Das Eifel Rallye Festival (ERF) ist ein Gipfeltreffen hochdekorierter Drift-Stars früherer Tage an Bord hochwertigen Fahrmaterials. Ein driftendes Museum von Ascona, Quattro, Delta, Elfer und Escort. Es röhrt, es staubt, es kesselt, dies mit 150 historischen Rallyefahrzeugen und 40'000 Zuschauern.
Manchmal, wenn jemand ein gutes Wort für einen einlegt, kommt es gar noch besser, und man darf beim lustvollen Bestellen des Ackers gleich selbst mitwirken. Als Beifahrer einer Rallye-Legende.
«Nichts Schlimmes.» Kurz und trocken kommentiert Walter Röhrl meinen Hinweis, ich hätte null Rennerfahrung und wisse nicht, was man auf einer Runde mit ihm, dem zweifachen Rallye-Weltmeister, zu erwarten habe. So viele Bedenken darf man doch äussern, als AR-Politikredaktor. Doch «nichts Schlimmes» muss als Besänftigung genügen, der 65-jährige Bayer ist kein Schwätzer.
Kurz zuvor war ich noch völlig gelassen. Der Opel Ascona 400 ist von Natur aus kein sehr einschüchterndes Auto. In der Form mehr Biedermann denn Brandstifter. Das Rothmans-Dekor immerhin bringt etwas Schwung auf die Hülle.
Röhrls viele Wagenwechsel
Drinnen dann die unmöblierte Leere einer Rennmaschine. Ein paar Knöpfe und Schalter ohne Beschriftung. Kurz muss Röhrl überlegen, schliesslich steigt er an der ERF laufend um: vom Ascona 400 in einen Porsche 911 SC, dann in den starken Gruppe-B-Wagen Audi Sport Quattro E2, dazwischen mal in den Opel Ascona A.
Walter Röhrl ist zwar 1987 vom Profirennsport zurück getreten, doch schnell fährt er immer noch, nicht zuletzt als Abstimmungsfahrer für Porsche. Für den Event in der Eifel, 2012 zum zweiten und vermutlich nicht zum letzten Mal ausgetragen, gilt Röhrl als Schirmherr. Er ist der unbestrittene Star, wenn auch längst nicht der einzige. Und sein langjähriger Copilot Christian Geistdörfer ist Mitorganisator (siehe Interview). Die Autogrammjäger aber, und davon hats in diesen Tagen im Eifel-Städtchen Daun jede Menge, sind hinter Röhrl her.
Jetzt gehts raus auf die Strecke zum «Shakedown» am Vortag des eigentlichen zweitägigen Festivals. Der 2,4-Liter-Reihenvierzylinder des restaurierten Ascona röhrt und schreit ungehobelt, aber nicht infernalisch laut. Den Zuschauern oder besser Zuhörern jedenfalls gefällt die Ascona-Musik: Ein anderer Ascona 400 holt in einer SMS-Wahl den Pokal für den besten Sound. Das Renngerät aus den 1980er-Jahren ist auch rau zu bedienen. Man spürt den Kraftaufwand, den Röhrl fürs Lenken, für Schalt- und Bremsmanöver aufwenden muss.
Wie die meisten der Sonderprüfungen der kommenden zwei Tage gehts beschwingt durch die sanften Hügel der Vulkaneifel. Auf engen Strässchen und Feldwegen, zwischen Hecken durch, in Spitzkehren wird dank Hinterradbremse das Heck, über Kuppen dank Tempo die ganze Fuhre leicht. Vom braven Äusseren des Ascona ist nichts mehr übrig, gut 250 PS sind auf dem winkligen Geläuf überhaupt nicht gemütlich. Dennoch, die Souveränität des Altmeisters am Steuer lässt nie die geringsten Bedenken aufkommen. Ein Fragezeichen aber bleibt: Wie um Himmels willen gelingt es den Copiloten, bei diesem Speed das Roadbook exakt vorzubeten?
Ohne Zeitdruck
Zügig gefahren wird am ERF von fast allen Beteiligten, aber nicht auf Zeit. Auch die Sonderprüfungen werden nicht gezeitet, das Festival ist einzig als Gaudi für Teilnehmer und Zuschauer – von denen es nach Angaben der Organisation über die drei Tage rund 40 000 hatte – angelegt. Das wissen die Fahrzeugbesitzer und Amateurpiloten ebenso zu schätzen wie die Stars. Harald Demuth, zweifacher deutscher Rallye-Meister: «Man kann hier ganz ohne Druck fahren. Wenn man will, dann gehts quer für den Spass im Cockpit und bei den Zuschauern oder eben auch ganz relaxt. Wo geht das sonst?!»
