Historische Fotos faszinieren immer, ebenso wie historischer Motorsport. Kommen diese beiden Faszinosa dann in Buchform zusammen, kommt mir ziemlicher Sicherheit ein sehr interessanter Bildband dabei heraus. So auch im Falle des neuesten Schmökers aus dem McKlein-Verlag mit dem Titel "Nürburgring-Album 1960–1969 – Norschleife und Südschleife". Der Name des Buches oder besser gesagt die zeitliche Eingrenzung, die er enthält, lässt vermuten, dass demnächst noch weitere "Nürburgring-Alben" scheinen werden. Aber vorerst müssen wir uns mit den Sechzigerjahren begnügen – was sicher nicht das schlechteste Jahrzehnt für den Motorsport war.
Von der Anreise bis zur Zieldurchfahrt
Das grüne Album über die "Grüne Hölle" nimmt den Leser mit auf ein zehn Jahre dauerndes Rennwochenende: es beginnt bei der stauenden Anfahrt an die Strecke und dem anschliessenden Weg ins Hotel. Erst danach gelangt man durch das Fahrerlager auf die Strecke und an den Start des Rennens. Im weiteren Verlauf folgt das Redaktoren-Trio Jörg-Thomas Födisch, Michael Behrndt und Nils Ruwischa dann dem Verlauf der Nordschleife und widmet jedem Streckenabschnitt ein eigenes Kapitel.
Sobald man einen neuen Teil betritt (oder besser: befährt), wird kurz erläutert wie der Abschnitt zu seinem Namen kam. So erhielt etwa das "Schwedenkreuz" den seinem vom sogenannten steinernen "Schwedenkreuz", das dort im Wald neben der Piste stand und immer noch steht. Woher das wiederum seinen Namen hat, weiss aber niemand mehr.
Die Fotos sind überwiegend von hervorragender Qualität, sodass man häufig nicht nur die Namen der Sponsoren auf den Werbetafeln lesen kann, sondern auch die dazugehörigen Werbesprüche. Etwa zwei Drittel der Aufnahmen sind in Schwarz-Weiss, die übrigen rund 100 Bilder in Farbe. Neben den "grossen" Rennen für Formel 1, Sportwagen und Tourenwagen zeigen vor allem die Fotos der Südschleife auch kleinere Regional- und Markenpokalrennen.
Gelegentlich findet sich auch Kurioses wie eine Horde VW-T1-Pritschenwagen auf der Strecke, die als Begleitfahrzeuge dem Feld der Strassen-Radweltmeisterschaft 1966 hinterherfuhren, oder Aufnahmen von Touristenfahrten, die beweisen, dass man sich schon 1968 im Adenauer Forst gerne verschätzt hat. Aber auch die Rennwagenfelder haben neben Ferrari 250 GTO und Porsche Carrera GTS teils Ungewöhnliches zu bieten, was man nicht direkt mit dem Nürburgring assoziieren würde: etwa den Tatra 2-603 beim Marathon de la Route 1966 oder den Opel Kapitän P 2.6 beim 12-Stunden-Rennen 1964 – mit einem japanischen Fahrer.
Auf der Strecke so interessant wie daneben
Für den Altautofreund mindestens ebenso spannend sind die Grossaufnahmen, die neben einem Streckenteil vor allem die Zuschauerparkplätze zeigen. Auf diesen Wimmelbildern lässt sich wunderbar das deutsche Strassenbild jener Jahre analysieren. Wer findet zum Beispiel den Simca 1200 S auf Seite 77 oder den 1957er Oldsmobile auf Seite 214?
Innerhalb der einzelnen Streckenabschnitts-Kapitel sind die Fotos nicht chronologisch sortiert, was aber dank Nummerierung und Jahresangaben kein Ärgernis ist. Erfreulich: die Bildlegenden nennen nicht nur das Jahr, sondern auch die Veranstaltung und die auf der Strecke zu sehenden Autos samt Fahrerpaarung – selbst wenn die Rennwagen nur Beiwerk sind wie auf dem Schuss in Richtung Klostertal auf Seite 171, der die Zuschauermassen beim 1000-km-Rennen 1966 zeigt.
Besonders nützlich ist dies vor allem, wenn die Autos nicht zu erkennen sind. Etwa der kopfüber im Gaben liegende Jaguar E-Type von Maurice Caillet und André Wicky, der dem Fotografen beim 1000-km-Rennen 1965 nur noch drei Räder sowie den Unterboden zeigte.
Einziger kleiner Wermutstropfen ist, dass die ersten Fotos von Anfahrt und Hotel nicht mit Jahreszahlen versehen sind. Erst ab der Ankunft auf der Start-Ziel-Geraden sind die Bilder datiert. Obendrein ist es beim ersten Durchblättern ein wenig verwirrend, dass die Legenden nicht immer zu den Fotos auf derselben Doppelseite gehören (Bsp. S. 26/27 Nr. 01–03), wenn die rechte bereits ein neues Kapitel eröffnet.
Doch das vermag die Freude über die tollen historischen Aufnahmen nicht zu trüben. Manche würde man sich gar noch grösser wünschen, um auch das letzte Detail erkennen zu können. Doch auch so ist es möglich, die Lamellen in Jim Clarks Dunlop-Vorderreifen zu zählen, während er die Hinterreifen beim Start zum Grossen Preis von Deutschland schon durchdrehen lässt.
Fazit
Und genau davon lebt "Nürburgring-Album 1960–1969 – Norschleife und Südschleife": von lebendigen Momentaufnahmen einer glorreichen Motorsport-Epoche. Das Buch nennt keine Rennergebnisse und erzählt nicht ausschweifend die Geschichte der Rennstrecke, sondern lebt ausschliesslich von seinen und für seine tollen Bilder. Für Freunde historischer Motorsportfotografie bleibt zu wünschen, dass bald noch weitere Nürburgring-Alben erscheinen.
Bibliografische Angaben
- Titel: "Nürburgring-Album 1960–1969 – Nordschleife & Südschleife"
- Sprache: Deutsch
- Redaktion: Jörg-Thomas Födisch, Michael Behrndt, Nils Ruwisch
- Auflage: 1. Auflage 2022
- Format: 240 x 300 mm, gebunden
- Umfang: 256 Seiten, 358 Abbildungen (davon 103 in Farbe und 255 in Schwarz-Weiss)
- ISBN: 978-3-947156-50-4
- Preis: EUR 59.00 / CHF 81.90
- Kaufen/bestellen: Bei amazon.de , bei McKlein Publishing oder in der guten Buchhandlung
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Allerdings nervt mich der ungerechtfertigte Schweizzuschlag von 33%.