Fred Simeone habe ich Anfang der Siebzigerjahre durch seine Bibliothek kennengelernt. Das war die Gründungszeit der Fachbuchhandlung Schröder&Weise, von der er gehört hatte. Kommuniziert wurde damals – lange vor Internet-Zeiten – mittels persönlicher Empfehlung, Telefon und Brief.
1979 gab es sowohl die ersten Faxgeräte als auch bei Schröder&Weise einen unrestaurierten BMW 328, an dem Simeone Interesse zeigte. Also wurden die Fotos zugefaxt und der Wagen an die damals schon bestehende Sammlung des US-Amerikaners verkauft.
1985 wurden dann die Vorbereitungen für meine erste USA-Reise getroffen und nach einem angemessenen Präsent an jemanden, der schon „alles hat”, gesucht. Nun, ich wusste, dass sich auch ein Mercedes-Benz Typ S in der Sammlung befindet. Deshalb habe ich beim Mercedes-Archiv – damals unter Leitung von Max Gerrit von Pein – angerufen und um eine Kopie aus dem Kommissionsbuch für den Typ S mit der Kommissionsnummer 33679 gebeten. Die kam schnell per Fax und der Inhalt dieses Kommissionsblatts hat Fred Simeone sehr glücklich gemacht und den Wert des Wagens deutlich erhöht. Nun herrschte Gewissheit, dass er den Typ S besitzt, mit dem Otto Merz am 19. Juni 1927 das Eröffnungsrennen auf dem Nürburgring gewonnen hatte.
So sind wir über Bücher, Prospekte und Automobilia zu Freunden geworden und haben uns dank Internet und Email regelmäßig ausgetauscht. 2012 erschien das von Simeone herausgegebene Buch „The Stewardship of Historically Important Automobiles", in dem zahlreiche Autoren über die Bewahrung der automobilen Geschichte und Kultur schrieben.
Das Lebenswerk
Nach dieser Hintergrundgeschichte mag sich der Leser fragen, wer denn nun Dr. Frederick A. Simeone war. Dazu zitiere ich aus dem offiziellen Text der Simeone Foundation: Frederick wuchs in Philadelphia auf und besuchte die Thomas Edison High School. Er erhielt ein Stipendium für die Temple University und studierte dort Medizin, bevor er seine Facharztausbildung an der Mayo Clinic und der University of Pennsylvania absolvierte. Als Vollzeitlehrer an der Harvard University Medical School war er in der Forschung und Neurochirurgie tätig und amtierte später während über 25 Jahren als Vorsitzender der Neurochirurgie am Pennsylvania Hospital. Er forschte über zerebrale Gefäßspasmen und veröffentlichte zahlreiche Publikationen.
Sein Entspannungsthema war die Automobilgeschichte. Er untersuchte und beschaffte methodisch Fahrzeuge, die er als Kunstwerke betrachtete. Seine Sammlung wuchs von vier von seinem Vater geerbten Autos auf über 75 seltene Exponate an. 2008 gründete er das Simeone Foundation Automotive Museum und brachte seine Sammlung von Rennsportwagen und Automobilliteratur in die Stiftung ein, um sie für die Nachwelt und die Öffentlichkeit zu erhalten.
Sein Museum wurde mehrmals ausgezeichnet. Für dessen grössten Meilenstein halte ich die 2014 erfolgte Aufnahme seines Shelby Cobra Daytona Coupés als Nummer Eins ins National Historic Vehicle Register.
Simeone betrachtete Automobile zwar als Kunstwerke, verlor ihre ursprüngliche und noch heute bestehende Bestimmung „mobile", also „Bewegung", jedoch nie aus dem Auge, sondern benutzte den Parkplatz vor dem Museum für Demo-Läufe seiner Automobile. Er nannte das „The Spirit of Competition”.
Ein Rennwagen mit allen Spuren und Blessuren harter Rennen und einer über 50-jährigen Geschichte. Classic Data Note 4, dafür aber echt!
Fred Simeone ist am 11. Juni 2022 sanft entschlafen. Mit ihm ist ein Freund gegangen und die Altauto-Szene hat einen Bewahrer historisch bedeutsamer Automobile verloren.