Fahren lassen statt nur im Museum zeigen, das entspricht der Grundidee der Interessengemeinschaft Slowly Sideways, die hinter dem Event in der Eifel steht. Damit die Besitzer ihre raren Teile hergeben (oder selber fahren), legt man die Strecken mit viel Asphaltanteil aus oder, wie in diesem Jahr in der über losen Grund führenden «Bosch Super Stage», baut an kritischen Stellen auch mal Ausweichmöglichkeiten ein. So musste niemand den materialmordenden Sprunghügel oder das Wasserloch zwingend befahren. Die meisten «Ausweichler» entschädigten die Zuschauer mit einem herzhaften Drift ums Hindernis.
Hommage an die Safari Rallye
Die «Super Stage» war wie gemacht für jene Fahrzeuge, die im Trimm der Safari Rallye an den Start gingen. «Safari Rallye» war das Sonderthema des diesjährigen ERF, mit entsprechender Strecke einerseits, einem Videoabend auf Grossleinwand an der «Rallye-Meile» im Städtchen Daun mit beeindruckenden Bildern des Filmers Helmut Deimel anderseits. Vor zehn Jahren hatte die knochenharte Ausdauerprüfung in Ostafrika zum letzten Mal im Kalender der Rallye-WM gestanden.
Am Rallye-Fest in der Eifel trafen sich einige Prominente mit besonderer Beziehung zur legendären Afrika-Rallye. Nebst Röhrl, der dort nie gewinnen konnte, zum Beispiel Yvonne Mehta, Witwe des fünfmaligen (Rekord-)Siegers Shekhar, lange Jahre seine Copilotin, wenn auch nicht an der Safari-Rallye. In der Eifel amtete sie wiederum als Frau fürs «Gebetbuch», diesmal für einen britischen Subaru-Treiber.
Prominenter noch Björn Waldegård, der die Safari-Rallye dreimal gewann. Abseits von Auto und Rennstreck wirkt der 68-Jährige gemütlich wie ein Klischee-Schwede, er geht und spricht eher bedächtig. Doch einmal am Steuer, geht eine Wandlung durch den Veteranen, von behutsam kann dann keine Rede mehr sein. Waldegård heizte mit einem Safari-Fahrzeug (Porsche 911 2.7 RS) um die Ecken ohne besondere Materialschonung, während beispielsweise Landsmann und Exweltmeister Stig Blomqvist mit einem «normalen» Rallye-Renner, dem Gruppe-B-Boliden Ford RS200, doch sichtlich sorgfältig umging. Offenbar gabs mit dem frisch restaurierten Ford aber auch technische Probleme.
«Manta-Loch» Überstehen
In der Kategorie der bekannten Namen gabs zudem ein Rallye-Debüt in der Eifel: Der Tourenwagen-Pilot Joachim Winkelhock folgte einer Einladung von Event-Hauptsponsor Opel und gab am Steuer eines Ascona A Gas. Dabei gab er sich mit sauberen Drifts, beispielsweise am berüchtigten «Manta-Loch», keine Blösse. Die Frage nach dem Spass quittiert «Jockel» mit Mundwinkeln von Ohr zu Ohr
Auf der Probefahrt des AR-Schreibers mit Walter Röhrl passierte wie von ihm angekündigt «nichts Schlimmes». Das soll gefälligst so bleiben, bis er auch seinen Rennhelm endgültig weglegt. Dass er darüber nachdenkt, hört man bei vielen seiner Äusserungen. Doch 2013, so viel scheint sicher, dürfen die ERF-Organisatoren von «Slowly Sideways» nochmals auf ihren Schirmherrn zählen.
Interview Christian Geistdörfer
Christian Geistdörfer engagiert sich in der Organisation des Eifel Rallye Festival (ERF) und lässt sein Beziehungsnetz spielen, damit tolle Autos und die Stars von einst den Weg in den Westen Deutschlands finden. Geistdörfer wurde als Beifahrer von Walter Röhrl zweimal Weltmeister. Seinen Lebensunterhalt verdient sich Geistdörfer mit der Beratung im Automobilbereich für Events, im Sportsponsoring für Motorsport und in der Beratung für Vermarktungsstrategien neuer Rennstrecken der F1. Seit 2010 ist der 59-Jährige zudem als Markenbotschafter für Opel im Einsatz.
