Rund 150 Teilnehmer füllten am Nachmittag und frühen Abend des 23. Januar den Saal des Event Center von Emil Frey Classics in Safenwil. Das Thema Konservieren, Restaurieren und Next Generation tönte vielversprechend. Organisator und SCR-Gründer Urs P. Ramseier hat dazu eine ganze Reihe von Referenten eingeladen.
Die dreigeteilte Struktur historischer Objekte und ihr Zeugniswert
Den Auftakt zur Veranstaltung machte Dr. Christian Jenny, seines Zeichens Mitinitiator der Swiss Car Register Academy unter deren Label der Infoabend durchgeführt wird. Wie er gleich zu Beginn seiner Präsentation klarmachte, ging es ihm um die grundlegenden Fragen zum Sinn des Konservierens historischer Substanz gegenüber dem Streben nach einer Wiederherstellung des Neuzustandes. Der Schlüssel, so Jenny, liegt in einer zwar komplexen, doch auf drei wesentliche Punkte reduzierbaren Betrachtungsweise. Die Identität, die Geschichte (Historie) und die Substanz eines Objekts – Jenny machte extra einen Querverweis zum Brunnen von Valendas um die allgemeine Anwendbarkeit seiner Formel zu unterstreichen – bestimmen den Zeugniswert als historisches Kulturgut. Dieser und nicht der monetäre Wert hat sich der Sammler historischer Jaguar zur Grundlage gemacht, mit der er in den vergangenen Jahren seine Kollektion von Schlüsselmodellen der Firmengeschichte umgebaut hat. Jenny war Besitzer des ersten verkauften SS (Jaguar) Sportwagens überhaupt, des SS 90 von John Black, ebenso des SS 90 Prototyps oder des Jaguar C-Type Nummer 0023. Nun setzt der Thalwiler auf Substanz und favorisiert weitgehend originale, unberührte Fahrzeuge wie den ersten Produktions-XK 120, der an der London Motorshow gezeigt wurde – der XK 120 «Rosella» – oder den E-Type, der einst Dr. Thomas Haddock für seinen Restaurierungs-Guide gedient hatte, der «Ex-Briggs Cunningham und Walt Hansgen»-E-Type Nummer 875026. Zusammen mit dem einzigen unrestaurierten SS Jaguar 100 bildete der «Haddock» E einen Teil des am 23. Januar in Safenwil gezeigten Displays von Fahrzeugen.
Der im Referat formulierte Begriff des Zeugniswerts ist der Schnittpunkt von Identität, Substanz und Geschichte eines Autos. Der Zeugniswert beschreibt so die Bedeutung des Wagens und soll in Zukunft etwa dazu dienen, den kulturellen und historischen Wert eines jeden Klassikers darzulegen. Dies mit der Absicht, Anerkennung und Akzeptanz von offizieller Seite her für die Besitzer zu erhalten, welche notabene im eigenen Auftrag und auf eigene Rechnung Kulturerbe bewahren. Doch auch den Anspruch des Fahrens unterstrich Jenny in seinem Referat deutlich. In diesem Zusammenhang brachte er das Modell des amerikanischen Autors Miles C. Collier aus dessen Werk «The Archeological Automobile», der den Substanzerhalt mit dem Streben nach einer grösstmöglichen Konservierung als goldenen Mittelweg zwischen der völligen (musealen) Stilllegung und dem hundertprozentigen Zustandserhalt mit laufendem Substanzverlust bei einer Restaurierung oder gar mehreren solchen vorzieht. Womöglich war dies etwas schwere Kost für die durchs Band etwas ältere Zuschauerschaft, doch Jenny hat nicht zum ersten Mal ein Theoriemodell präsentiert, dem er in der Folge praktische Beispiele hinzugefügt hat. Gewiss ist, dass noch detailliertere Erläuterungen folgen werden, wie der umtriebige, ehemalige Dozent der Hochschule St. Gallen und Business-IT-Pionier durchblicken liess.
