Sie haben Ihre alten Schallplatten aussortiert und suchen nun etwas Eindrucksvolles, um die Lücke im Wohnzimmerregal zu schliessen? Für dieses Anliegen gibt es neuerdings etwas, was ganz nebenbei noch ein anderes, wahrscheinlich noch dringenderes Defizit egalisiert: das weitgehende Fehlen anspruchsvoller Literatur über automobile Klassiker „made in Japan“. Die Rede ist vom fünfbändigen Opus mit dem stolzen Namen „A Quiet Greatness – Japan’s Most Astonishing Automobiles“.
Aufklärung für alle, die alles über alte Autos zu wissen meinen
„Eine stille Grösse“ – diese Losung ist ein Synonym für das fernöstliche Land, das uns mit seinen technischen Produkten so nah, mit seiner geheimnisvollen Kultur gleichzeitig aber so fern ist – nicht zuletzt in automobiler Hinsicht. JDM, so nennen die Petrolheads Amerikas die Zauberformel, die für „Japan Domestic Market“ steht – also für die teils skurrilen, überwiegend faszinierenden Typen, die es ausserhalb des auto- und motorsportverrückten pazifischen Inselstaates nie zu bestaunen, geschweige denn zu kaufen gab. Insofern darf „A Quiet Greatness“ durchaus auch als Aufklärungswerk für alle verstanden werden, die bislang meinten, alles über Liebhaberfahrzeuge zu wissen.
In der westlichen Automobilliteratur belegten Klassiker aus Japan bislang ein absolutes Orchideenfach, keine traditionsreiche Autonation wurde bislang ähnlich stiefmütterlich behandelt. Nun sieht es so aus, als wolle ein einziges Werk diesen Nachholbedarf ganz allein stillen. Denn „A Quiet Greatness“ ist vom Umfang her schlichtweg erschlagend.
Tatsächlich ist der oben angedeutete Vergleich mit der Schallplattensammlung rein physisch nicht so weit hergeholt: Die einzelnen Bücher haben mit 31,4 mal 31,4 Zentimetern das exakte Format einer LP-Hülle. Allerdings ist der massive Schmuckschuber, der sie umhüllt, mit 17 Zentimetern so dick wie 60 Langspielplatten im Cover – und mit rund 16 Kilogramm nochmals erheblich schwerer.
Fünf Bücher mit 2352 Bildern auf 1398 Seiten
Die fünf aufwendig verarbeiteten Bände, deren Innereien aus glanzlackiertem, schweren 150-Gramm-Papier bestehen, verteilen sich auf die Volumes I bis IV sowie ein einzelnes Buch, das den Index und zahlreiche Tabellen beinhaltet. Insgesamt umfasst das gigantische Paket 1398 Seiten, die 2352 Bilder zeigen, nicht wenige davon grosszügig als Doppelseite.
Dabei ist erfreulich, dass sich die einzelnen Bücher dank der kostspieligen Fadenbindung vollständig flach aufklappen lassen. Der Betrachter darf sich an zahlreiche neuen, fotografisch teilweise höchst anspruchsvollen Bildern erfreuen. Es findet sich aber auch viel historisches Material, etwa alte Werksfotos sowie Durchsichtszeichnungen oder abgebildete Broschüren und Homologationsdokumente aus dem Motorsport.
Fokus auf klassische Coupés und Sportwagen
Den weit überwiegenden Teil des Inhalts bilden klassische Coupés und Sportwagen, die auch im Renn- und Rallye-Einsatz ausgiebig gezeigt werden. Andere Fahrzeuggattungen hingegen spielen keine wesentliche Rolle, was angesichts interessanter Luxuswagen aus dem Land der aufgehenden Sonne bedauerlich ist. So gehören etwa der Toyota Century V12 und der Mitsubishi Pajero Evolution zu den wenigen Modellen, die aus dem betont sportlichen Rahmen des Inhalts fallen.
