Das Schlumpf-Museum oder wie es offiziell heisst Citè de l'Automobile - Nationalmuseum - Collection Schlumpf" ist eines der grössen Automobilmuseen weltweit und insbesondere für seine riesige Bugatti-Sammlung bekannt.
Die Geschichte der Entstehung des Schlumpf-Museums in Mülhausen ist weder gradlinig noch einfach zu verstehen. Für die Leser, die sie nicht mitverfolgen konnten, sei sie hier kurz zusammengefasst:
Die beiden Brüder Hans und Fritz Schlumpf gründeten 1935 die SAIL (Sociéte Anonyme pro l`Industrie Lainière), kauften ihre ersten Aktien der Kammgarnspinnerei Malmerspach und übernahmen 1940 die Mehrheit an mehreren Unternehmen wie 1956 Ersten und anschliessend Roubaix. 1957 kam auch noch die Textilfabrik HKD (Heilmann, Koechlin & Desaulles), eine traditionsreiche Wollspinnerei in Mülhausen dazu.
Beginn der Sammlung
Zwischen 1961 und 1963 kaufte Fritz Schlumpf heimlich eine grosse Anzahl klassischer Automobile. Um diese Käufe unbemerkt tätigen zu können, setzte er zahlreiche "Strohmänner" in Frankreich, in der Schweiz, in England, in Italien in Deutschland und in den Vereinigten Statten ein. Einige dieser Kontakte erwiesen sich als besonders ergiebig: 13 von ihnen verschafften ihm rund die Hälfte seiner Sammlung, d.h. mehr als 200 Autos. Unter ihnen war auch M. Rafaelli, Renault Vertragshändler und Eigentümer von mehreren Bugattis, den Fritz Schlumpf zu seinem Kaufberater machte. Diese Zusammenarbeit währte mehrere Jahre lang.
Der reiche Industrielle kaufte pausenlos europäische Autos der Glanzzeit, amerikanische lehnt er jedoch ab.
Im Mai 1965 erschien in der Zeitschrift "L`Alsace" der erste Artikel, der den Umfang der bis dahin geheimen Sammlung enthüllte. Fritz Schlumpf gewährte nämlich nur wenigen Auserwählten den Zutritt zu den Lagerhallen der Fabrik, in denen die Sammlung untergebracht war.
Präsentationsvorbereitungen
Im Jahr 1966 begannen die Arbeiten zur Präsentation der Sammlung. Das Ziel von Fritz Schlumpf lautete nunmehr, dem Publikum seine einzigartige Kollektion, die er binnen weniger Jahre zusammengetragen hatte, zugänglich zu machen.
Er liess einen Teil der Lagerhallen der Textilfabrik zum "Musée Schlumpf" umbauen. Diese umfangreichen Arbeiten nahmen mehrere Jahre in Anspruch. Alle Zwischenwände, die die unterschiedlichen Produktionsbereiche in der grossen Halle voneinander getrennt hatten, werden eingerissen. Diese neue Ausstellungshalle war 17’000 m2 gross und war wiederum in 23 rechteckige Teilräume aufgeteilt, die Platz für 10 bis 20 zu präsentierende Autos boten.
Diese Teilräume wurden von breiten gekachelten Alleen umrandet und trugen Namen wie "Avenue Carl Schlumpf", "Avenue Jeanne Schlumpf", "Rue Royale"….usw.
Gleichzeitig schritten die Restaurierungsarbeiten an den Oldtimern zügig voran. Ein umfangreiches Team war an der Arbeit: Mechaniker, Sattler, Spengler, Lakcierer und deren Gehilfen, in der Summe fast 20 Leute.
Auf diese Weise gab Fritz Schlumpf innerhalb von 10 Jahren rund 12 Millionen Francs für den Kauf und die Präsentation seiner Sammlung aus.