Konservierte Geschichte
Weit weniger in der Theorie als vielmehr in der Praxis präsentierte Simon Jau von der Classic and Vintage Car AG im Bernischen Spiez seinen Beitrag zum Thema Konservieren. Als treffendes Beispiel hat der «U30er», wie er über sich selbst sagte, kein geringeres Auto als den «Best of Show» von Pebble Beach 2024 aus der Pearl Collection von Fritz Burkard mitgebracht. Jau liess das Publikum in die Geschichte des Bugatti T59 und ganz besonders natürlich in jene des als «King Leopold of Belgium» bekannten, ersten von nur sieben gebauten GP-Bugattis teilhaben. Durch glückliche Zufälle und Umstände, so blieb der Wagen, 1935 vom Werk selbst von einem GP- in einen Rennsportwagen der 750 kg-Klasse umgebaut und nach dem Ende einer Sportkarriere mit Wimille oder Dreyfuss am Steuer 1937 dem Belgischen König verkauft, trotz der Deportation der belgischen Königsfamilie 1944 und anschliessendem Schweizer Exil bis 1959, unberührt erhalten. 1968 verkauft, ging der immernoch in den Farben des belgischen Königs – Schwarz mit gelbem Streifen – lackierte Wagen durch verschiedene Sammlerhände, die alle den optischen Auftritt des Bugatti erhalten haben. Seit einigen Jahren im Besitz von Burkard, hat nun Simon Jau die Spuren am Fahrzeug gesichert – so beispielsweise durch die Freilegung der ersten Zulassungsnummer – und den Lack vor weiterem Verfall geschützt, eben konserviert. Wer sich nach Ende der Veranstaltung noch etwas Zeit genommen hat am 23. Januar, konnte sich beim Verladen des Wagens vergewissern, dass sich die Mechanik ebenso in Bestform befindet.
«To finish the business»
Gastgeber und Hausherr Hannes Gautschi von Emil Frey Classics brachte dem Publikum die Geschichte des Jaguar E-Type Lightweight näher. Allerdings handelt es sich beim Objekt aus der hauseigenen Sammlung nicht um einen der zwölf Originale sondern um einen von sechs Nachbauten von Jaguar von 2015. Die sechs Wagen tragen jene Chassisnummern, die damals vom Werk für die Rennsport-Version des E reserviert wurden, doch mangels Nachfrage nicht verwendet. Gebaut nach den Originalplänen vom originalen Hersteller, warf Gautschi die Frage auf, ob man dem ideellen und reellen Besitzer des geistigen Eigentums an solch einem Fahrzeug vorschreiben kann, wenn er denn aufhören solle, seine eigenen Autos zu bauen oder ob es abzulehnen sei, wenn zwischen zwei Produktionsperjoden eine Lücke von mehreren Jahrzehnten liegt. Besonders interessant bei der Präsentation des Wagens war die Darstellung der doch recht umfangreichen technischen Unterschiede des Lightweight im Gegensatz zum Serienfahrzeug, was trefflich anhand des Haddock E-Type 875026 festgestellt werden konnte. Gautschi verwies dazu auch auf die Unmöglichkeit zur Strassenzulassung des erst 10 Jahre alten E-Type.
Wie mit historischen Aufzeichnungen und Bildern, der Hilfe eines modernen Designbüros und der wissenschaftlichen Unterstützung eines Forensikers mit dem Spezialgebiet Metallurgie ein Mercedes SSK mit Karosserie von Fritz Ramseier in Worblaufen wiederauferstehen soll, erläuterte Urs P. Ramseier, ein Neffe von Fritz Ramseier: «Unggle Fritz». Wie Ramseier nicht ohne Schalk zu erkennen gab, habe man die Identität des dazu nötigen Originalchassis ein-eindeutig feststellen können: «Aus einem der 56 original-erhaltenen SSK von 36 gebauten Exemplaren...». Mit der Gewissheit, unter einem in der ehemaligen Sammlung von Bernie Ecclestone gehüteten, weissen SSK die korrekte Basis des einst für den Schweizer Traktorenbauer Fritz Hürlimann karossierten Worblaufen-Autos gefunden zu haben, sollen nun die Arbeiten des Wiederaufbaus möglich sein. Um das fertige Auto visualisieren zu können, hat Spadaconcept in Turin, das Designatelier von Ercole Spada (Zagato, BMW oder Fiat) und seines Sohnes Paolo (Smart Roadster) einen Render angefertigt. Ercole Spada versicherte dazu, dass er in der Lage sein würde, die 1:1-Zeichnungen für den Karosseriebauer anzufertigen.