Unterm Strich behandelt „A Quiet Greatness“ rund 240 Modelle von 18 Marken, die 68 Jahre japanische Automobilgeschichte abdecken. Wobei die neuesten Typen, die bis Baujahr 2019 reichen, im Sinne kompromissloser Oldtimerfans nur eine sehr kleine Fraktion bilden.
Die enzyklopädischen Ausmasse des verschwenderisch aufgemachten Grossgebindes täuscht allerdings nicht darüber hinweg, dass historisch belastbare Texte und Hintergrundinformationen zu den einzelnen Modellen tendenziell zu kurz kommen; der Schwerpunkt liegt ganz klar weniger auf Lesen und Lernen, die Bildlastigkeit sorgt viel eher fürs Geniessen, Schwärmen und Faszinieren. Insofern lässt sich der Umstand verschmerzen, dass das Werk einzig auf Englisch verfasst ist. Seine Autoren, die in der Sammlerszene skurriler Exoten bestens bekannten Zeitgenossen Mark Brinker und Myron Vernis, sind eben US-Amerikaner, die die Alte Welt nicht im primären Blickfeld haben.
Exoten inklusive – von Dome über Mitsuoka bis Prince
Ihre inhaltliche Auswahl fiel naturgemäss auf Selbstgänger wie Mazda MX-5, die Nissan/Datsun Z/ZR- und Skyline-Coupés, die Subaru Impreza WRX, Toyotas Celica wie MR2, die Rallye-Lancer von Mitsubishi – und zwar jeweils aller Generationen; derartige Baureihen sind sehr ausführlich und beeindruckend bebildert dargestellt.
Dennoch kommen in unseren Kulturkreisen nahezu unbekannte Exoten à la Dome, Mitsuoka und Prince nicht zu kurz. Das heisst aber nicht, dass „A Quiet Greatness“ einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann. Selbst für diesen riesigen Umfang bieten die Portfolios der höchst produktiven und kreativen Autohersteller Japans einfach viel zu viele Modelle. Eine vollständige Liste aller Typen, die durch die vier dicken Bände fahren, hält die Webseite zum Buch vor.
Fazit – für Enthusiasten und breit interessierte Autoliebhaber
Vor allem für Anhänger klassischer japanischer Autos ist das auf 1000 Exemplare streng limitierte fünfteilige Grosswerk ein echtes Muss – und für alle anderen Petrolheads immer noch ein begehrenswertes Kann. Indes ist es mit 449 Euro schmerzhaft teuer. Auf den ersten Blick jedenfalls, der sich hinsichtlich des monumentalen Umfangs allerdings schnell relativiert.
Schnäppchenjäger, die der US-Verkaufspreis von 350 Dollar reizt, sollten sich nicht zu früh freuen: Inklusive Versand käme der Direktimport unterm Strich teurer, zumal der in Deutschland ansässige Europa-Vertrieb überaus günstig agiert. Deutsche und österreichische Käufer werden sogar frachtfrei bedient, in die Schweiz gelangt der schwere Klotz für verdauliche 19 Euro.
Bibliografische Angaben
- Titel: „A Quiet Greatness – Japan’s Most Astonishing Automobiles“
- Sprache: Englisch
- Autoren: Mark R. Brinker, Myron T. Vernis
- Verlag: Eigenverlag
- Auflage: 1. Auflage 2022, limitiert auf 1000 Exemplare
- Format: 314 x 314 mm, gebunden in fünf Bänden, Schmuckschuber
- Umfang: 1398 Seiten, 2352 Abbildungen (davon 2151 in Farbe und 201 in Schwarz-Weiss)
- ISBN: 978-0-578-34683-0
- Preis: EUR 449.00 (inkl. Porto für Deutschland/Österreich, EUR 19.00 für Versand in die Schweiz)
- Kaufen/bestellen: Online über die deutschsprachige Website zum Buch