Drei Jahre sind eine lange Zeit und tatsächlich gingen über 35 Monate ins Land seit der letzten und 31. Techno Classica in Essen. Dann kam Corona und nichts mehr war wie vorher, zumindest bis zum 23. März 2022. Denn dann eröffnete die 32. Techno Classica ihre Tore und alleine schon diese Tatsache war erfreulich.
Die Organisatoren hatten es nicht einfach, denn bis am 9. März 2022 waren die genauen Durchführungsbedingungen immer noch unklar. Schliesslich durfte die auch international beliebte Oldtimermesse unter 3G-Bedingungen und mit Maskentragpflicht stattfinden. Jene Besucher, die noch eine Woche zuvor in Paris an der Rétromobile waren, staunten über die deutsche Rigidität der Corona-Massnahmen.
Dass nicht alles sein würde wie im April 2019 war von Anfang an klar, zu unsicher war die Lage selbst diesen Winter noch gewesen.
Für die Autohersteller jedenfalls kamen jegliche positive Signale zu spät, unisono entschieden sich BMW, Mercedes-Benz und der Volkswagenkonzern gegen eine Teilnahme. Aber auch Stellantis mit Alfa Romeo und Fiat musste absagen, die Franzosen genauso.
Ein bisschen kleiner und übersichtlicher
Für die SIHA war dies eine anforderungsreiche Ausgangssituation und man muss Franssen und sein Team bewundern, dass es trotz all der Widerstände gelungen ist, eine Oldtimermesse von Weltformat zu organisieren. In neun Hallen und auf dem Freigelände wurden rund 2700 Liebhaber- und Sammlerfahrzeuge gezeigt, von denen rund zwei Drittel auch zum Verkauf standen. Über 1000 Aussteller, über 150 Clubs und grosse Händler zeigten Autos, die man nicht jeden Tag sieht.
Dem Ruf der Techno Classica folgten vom 23. bis 27. März 2022 150’000 Besucher, die sich selber vor Ort einen Eindruck machen wollen, wie denn die Oldtimerbranche durch die Krise gekommen war.
In Deutschland war die Messe in Essen seit langem die erste derartige Veranstaltung, die stattfinden konnte. Die Stimmung war gut, das bestätigten auch Szene-Beobachter. Die Preise hatten unter der zweijährigen Corona-Phase nicht gelitten und die Signale, welche von den ersten Versteigerungen in den USA und Frankreich kamen, waren positiv.
Natürlich konnte die SIHA die Abgänge der Werke nicht komplett kompensieren, zumal auch grosse internationale Händler wie Lukas Hüni fehlten. Also wurden die Hallen neu ausgerichtet, die Clubs und Oldtimerspezialisten erhielten mehr Platz. Dies tat der Messe durchaus gut, denn alles wirkte übersichtlicher und weniger überfrachtet.
Händler mit beindruckender Auslage
Zwar fehlte der eine oder andere internationale Händler, aber diejenigen, die in die Bresche sprangen, kompensierten das kaufinteressierte Publikum vollkommen. Was die Gallery Aaldering, Houtkamp, Thiesen oder Movendi und Co. an Fahrzeugen nach Essen brachten, dürfte manchem Enthusiasten für schlaflose Nächte gesorgt haben.
Zu sehen gab es eine schier unglaubliche Auswahl an Mercedes-Benz 300 SL, Porsche 911 in allen Ausführungen und Farben, aber auch weniger massentaugliche Klassiker wie ein BMW 3000 Frua Coupé, drei besondere Delahaye mit Karosserien von Ghia Aigle, Motto und Présumée Barou, ein Horch 854, einen Lamborghini Islero, einen Maserati 5000 GT Allemano, ein Talbot-Lago Grand Sport Graber Cabriolet oder einen Veritas-BMW 328 RS.
Aber nicht nur die Abnehmer von sehr teuren Oldtimern und Youngtimern kamen zum Zug, es wurden auch günstigere Autos angeboten vom Alfa Romeo Alfasud bis zum VW Karmann Ghia oder K70.
Auch die Fans der Nippon-Sportwagen kamen zum Zug, denn gleich mehrere Nissan Skyline und ein später Honda NSX buhlten um Kunden.
Der dänische Spezialist CC Cars zeigte drei vermutlich noch nie zusammen ausgestellte Prototypen des Bugatti EB 110, die als A1, A6 und A7 in den Jahren 1988 bis 1991 entstanden waren und einem der wichtigsten Sportwagen der Neunzigerjahre den Weg ebneten.
Und es mangelte auch nicht an Raritäten. Wann kann man schon einen Kellison J4 R sehen, einen Bugatti mit zwei Motoren, einen Felber Ferrari oder gleich drei Lancia Lambda, wovon einer sogar auf vier Mille-Miglia-Teilnahmen in den Dreissigerjahren zurückschauen konnte?
Auch der Alfa Romeo 1900 SS mit Ghia-Coupé-Karosserie ist ein ganz rares Stück und er wurde denn auch mit dem Schönheitspreis der Techno Classica ausgezeichnet.
Und wer kannte vor der Messe in Essen schon die Coupés von Weidner? Sie hiessen Viper, Condor und schliesslich (wegen namensrechtlichen Schwierigkeiten) S 70. 1957 stand eines dieser Weidner Coupés mit Kunststoffkarosserie und Dreizylinder-Zweitaktmotor im Heck auf dem Genfer Autosalon. Insgesamt entstanden höchstens 200 dieser 32 PS starken und 7500 DM teuren Coupés, nur wenige haben überlebt.