Noch mehr Theorie und Next Generation
Genau beim Thema Strassenzulassung setzte René Gauch, der Verantwortliche für die FIVA ID-Cards und für Technikfragen des Dachverbands SHVF Swiss Historic Vehicle Federation ein. Er brachte keine zukunftsweisenden Theorien oder Praxisberichte aufs Tapet, sondern die nüchterne Realität der Gesetzte und Verordnungen und stellte diese der Handhabe in der Klassifizierung von historischen Fahrzeugen (und solchen, die dies zu sein vorgeben) durch die FIVA Fédération Internationale des Véhicules Anciens entgegen. Deutlich wurde, dass die Schweiz einmal mehr einen Schritt weiter geht, was die Zulassung von Um- und Nachbauten betrifft. Der Spielraum, der noch vor einigen Jahren bei der Neukarossierung bestehender «Running Chassis», also kompletten Fahrgestellen samt Antriebsstrang, vorhanden war, existiert nicht mehr. Für Specials etwa, genauso wie für Hot-Rods aus jüngerer Zeit, selbst mit einem historischen Spenderfahrzeug als Identitätsstifter, ist der Zug abgefahren. Und selbst für sicherheitsrelevante Umbauten, etwa einer Scheibenbremsanlage, bestehen Hürden – zumindest wenn es um die Zulassung als Veteranenfahrzeug geht.
Für einen weit emotionaleren Auftritt im Anschluss sorgte die junge Fotografin, Auto-Bloggerin und Instagram-Content-Produzentin Liv @withliv. Sie präsentierte sich und ihre Motivation, einen Auszug aus ihrer sehr vielfältigen Arbeit und stellte sich den Fragen des Berichtersatters dieser Zeilen. Bemerkenswert und der jungen Frau hoch anzurechnen ist der Umstand, dass sie am selben Tag an einem Fahrtraining im Schnee mit einer Schwedischen Automarke oder an einer Party in einem Zürcher In-Lokal, organisiert von einer Gruppe junger Auto-Enthusiasten, die sich sinnigerweise über Social-Media und entsprechende Apps austauschen und formieren, hätte teilnehmen können. Doch stattdessen führte sie eine Gruppe von «Seniors», wie sie im Nachgang in einer Story auf ihrem Account auf Instagram schrieb, ein klein wenig in die grosse Welt der digitalen, neuen Generation ein und in die Art und Weise, wie diese mit dem Thema klassische Autos umzugehen pflegen. Dabei kam auch zur Sprache, was die Gründe sein können, dass die Generation Z sich weit weniger für Klassiker oder gar Autos im Generellen zu interessieren scheint. Wie Liv anmerkte, scheint beispielsweise der Informationsaustausch zwischen den Generationen nicht sehr gut zu funktionieren. Im Weiteren führte sie die Kosten an, die einem beim Kauf eines Klassikers erwarten – sowohl bei der Beschaffung wie beim Unterhalt.
@withliv besitzt keinen eigenen Klassiker, aber durch ihre Popularität mit rund 40'000 Followern und einem stetig wachsenden Netzwerk mit realen Bekanntschaften aus der Oldtimer-Szene wird sie regelmässig eingeladen, mit entsprechenden Fahrzeugen zu fahren und entsprechende Inhalte zu produzieren. Sehr deutlich wurde in der Präsentation der Zürcherin, dass durch ihre Reichweite eine grosse Chance besteht, eine andere, jüngere Generation zu erreichen. Das Thema wurde im später folgenden Panelgespräch nochmals aufgenommen und vom Publikum engagiert mitdiskutiert.