Krise und Enteignung
Am 28. Juni 1976 glitt die Textilindustrie in eine grosse Krise und die Arbeiter begannen mit einem Streik. Die Gewerkschaften prangerten den "Mangel an Verständigung" und die "Gesetzesumgehung" der zwei Industriellen an. Die Brüder Schlumpf versuchten ihre Fabriken für einen symbolischen Franc zu verkaufen. Als jedoch keine Angebote eingingen, traten sie von ihren Firmenposten zurück und flohen nach Basel ins Hotel "Trois Rois". Sie kehrten nie wieder nach Frankreich zurück. Ende 1976 wurden die 20 noch in der HKC-Fabrik verbliebenen Arbeiter entlassen und die Türen der Fabrik versiegelt. Danach beginnt ein langer Rechtsstreit zwischen den Brüdern Schlumpf und ihren Gläubigern.
Am 7. März 1977 wurden die Lager von den Gewerkschaften besetzt. Das "Musée Schlumpf" wurde in "Museum der Arbeiter" umbenannt. Unter der Aufsicht der Gewerkschaft CFDT war der Eintritt ins Museum kostenlos. Am Ausgang des Museums wurden Spenden gesammelt, mit denen die Kosten für die weitere Öffnung des Museums und die Fortsetzung der Aktion beglichen werden konnten. "Ich habe 1400 Franc pro Monat verdient, sehen Sie, wohin der Rest geflossen ist!", so hiess es auf einer der zahlreichen Infotafeln, die auf dem Kühlergrill eines Rennwagens platziert war. Das war der Anfang der sogenannten Schlumpf-Affäre.
Verstaatlichung
1978 wurde die Sammlung auf Anregung von Jean Panhard vom französischen Staatsrat als "Monument Historique" eingestuft, was bedeutete, dass keines der Sammlerstücke den französischen Boden verlassen durfte.
1979 bestätigte das Berufungsgericht Colmar die Ausweitung der Liquidation auf die persönlichen Vermögensgegenstände der Brüder Schlumpf, einschliesslich der auf Werkskosten restaurierten Automobilsammlung. Einige Stunden nach diesem Urteil gab die Gewerkschaft CFDT die Werksschlüssel wieder heraus.
Im Oktober 1980 gestattete das Kassationsgericht den Verkauf der Sammlung. Im darauffolgenden Jahr kaufte die "Association Propriétaire de Musée National de L`Automobile" sie zurück. Diese Vereinigung bestand zu jenem Zeitpunkt aus der Stadt Mülhausen, dem Département Haut-Rhin, der Region Elsass, der Industrie- und Handelskammer Mülhausen, dem Automobilclub de France, der Société Panhard sowie dem Comité du Salon de L`Automobile.
Unter dem Vorsitz des Präsidenten des Generalrats des Départements Haut-Rhin gelang es, 44 Millionen Francs für den Kauf der Sammlung zusammenzutragen. Dieser Pauschalwert wurde von den Brüdern Schlumpf angefochten und 20 Jahre später erhielten sie Recht und zusätzliche 25 Millionen Francs.
Am 10. Juli 1982 wurde das Musée Nationale de L`Automobile eröffnet.
Neueröffnung
Durch Urteile des Berufungsgerichts Paris wurde das Musée national de l`Automobile 1989 gezwungen, seinen Namen und sämtliche Dokumente, in denen von Teilen der Sammlung die Rede ist, um den Zusatz "Collection Schlumpf" zu erweitern.
Im Jahr 1999 wurde das Unternehmen Culturspaces mit dem Betrieb des Museums betraut. Nach umfangreichen Arbeiten eröffnete der neue Verwalter das teilweise renovierte und modernisierte grösste Automobilmuseum der Welt am 25. März 2000.
Erweiterung um ein Archiv
Ein weiterer wichtiger Höhepunkt kam jetzt in diesem Jahr dazu. Die Nachfahren der Gebrüder Schlumpf begannen mit dem Verkauf einiger Immobilien. Bei den Räumarbeiten stiess man auf das Automobil-Archiv von Fritz Schlumpf. Er hatte nicht nur die Autos akribisch zusammengetragen, sondern auch dazugehörige Papiere. Unterlagen, Fotos und den Schriftverkehr mit den Werken oder Restaurationsbetrieben wurden von ihm gehegt und gepflegt. Dazu kommen Original-Pläne von Alfa Romeo und Bugatti, sowie Overalls und Helme von Piloten bis hin zu Plakaten einiger Veranstaltungen.
