem Niveau – recht kleinen Szene. Wie finden Sie das?
Loh
Ja, das ist doch gar nicht schlecht, dass es auch solche Leute gibt. Sonst ständen manche Autos heute nicht hier – sie wären vielleicht einfach verschrottet worden. Also ich kann das vollkommen verstehen.
ZG
Doch Sie sind heute ganz anders motiviert?
Loh
Ja, dieses Museum hier ist jetzt genau mein Ding; mit viel Freude und Begeisterung. Wir haben Kooperationen mit einer Fachhochschule und einer Mittelschule in der Region. Professor Buck – Spezialist für Forensik – und Professor Henssler, der das Thema Design lehrt, unterstützen unsere Ambitionen, das Interesse an Automobiltechnik auch anhand der historischen Entwicklung zu vermitteln.
Das macht zehnmal mehr Freude, als alleine durch die Hallen zu gehen oder auch nur einigen Freunden zu zeigen, dass man viele Autos hat. Ich freue mich, wenn Kindern hier die Augen aufgehen und wir ein wenig die Flamme weitergeben. Das ist wunderschön!
Gerade auch für die Region hier ist mir das ein ganz, ganz wichtiges Anliegen. Und das andere ist das Thema Bildung: Wie kann ich aus einem Museum mit historischer Technik und technologischen Entwicklungen Menschen begeistern, sich generell mehr der Technik zu öffnen? Weil ich es für eine ebenso interessante wie wichtige Zukunftsvision halte, sich als junger Mensch mehr mit Technologie zu beschäftigen.
ZG
Welches Ihrer Autos bedeutet Ihnen besonders viel?
Loh
Alle bedeuten mir etwas, sonst ständen sie nicht hier!
ZG
Aber es gibt keines, bei dem Sie sagen: "Da bin ich besonders stolz, dass ich es besitze. Darüber freue ich mich am meisten."
Loh
Da können Sie eine ganze Menge nehmen: Da drüben steht ein Alfa Romeo 16C Bimotore, ein Einzelstück. Da können Sie natürlich stolz sein, dass Sie gerade das eine Auto haben, das es noch gibt auf der Welt. Ich beantworte diese Frage daher gerne ein bisschen anders, indem ich mich frage: Was wäre das letzte Auto, das die Sammlung verlassen würde, wenn ich sie denn verkaufen müsste?
ZG
Und?
Loh
Das wäre der Bugatti 35. Dieser hier, vor uns, Siegerwagen des allerersten Monaco-Grand-Prix; weil er einfach technologisch in seiner Zeit alles auf den Kopf gestellt hat. Das geht bei der Grösse, der Bauart des Motors los. Es geht weiter über die Geschwindigkeit der Boxenstops, weil man die Räder inklusiv Bremsen ab- und schnell wieder anbauen konnte. Es ist ein Wahnsinnsauto. Und dazu noch diese Patina.
ZG
Die ist in der Tat aussergewöhnlich schön. Patina wird zum Glück auch zunehmend anerkannt. So hat Fritz Burkhard im vergangenen Jahr mit seinem Typ 59 in Pebble Beach gewonnen – und es war dort das erste Siegerauto mit Original-Patina.
Gibt es denn ein Traumauto, was Sie noch nicht erwerben konnten? Oder ist es schon einmal vorgekommen, dass auch Sie einfach nicht herangekommen sind oder sich geärgert haben?
Loh
Also ich habe diesen Fanatismus nicht. Nein, das gibt es bei mir einfach nicht. Ich schaue mir schon immer an, was es für Gelegenheiten gibt. Und wenn ich kann – das kostet ja auch alles Geld – dann mache ich das. Aber ich bin jetzt auch nicht einer, der sagt "dieses oder jenes Auto muss ich haben und dafür gebe ich alles" – nein.
ZG
Sie wirken hier, in Ihrem Nationalen Automuseum zufrieden und ausgeglichen. Und dennoch die Frage: Würden Sie als Sammler denselben Weg nochmal einschlagen?
Loh
Gut, das ist natürlich schon ein Lernweg, den man geht, gar keine Frage. Und ich habe viel gelernt, durfte viel lernen. Es gibt natürlich einzelne Autos, bei denen man sich sagt "die hättest du dir nicht kaufen brauchen. Sie sind schön, aber haben nicht die Bedeutung gewonnen, die du einmal von ihnen erwartet hast." Das stört mich nicht, und ich würde es dennoch wieder so machen. Die Begeisterung der Menschen, die hier durchs Museum gehen, bestätigt, dass das nicht ganz falsch war. Und ich habe Freude daran.
ZG
Eine letzte Frage, betreffend die Zukunft des Automobils. Wir alle sehen und erleben, was da im Moment so entsteht, und viele haben das Gefühl, Autos werden immer mehr ein reiner Gebrauchsgegenstand, der einen von A nach B bringen muss – gewollt ohne Emotionen, weil die Autos dafür gar nicht mher konstruiert werden. Wie sehen Sie diese Entwicklung? Werden Autos einen ganz anderen Stellenwert bekommen als im letzten Jahrhundert?
Loh
Natürlich werden sie einen anderen Stellenwert bekommen. Wie manches andere, was mal eher ein Exot war und dann in das normale Leben übergeht. Und deswegen gibt es Massenhersteller. Die ersten Staubsauger und Waschmaschinen haben auch anders ausgesehen. Bis sie zu einem Produkt geworden sind, das für jeden zugänglich war – was ja auch ganz toll ist, weil es ja unseren Wohlstand ausmacht.
Und je mehr Menschen sich Autos oder überhaupt irgendwelche Fahrzeuge oder Transportmittel leisten können, um von A nach B zu kommen, umso besser ist das. Da kann man nur sagen "Dankeschön, dass dies so ist" – ob es die Bahn, ob es der Bus, ob es das eigene Auto ist.
Die Freiheit der Mobilität ist eigentlich die Überschrift über allem. Diese war es ja auch, glaube ich, die bei vielen Erfindern das motivierende Thema war.
Ich wünsche mir, dass wir viel mehr Menschen in unserem Land haben, die das Thema Freiheit in Verbindung mit Technik, mit technologischen Möglichkeiten und mit Wohlstand in Verbindung bringen. Und zwar Arbeit als Grundlage für Wohlstand, leistungsorientierter Wohlstand. Das ist auch das, was letztlich am meisten befriedigt. Das wünsche ich mir – und welches Auto man dann fährt, da wird es wahrscheinlich auch noch Nuancen geben und Alternativen. Aber der Gedanke der Freiheit ist wichtig, und das Auto verkörpert die Freiheit des Einzelnen.
ZG
Vielen Dank, Herr Professor Loh. Was Sie geschaffen haben, ist ein Traum für viele Sammler. Und danke für die großzügige Geste, Ihre Sammlung mit viel Effort und zusätzlichen Kosten allen Menschen zur Verfügung zu stellen. Das ist ein Geschenk an die Öffentlichkeit.
Loh
Ich habe zu danken für Ihren Besuch. Wir freuen uns auf alle Zwischengas-Leser hier bei uns im schönen und zentral gelegenen Dietzhölztal.









































































































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