Ein Starterfeld mit rund 150 Fahrzeugen. Bedeutet dies volles Haus, also voller Erfolg, oder ginge auch mehr?
Wir hatten uns ganz bewusst bei der Konzeption der Veranstaltung auf diese Grössenordnung entschieden. Es wäre ohne weiteres möglich, mit 250 Fahrzeugen zu fahren. Wir mussten auch dieses Jahr wieder Nennungen ablehnen, da wir einen hohen Anspruch an den Qualitätsstandard der Fahrzeuge haben. Wir wollen Originalfahrzeuge am Start haben oder zumindest dem Original so perfekt wie möglich nachgebaute Repliken. Einen Rallye-Audi-Quattro mit Schiebedach hat es nie gegeben, daher gibt es ihn auch nicht bei uns im Hauptfeld.
Gibt es für Rallye-Autos eigentlich viele schöne Startgelegenheiten?
Es gibt ausser der «Rallye Legend»-Veranstaltung in San Marino keine vergleichbare Veranstaltung in Europa, da wir diese nur für historische Rallyefahrzeuge veranstalten. Es kommt natürlich öfters vor, dass historische Fahrzeuge in geringer Stückzahl als «Pausenfüller» bei normalen Rallyes zu sehen sind.
Die ehemaligen Topfahrer suchen sich die besten Veranstalter aus und kommen, wenn ein entsprechender fahrbarer Untersatz gestellt wird.
Fast alle Teilnehmer wirken locker und entspannt. Ist ja auch kein Rennen...
Das Eifel Rallye Festival ist ein Show-Event, bei dem der Spass im Vordergrund steht. Alle sollen im Rahmen ihrer Möglichkeiten die historischen Fahrzeuge bewegen. Zeitnahme würde den Druck unnötig verschärfen, und einige würden ihre «Schätzchen» nicht zeigen. Ausserdem, wie will ich einen Wartburg Baujahr 1958 mit einem Audi Quattro von 1985 vergleichen? Es gibt keine noch so komplizierte Gleichung, die das fertigbringen würde. Also fährt jeder, so gut er kann, und einige geben richtig Gas, nicht nur die ehemaligen Weltmeister. Dem Publikum gefällt es, und das ist das Wichtigste.
Dieses Jahr wurde das Rennen der Safari-Rallye gewidmet. Warum?
Wir kamen auf das Thema, da vor genau zehn Jahren die letzte Safari-Rallye im Rahmen der Rallye-Weltmeisterschaft lief. Es war also eine Art Nachruf auf die härteste Rallye im Kalender, die nunmehr noch mit historischen Fahrzeugen gefahren wird.
Da spielt auch Wehmut mit nach den Zeiten, als so etwas Verrücktes wie diese Rallye noch möglich war?
Natürlich. Die Rallye-WM im alten Format (mindestens 2500 km/1000 km Sonderprüfung, Tag- und Nachtfahrten über 24 Stunden bei allen Wetterbedingungen, Service neben der Strasse bei hohem Zeitdruck ), das war ein ganz anderer Spirit. Nicht nur bei der Safari. Ich glaube, der Rallye im neuen Format fehlt Herzblut, Nähe und Drama.
Zentrale Serviceparks, die die Fans auf Distanz halten, und Fahrer, die nur aus der Ferne winken, lassen diese ursprüngliche Faszination Rallye nicht mehr erlebbar machen. Eigentlich sehr schade, da wir jetzt Söhne sehen, die die alten Zeiten nur von Videos kennen und trotzdem begeistert mit ihren Vätern ans Rallye-Festival reisen. Irgendwas machen wir richtig!
Sie sehen den Rallye-Sport in seiner heutigen Form also kritisch.
Der Sport hat viel an Boden verloren. Die zentrale Vermarktung ist gescheitert. Die FIA hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Der Sport steht am Scheideweg, obwohl mit dem Einstieg von VW Grosses möglich wäre. Leider gibt es keine Integrationsfigur, die alle Beteiligten endlich mal koordinieren könnte. Vielleicht ist das aber auch Absicht.