Wissen, wovon, warum und wie man vom Original abweichen will
Seit mehr als 30 Jahren ist die Firma Cagero im Aargauischen Birr die erste Adresse für Teile und Zubehör für klassische Volkswagen. Geschäftspartner Roman Haltiner brachte nicht nur den firmeneigenen VW Transporter T1 DoKa von 1966 mit, sondern eine Präsentation zum Thema modifizierte Klassiker. Er unterstrich, dass die VW-Szene durchs Band jüngere Fans und Enthusiasten anspricht und sich durch eine grosse Spannweite zwischen strengem Originalzustand der Fahrzeuge und der Freiheit, diese nach eigenem Gusto umzubauen und zu individualisieren auszeichnet. Dabei machte Haltiner deutlich, dass selbst bei einem Extremumbau wie er anhand des Beispiels eines tiefergelegten 1953er-Ovali-Käfers mit Fuchs-Felgen belegte, die Würde des Fahrzeuges gewahrt sein müsse. Der Mitgebrachte Transporter, in Knallorange lackiert und mit Pinstripes verziert, tiefergelegt, mit verchromten Fensterrahmen und Strossstangen und den berühmten, für ein Arbeitstier wie eine Doppelkabine so kaum je ab Werk georderten «Safari»-Ausstellfenstern versehen, verdeutlichte dies zusätzlich.
Haltiner liess tief einblicken in die Prozesse, die seine Firma durchlaufen lässt, wenn sie ein modifiziertes Teil herstellen, prüfen und zertifizieren lässt, so dass es legal und mit dem Segen der Motorfahrzeugkontrolle oder – da Cagero auch exportiert – mit dem Segen des TÜV eingebaut werden kann. Als Beispiel diente ihre Lösung zum Ersatz der neu nicht mehr zu erhaltenden Lenkstöcke für den Transporter T1. Cagero baut nun Zahnstangenlenkungen ein und gewinnt dadurch mehr Lenkpräzision bei gleichbleibender Lenkgeometrie. Zudem gibt es auch Scheibenbremsanalgen mit zwei Bremskreisen mit den entsprechenden Zulassungen. Haltiners Plädoyer für eine offenere Szene, wo jedem die Freiheit gelassen wird, mit einem Auto nach seinem Gusto aufgenommen zu werden, schloss den Vortragsteil des Abends ab.
Nachwuchs und Zulassung bewegen
Im abschliessenden Panelgespräch wurde auf einige Schwerpunkte nochmals eingegangen, in der anschliessenden Fragerunde aus dem Publikum dazu deutlich, dass das Thema Fahrzeugumbauten kaum abschliessend zu behandeln ist und die daraus resultierenden Konsequenzen, besonders in Bezug auf die Zulassung, immer wieder individuell betrachtet werden müssen. Ein weiteres, mit verschiedenen Bemerkungen statt eigentlichen Fragen angeregtes Thema war der Nachwuchs. Hier zeigte sich eine deutliche Zustimmung, den Zugang zu klassischen Fahrzeugen für Junge zu erleichtern und Initiativen zu unterstützen, die beispielsweise ein Schnupperfahrt oder die Teilnahme bei Clubausfahrten von interessierten Jungpilotinnen und Piloten ermöglicht. Zudem rief der Organisator in seinen abschliessenden Worten die Teilnehmer dazu auf, ihre Kinder möglichst früh an ihr eigenes Hobby und ihre Leidenschaft heranzuführen und beim «ersten Kratzen im Getriebe» beide Augen respektive eben beide Ohren zuzudrücken. Und ebenso auf das Thema Nachwuchs eingehend, beteuerte Urs P. Ramseier zum Abschluss die Absicht des Swiss Car Registers, in Zukunft den Traditionsanlass wohl eher später am Tag oder gar an einem Samstag durchführen zu wollen, so dass die arbeitstätigen, jüngeren Enthusiastinnen und Enthusiasten ohne eine vom Chef abzusegnende Abwesenheit oder gar einen extra dafür hergegebenen halben Ferientag an der Swiss Car Academy teilnehmen können.
Beim abschliessenden Stehdinner mit den obligaten "Älplermagronen" und vielen Räubergeschichten, neuen Kontakten – sehr wertvoll besonders für die eingeladene «Next Generation» und, als Höhepunkt zum Abschluss, dem Brüllen des 3.3-Liter Reihenachzylinders des Bugatti T59 beim Verladen, ging der 26. SCR-Infoabend zu Ende.























































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