Da sich der Streit zwischen der Familie Schlumpf und dem Museum über all die Jahre nie gelegt hatte, wollten die Schlumpferben dieses Archiv an jeden abtreten, nur nicht an das Museum. Obwohl dieses Archiv zum Museum gehört wie das Kind zu seinen Eltern, kam es in 20 verschiedenen Losen bei Christies zur Versteigerung.
Nur eine Stunde vor Beginn der Steigerung erhielt das Museum vom Ministerium das OK für den Kauf des gesamten Archivs, ein entsprechender Kredit wurde freigegeben. Ein heisses Steigerungsszenario, mit zwei Bietern im Saal, zwei am Telefon und weitere im Internet, nahm seinen Lauf.
Es kam zu einem Happy-End-Abschluss für das Museum. So konnte der Präsident vom Museum und Vorsitzender des Besitzervereins Monsieur Trimailles mit seinem Chef-Kurator Monsieur Keller im November 2015 einer Gruppe von Intressierten einen kleinen Einblick in die Unterlagen gewähren.
In Zukunft sollen nun laufend die einen oder anderen Archivdokumente ausgestellt und den Museumsbesuchern zur Einsicht vorgelegt werden.
Umfangreiche Dokumentation
Es ist faszinierend zu erkennen wie intensiv sich Fritz Schlumpf mit all seinen Autos beschäftigt hatte. Man stellt sich bei der sehr hohen Anzahl an Fahrzeug-Käufen ein wildes und wahlloses Zusammentragen vor. Dieser Eindruck täuscht jedoch, wie die zahlreichen Fotos und der Schriftverkehr beweisen.
Zu jedem Fahrzeug wurden die dazugehörigen Dokumente fein säuberlich in Mappen abgelegt. Teilweise handelte es sich bei den beschafften Fahrzeugen schon damals um sogenannte Scheunenfunde, welche Schlumpf zu jener Zeit sicherlich günstig übernehmen konnte. Allerdings erforderten diese schlecht erhaltenen Autos natürlich eine grundlegende Restaurierung, was der eine Brief deutlich zeigt. Fritz Schlumpf schrieb am 3. August 1964 an die Ledermanufaktur Lynn in Stuttgart: “Sehr geehrte Herren, ich danke für ihre freundliche Offerte vom 31. Ich finde ihre Schweinsleder viel zu hart und möchte die weiche englische Ausführung. Sind Sie in der Lage mir dieselbe zu besorgen. Hochachtungsvoll ...” (Brief wurde ohne Korrektur wörtlich übernommen).
Für die Restaurierung des Alfa-Romeo aus dem Besitz des Schweizer Rennfahrers Peter Dätwyler wurde im Werk kurzerhand nach den Original-Plänen gefragt. Schlumpf bekam sie auch tatsächlich, wie auf dem Foto zu sehen ist.
Von Bugatti besessen
Fritz Schlumpf war von der Marke Bugatti völlig besessen. So kaufte er nicht nur ein Fahrzeug pro Modell, nein er hamsterte alle erhältlichen Exemplare und es war ihm auch ziemlich egal, in welchem Zustand sich die Autos befanden. So kamen stattliche Modell-Zahlen zusammen. Man munkelte, dass Schlumpf alleine vom Bugatti Typ 35 deren 30 Autos besessen habe! Vom Atalanta seien es es sieben Stück und vom Typ 57 sage und schreibe 15 Exemplare!
Der erste von Bugatti 1931 gebaute und dann verkaufte Typ 41, konnte von Fritz Schlumpf nicht als Original in seine Sammlung aufgenommen werden, so wurde dieser anhand der Originalpläne und mithilfe diverser Originalteilen kurzerhand nachgebaut. Der Nachbau begann 1975 und endete 15 Jahre später.
So verkörpert nicht nur das Museum für sich einen aufregenden Werdegang, sondern jedes der Exponate könnte und kann auch noch eine ganz persönliche Geschichte erzählen.
Weitere Informationen zum Museum finden sich auf dessen Internet-Seite .
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