Gutes Handelsvolumen
Dass die Techno Classica zurecht gebucht wurde von den Händler, das zeigten die vielen “Verkauft”-Schilder, die bereits am Freitag und noch mehr am Wochenende an vielen Autos angebracht waren.
Nick Aaldering vermeldete schon am Samstag stolz, dass neun seiner gewiss nicht tiefpreisigen Klassiker aus seinem 30 Autos umfassenden Angebot bereits verkauft waren. Andere Händler meldeten ähnliche Erfolge. Und auch im Privatmarkt tat sich einiges.
Clubs als Lebensnerv
Mit der Abwesenheit wurden die Händler und ihre Fahrzeugpräsentationen wichtiger, aber auch die Clubs trugen einen entscheidenen Beitrag zum Erfolg der 32. Techno Classica bei. 160 Interessengemeinschaften, Vereine und Verbindungen hatten nicht nur mehr Platz in den Haupthallen erhalten, sie legten sich auch tüchtig ins Zeug, um über die Abwesenheit der Hersteller hinwegzutrösten.
Allen voran zeigten 17 Mercedes-Benz-Clubs auf 2500 Quadratmetern fast alles, was es zum Stern zu wissen gibt. Präsentiert wurde fast das ganze Spektrum der in Sindelfingen und Co. gebauten Automobile, vom 170 V bis zum SLR McLaren der Neuzeit.
Ergänzt wurde diese eindrückliche Ausstellung noch durch eine Sonderschau mit Kompressor-Vorkriegs-Mercedes-Fahrzeugen, welche in den unterschiedlichsten Zuständen für Erstaunen sorgten.
Auch die Ford-Clubs hatten sich ins Zeug gelegt und sie präsentierten nicht nur Jubilare und den Ford Capri, sondern zum Beispiel auch einen Transit der ersten Generation sowie zwei seltene LMX 2300 HCS Coupés, die in den frühen Siebzigerjahren mit Ford-Technik und eleganten Kunststoffkarosserien in Turin entstanden waren.
Viele andere Markenclubs waren präsent. Gezeigt wurde zum Beispiel fast das ganze Bauprogramm der Firma Jensen, viele Fiat 500, ein Ausschnitt der Audi- und BMW-Paletten.
Ausgezeichnet von einer Club-Jury wurde der aufwändig gebaute Stand des Unimog-Veteranen-Clubs, der ein Team der Deutschen Bahn samt Unimog auf realistischem Schienenstrang mit Schottersteinen bei der Arbeit zeigte.
Auf Platz 2 dahinter landete die Borgward IG, welche dem Publikum auf einem Bauernhof-Dekor nicht nur eine Isabella als Kombi sondern auch einen bisher kaum bekannten Borgward Traktor-Prototypen zeigten.
Nicht vergessen zu erwähnen sollte man auch AvD, ADAC und Co. Sie alle waren auch mit Ständen vertreten, so zeigte etwas der ADAC die Entwicklung der Strassenwachtfahrzeuge vom Hanomag Kommissbrot bis zum VW Passat und der Deuvet stellte einen Renault 16 auf den Stand, welcher vor 25 Jahren als eines der ersten Fahrzeuge ein H-Kennzeichen erhalten hatte.
Einige Jubiläen zu feiern
Das Jahr 2022 ist voll von Jubiläen. So feiert Zagato den 100. Geburtstag. Dies war auch Anlass für die Sonderschau der SIHA, welche die Zusammenarbeit von Aston Martin und Zagato, die mit dem DB4 GT in den frühen Sechzigerjahren ihren Anfang nahm.
Leider fehlten die Zagato-Kreationen der Achtziger- und frühen 2000er-Jahre, der Fokus lag auf den Kreationen der Neuzeit.
Bei Eberlein wurden 75 Jahre Ferrari gefeiert, leider fehlten die ganz frühen Sportwagen aus Maranello auf dem Stand, dafür zeigten andere Händler frühe V12-Modelle mit dem Cavallino Rampante.
Bei den Ford-Clubs wurden 90 Jahre Ford Y, 50 Jahre Ford Granada und 40 Jahre Ford Sierra zelebriert.
Die Citroën-Clubs konnten auf 50 Jahre SM und 40 Jahre BX zurückblicken, bei Opel konnte man auf den 50. Geburtstag des Commodore B hinweisen.
Und auf dem Triumph-Clubstand erinnerten zwei TR3, dass auch dieser Wagen bereits 65 Jahre alt geworden ist. Auch diese Aufzählung ist natürlich keineswegs abschliessend.
An Attraktionen fehlte es der 32. Techno Classica 2022 also nicht und auch wenn der eine oder andere Besucher sicherlich den meist eindrücklichen Herstellerpräsentation nachtrauerte, muss doch gesagt werden, dass es an Autos und Raritäten nicht fehlte. Auch Eduard Michel Franssen zog ein positives Fazit und freut sich schon auf die 33. Auflage der Techno Classica Essen, die vom 12. bis 23. April 2023 stattfinden wird, wenn denn nichts dazwischen kommt bis dahin.
P.S. Einen besseren Überblick als viele Worte vermitteln allerdings die über 250 Fotos, die in der Bildergalerie weitgehend zusammengefasst wurden. Und wer noch etwas über die Messen in Paris und Essen schmunzeln möchte, der sei auf die Bildergeschichte von Daniel Reinhard verwiesen.