Am verlängerten Wochenende vom 2. bis zum 4. Februar fanden zwei grosse Messen gleichzeitig statt: die Rétromobile in Paris und die Classic Motorshow in Bremen. "Ja, wo geht man denn nun hin?", mag sich der eine oder andere angesichts dieser nicht einfachen Entscheidung gefragt haben. In den meisten Fällen wird vermutlich einfach die Distanz, wie weit man vom einen oder anderen Austragungsort entfernt wohnt, entschieden haben.
Die deutsche Hansestadt ist aus Schweizer Sicht noch ein gutes Stück weiter weg, lohnt aber trotzdem die Reise. Pech mit der Verkehrsinfrastruktur kann man in beiden Fällen haben. Letztes Jahr streikte das französische Bahnpersonal, dieses Jahr die deutschen Landwirte. Aber zum Glück standen die Unmengen an Traktoren dieses Mal nur auf den Brücken, welche über die Autobahn führten, so dass all die erzürnten Bauern ehrlichen Beifall von uns Vorbeifahrenden bekamen.
Die Bremen Classic Motorshow zeigte sich 2024 von ihrer besten Seite. Unglaubliche Menschenmassen stürmten bereits am ersten Tag um 8:30 Uhr die Hallen. Insgesamt kamen 45'740 Besucher nach Bremen, womit die Ausgabe 2024 die zweiterfolgreichse Classic Motorshow aller Zeiten war – gleich nach der im Vorjahr.
Das obere und das untere Ende der Mobilität
Nun, was gab es alles zu sehen? Natürlich müssen die beiden Sonderschauen "Lancia – Leistung, Luxus, Leidenschaft" und die "Kleinkrafträder der Klasse 4 – ein Schnapsglas voller Dynamik" als erstes genannt werden.
So standen bei Lancia die Modelle Lambda und Astura für die beiden Jahrzehnte vor dem Zweiten Weltkrieg. Vor allem bei dem 1923 vorgestellten Lambda lässt sich erkennen, warum Lancia auch als die "Marke der Ingenieure" bezeichnet wurde. Der mit Einzelradaufhängung vorn und hydraulischen Stossdämpfern ausgerüstete Lambda war zudem eines der ersten Serienfahrzeuge mit selbsttragender Karosserie.
Die beiden Rallye-Modelle Stratos und 037 standen in ziviler "Stradale-Ausführung" ebenfalls am Stand. Vom 037, der immer wieder als Walter Röhrls Lieblingsauto bezeichnet wird, entstanden zu Homologationszwecken nur 207 Exemplare für den Strassengebrauch sowie 50 für den Wettbewerbseinsatz. Deutlich häufiger entstand der allradgetriebene Lancia Delta. Dessen Gruppe-A-Ausführung gilt bis heute als das erfolgreichste Rallyeauto aller Zeiten und gewann mit verschiedenen Piloten sechsmal in Folge die Rallye-Marken-WM.
Die Stars der zweiten Sonderausstellung waren für viele von uns der Einstieg in die nicht-muskelkraftbetriebene Mobilität: Die Mopeds mit 50 ccm und der Führerschein der Klasse 4 bedeuteten in den Siebzigerjahren die erste grosse Freiheit und kilometerweise Abenteuer auf zwei Rädern. Die historischen Mopeds wurden in Bremen nicht nur optisch präsentiert, sondern auch akustisch. Wie auch bei der Lancia-Sonderschau gab es mehrere Führungen mit einem Fachkundigen Sprecher.
Jubiläen und Weltreisen
Zum 60. Geburtstag des ersten Serienautos mit Wankelmotor (NSU Spider) gesellten sich im Eingangsbereich auch noch ein paar Hercules-Wankel-Motorräder mit dazu. Zum Auftakt des Golf-Jubiläumsjahres zeigte die Marke VW an der Weser die erste Generation des Bestsellers und erinnerte damit an den Beginn der Wolfsburger Revolution 1974.
Zu Ehren des 100. Geburtstages von Wolfram Block stand sein Lloyd 600 in der Messehalle. Block war mit diesem Auto vom 7. Januar 1956 bis zum 29. Mai 1957 auf seiner Weltreise unterwegs, wobei er auf eigener Achse 53'300 Kilometer zurücklegte. Für die Schiffspassagen kamen weitere 35'800 dazu. Der kleine Lloyd holte seine 19 PS aus einem Zweizylinder-Viertakter mit Luftkühlung und 596 ccm. Die Beschleunigung bis zur Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h schafft er in 60 Sekunden.
Der Lloyd im Bild wurde 1956 – noch mit amerikanischen Besatzungskennzeichen – in Bremen zugelassen. Mit der Kennzeichenumstellung 1957 erhielt der Wagen das Nummernschild HB-DH 854, mit dem er noch heute unterwegs ist. Das Fahrzeug wurde 1996 aus dem Erstbesitz von Wolfram Block inklusive des originalen Gepäckes und des Reisetagebuchs übernommen.
Dachblinker und Kurzzeitparker
Wieso sollte man eigentlich eine Oldtimer-Messe besuchen? Es müssen keine grossen Kaufabsichten dahinterstecken, um sich in den Messehallen wohl zu fühlen. Nein, es sind die Gleichgesinnten und vor allem die vielen spontanen Gespräche, die sich dabei immer wieder ergeben. Man sieht Sachen, von denen man nicht mal wusste, dass es sie gab. So zum Beispiel einen Volvo PV 444 aus dem Jahre 1951 mit einem Dachaufsatz, der an die Onboard-Kamera auf der Lufthutze eines Formel-1-Wagens erinnert. Was ist denn das? Der Blinker! Diese Anordnung war aber nur ein Jahr gestattet, bevor sie wieder verboten wurde. Zunächst fehlte noch das konstant brennende, hellblaue Mittellicht. Dieses kam erst dazu, als man realisierte, dass ohne Referenzpunkt in der dunklen Nacht nicht erkannt werden konnte, in welche Richtung das blinkende Auto abbiegen will.
Ein Alleinstellungsmerkmal der Bremen Classic Motorshow ist die Umfunktionierung des Park- in ein Autohaus, wenn man so will. Denn an den drei Messetagen stehen hierin nicht die Autos der angereisten Besucher, sondern all jene klassischen Fahrzeuge, die von Privatverkäufern zum Kauf angeboten werden. Vom Porsche bis zum Döschwo und vom 450-SLC-Taxi bis hin zum Saab 96 kann vor Ort über alles verhandelt werden. Die ungewöhnliche Folge im Erfolgsfalle: man fährt mit einem Auto aus dem Parkhaus, mit dem man nicht hineingefahren ist. Eine Auflistung sparen wir uns an dieser Stelle und verweisen einfach auf die Bildergalerie.


















































































































































































































































































































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